Kapitel 49

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Jungkook

Da wir die vergangene Nacht und den anschließenden Morgen in einem der Gästeapartments der Hochzeitslocation verbracht haben — Taehyung war viel zu erschöpft, um erst mich und danach sich nach Hause zu bringen — liegt momentan noch der Raureif auf den Wiesen und Wäldern, als wir zu dem Anwesen meiner Eltern zurückfahren. Die Stadt liegt schon ein ganzes Stück hinter uns. Wir sind bald da.

Nicht ein wirklicher Moment ist vergangen, indem ich nicht die Hand des Älteren halte. Er streicht mir während der gesamten Autofahrt schon zärtlich mit dem Daumen über den Handrücken. Das ist also unter anderem seine Art und Weise mir Zuneigung zu zeigen.
Zufrieden lehne ich den Kopf an seine Schulter und schließe die Augen. Die frühe Morgensonne blendet mir ins Gesicht.

„Wir sind schon auf der Allee. Aufwachen, du Schlafmütze", flüstert der Ältere in mein Ohr und weckt mich dadurch behutsam. Das kurze Einnicken hat gut getan. Ich habe von Taehyung geträumt, seiner Wärme, von der vergangenen Nacht.

Als wir das eiserne Eingangstor des Geländes erreichen, hinter dem ich groß geworden bin, bringe ich Abstand zwischen mich und den Blonden.
Im Innenhof treffen wir sogleich den Wagen meines Vaters an, der direkt vor dem Haupteingang des Hauses geparkt ist. Etwas abseits befindet sich noch ein weiterer SUV, den ich nicht kenne.

„Komm, vielleicht schlafen alle noch und wir haben etwas Ruhe während dem Frühstück", bemerkt Taehyung und hilft mir dabei aus dem Auto.
Es ist acht in der Früh.
Er trägt für mich meine Jacke, eine Tasche, die er mir gestern auch gepackt hatte. Auch legt er den Arm um meine Taille und führt mich zum Nebeneingang. Ich blicke mich etwas skeptisch um aus der Angst, ob nicht doch jemand seine Augen nicht bei sich behalten kann.

„Wir sprechen mit niemandem darüber, oke? Wenn deine Eltern wieder auf Geschäftsreise sind, schauen wir weiter. Alles hat seine Zeit", legt der Ältere noch fest, bevor wir durch die Tür in die große Eingangshalle treten. Diese wirkt an diesem Morgen besonders kühl und einschüchternd. Als Kinder haben Yoongi und ich es gehasst am frühen Morgen und späten Abend hier zu sein. Solange der Kronleuchter nicht eingeschaltet ist, scheint diese Halle einen verschlucken zu wollen.

Ich dachte, diese Erinnerung hätte ich schon vergessen.

Wir erklimmen die Treppe und steuern unverzüglich die Küche an. Der entblößte Spiegel in der Eingangshalle hat mir gezeigt, wie zerzaust Taehyung und ich ausschauen. Ein verschmitztes Lächeln bildet sich auf meinen ziemlich mitgenommenen Lippen.

„Ich mach' uns beiden erstmal Früh—"

Etwas oder besser gesagt jemand bringt den Blonden zum Schweigen, als er als Erstes den Raum betritt. Verwundert über sein plötzliches Schweigen, trete ich an ihm vorbei. Verwundert blicke in das überraschte Gesicht meiner Mutter und in die monotonen Züge meines Vaters. Während meine Mutter am Küchentisch sitzt und eine dampfende Kaffeetasse in den Händen hält, steht ihr Ehemann vor der großen Fensterfront des Wohnzimmers und blickt beiläufig in den Innenhof.

Mein Hals ist urplötzlich sehr trocken. Sie beide so nahezusehen, in Person und nicht über den Bildschirm eines Laptops oder ähnlichem lässt mich unbehaglich schlucken. Taehyung ergeht es nicht anders.

„Guten Morgen, Mama... Papa", schaffe ich es endlich nach Momenten der quälenden Stille und hoffe auf eine positive Antwort der beiden Erwachsenen.

„Jungkook— ", beginnt meine Mutter, bevor mein Vater einige Schritte auf uns zukommt.

„Guten Morgen", die Stimme ist frei von jeglicher Emotion. Eingeschüchtert schaue ich zur Seite. Ich mag es nicht, mit ihm Blickkontakt zu halten. Mein Nachgeben erspürt der ältere Mann, dessen Haar immer weiter ergraut, schon im Voraus. Er mustert mich mit diesem bestimmten Blick, den er mir so oft gegenüber auflegt.
Ich weiß, was jetzt folgt.

Mirror Demon | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt