Kapitel 39

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Jungkook

Das Wartezimmer in Dr. Jungs Praxis ist wie ausgestorben. In einen warmen, großen Pullover gehüllt, in dessen Ärmeln in meine dezent zitternden Hände verstecken kann, sitze ich völlig alleine in diesem Raum, der einzig von einer dürren Pflanze und einem Landschaftsgemälde verschönert wird. Mein Bein wippt nervös auf und ab, sodass meine Wade leicht krampft.

Sie hat mich noch nie so lange warten lassen.

Diesen Morgen hat Yoongi mich aus einem unangenehmen Traum geweckt. Der Film in meinem Kopf schloss förmlich an das Geschehen vom gestrigen Tag an.

Taehyung kam nie mehr zurück.

Darüber im Klaren, dass es sich dabei nur um einen Traum gehandelt hat, versuche ich seither die kreiselnden Gedanken einfach abzuschütteln. Er wird mich nicht verlassen. Dafür brauche ich ihn zu sehr.

„Hr. Jeon? Sie dürfen jetzt in das Sprechzimmer."

Eine junge Frau tritt zu mir. Ihre Statur ist ziemlich schmal und ihr Haar ist eng zusammengebunden. Sie stumm betrachtend, nicke ich anschließend einfach und folge ihr. Wie erwartet, ist der Raum ebenfalls verlassen. Dr. Jung lässt sich viel Zeit.

Ich möchte hier weg.

„Die Frau Doktor wird in wenigen Minuten bei ihnen sein", lächelt die junge Dame und verschließt hinter sich die Tür.

Ich schaue mich etwas um. Wieder ist er durchflutet von Licht, aufgrund der großen offenen Fenster. Es ist irgendwie klarer. So habe ich den Raum noch nie gesehen. Neugierig blicke ich mich um. Der Würfel auf ihrem Schreibtisch, beschrieben mit Worten, ist verschwunden. Dieser Raum scheint mir ohnehin wie verlassen. Die Farbe Weiß dominiert. Alle dekorativen Gegenstände sind verschwunden.

Wenn dieser Ort sich mit einem Gefühl meinerseits vergleichen lässt, dann ist es etwas wie Hass. Dr. Jung war die erste Person, die sich mit mir unterhielt, nachdem dieses Vieh seinen ersten Streich gespielt hatte, sich das erste Mal in meiner Welt zeigte. Die Erinnerungen an meinen Zusammenbruch auf den Toiletten meiner Arbeit, sie verfolgen mich seit dem in meinen Träumen.

Ich hasse es. Dieses Vieh. Ich hasse es.

„Ich glaube dir."

Taehyung war der Erste, der mir bedingungslos geglaubt hat. Durch ihn habe ich diesen anwachsenden Hass in mir kontrollieren und vergessen gelernt. Seitdem er an meiner Seite ist, fühlen sich die Tage wieder wie wirkliche Tage an. Er half mir schließlich nach jedem Sturz wieder auf, nahm meine Hand und führt mich seither stets an ein sicheres Ufer.

Durch ihn spreche ich schon genauso in Sprichwörtern wie er.

„D-das war ein Fehler."

In seinen Augen habe ich die reinste Reue erkannt, nachdem er sich von mir gelöst hatte. Ohne ein auf Wiedersehen ließ er mich zurück. Ich möchte nicht mehr, als dass er bei mir bleibt. Etwas scheint ihn aber daran zu hindern, sich auf mich einzulassen, wie ich mich auf ihn.

Ich mag zwar blind vor lauter Sehnsucht nach der Nähe des Blonden sein. Dass meine Versessenheit auf ihn nicht normal ist, das weiß ich selbst, aber durch ihn geht es mir gut. So klar und freihabe ich mich seit meinem Unfall nicht mehr gefühlt. Seine Aufmerksamkeit, seine Worte und Hilfe wirkt 1000 Mal effektiver, als jedes noch so vielversprechendes Medikament oder Therapie.

Mirror Demon | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt