Kapitel 24

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Taehyung

Frohen Mutes lasse ich den Blick über die von Laken verdeckten Karossen gleiten. Ich mag mir kaum vorstellen, welche wortwörtlichen Schätze sich unter ihnen verstecken. Die Person zu meiner Rechten, die zu meiner großen Verwunderung an diesem Morgen das Vorhaben, einen Ausflug in die Natur zu starten, angesprochen hat, legt sich nun in diesem Moment die samtene Augenbinde um das Haupt, die ich von vor einigen Tagen noch kenne. Mit einem Ruck zieht Jungkook den Knoten fest.

Blind wird er nun sein, was mich zu seinen Augen werden lässt.

Der gleiche Bedienstete der Familie, den ich ebenfalls nach einem kleinen Gespräch nach Feierabend kennengelernt habe, trägt einen monotonen Ausdruck auf dem Gesicht; grau und gestriegelt sind seine Haare. Er hat dem Erkrankten zuvor noch die Augenbinde gereicht. In den Augen des Jüngeren hat Furcht und Unsicherheit geglänzt.

Um ehrlich zu sein, stehe ich noch völlig neben mir, aufgrund Jungkooks Bitte: mit ihm einen Spaziergang außerhalb des Anwesens zu unternehmen. Das kam so plötzlich. Er meint das „wieder-ganz-werden" offensichtlich mehr als nur ernst.
Sein Vorhaben bis Dezember, scheint in ihm unbekannte Kräfte zu wecken. Die Hochzeit seines Cousins muss ihm die Welt bedeuten. Aber ich bin zuversichtlich, dass wir seinen Wunsch in Erfüllung gehen lassen können.

Aber macht Zuversicht nicht blind?

~•~

„Welche Wägen besitzt dein Vater denn noch alles? Der Bentley war ja schon... Beeindruckend, aber das?", komme ich aus dem Schwärmen kaum heraus, als wir uns auf dem Verbindungsweg des Jeon-Anwesens und der nächsten Schnellstraße befinden. Die ringsum blühenden Bäume wiegen sachte im Wind. Blätter fallen auf den feuchten Grund herab und die Wolken am Himmel lege immer mehr an Masse zu.

Es ist ein wundervoller Tag.

„So einige. Sie zu besitzen ist... sozusagen eine Art Hobby von ihm."

Die Hände wieder zwischen den Oberschenkeln eingeklemmt, sitzt der Jüngere an meiner Seite. Seine Anspannung ist deutlich zu erkennen, obwohl er versucht er zu unterdrücken , zu überspielen. Ob das gut geht?
Sein eines Bein wippt in einem zügigen Rhythmus.

Ich bete zu allen Göttern, dass er während des Spazierens im Park, den ich kurzfristig zu unseren Reiseziel auserkoren habe, vielleicht etwas zur Ruhe finden mag. An diesen Ort finden sich zu dieser Tageszeit nur wenige bis gar keine Menschen. In früherer Zeit haben meine Freunde aus Kindheitstagen und ich dort unsere freie Zeit verbracht. Die ein oder andere geschwänzte Schulstunde ebenfalls.

Es ist schön gewesen.

„Du bist der Einzige, der diese Autos wertschätzt. Mein Vater sieht sie als Trophäen, ich als Transportmittel und meine Mutter stempelt sie regelmäßig als reine Geldverschwendung ab. Sie stehen nur herum, fangen Staub."

„Bitte?", entgegne ich ihm entsetzt. Ich möchte mir kaum vorstellen, was einzig das Gefährt, in dem wir uns augenblicklich befinden, gekostet haben muss. Für einen erfolgreichen Geschäftsführer ist dies vielleicht eine unbedeutende Summe, doch für mich... Ein halbes, ein ganzes und noch einer weiteres Vermögen.

Ein Glück bin ich wenigstens versichert.

Die Fahrt, vorbei an abgelegen Dörfern und Waldstücken, in denen man hat Rehe beobachten können, die mutig genug gewesen sind, um sich an die Landstraße heranzutrauen, verläuft bislang außergewöhnlich ruhig. Keine abrupte Bremsung, aufgrund von leichtsinnigen Idioten, die ihren Führerschein bei der Lotterie gewonnen haben, oder plötzliche Stimmungswechsel seitens Jungkook haben die Fahrt negativ beeinflusst. Dank dieser anhaltenden Ruhe ist es mir möglich, meinen Beifahrer im Augenwinkel zu beobachten, auf Auffälligkeiten seinerseits zu achten. Man weiß ja nie.

Mirror Demon | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt