Kapitel 61

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Jungkook

Behaglich steche ich mit dem Löffel in die Schüssel puren Reise. Die Augen meines Gegenübers liegen derweil auf mir, mit der Intention mich von jeglicher Verweigerung abzuhalten. Seine Finger tippeln nervös auf der glatten Oberfläche des eckigen Tisches, der uns voneinander trennt.
Das Metall des Löffels, den ich schwerfällig in den Fingern halte, kratzt langsam über die Keramik des gerade einmal halb gefüllten Gefäßes vor mir.
Finger zitternd, führe ich das Besteck zu meinem Mund - kaum beladen. Ich spüre die bereits wunde Haut erneut etwas aufreißen, als ich meine Lippen öffne, um die weichgekochten Körner zu mir zu nehmen.

Beim metallischen Geschmack des sonst faden Reises kann ich mir bereits ausmalen, wie sich die einzelnen Körner teilweise rot gefärbt haben.
Ich kaue langsam, bevor ich gezwungen den Brei, der mir Energie spenden soll, herunterschlucke. Es dauert keine Minute, bis sich der drückende Schmerz in meiner Magengegend wie ein aufplatzender Wassertropfen ausbreitet.

Es beginnt in meinem Unterbauch und breitet sich aus, wie ausbrechende Blitze.
Ich beginne langsam wieder zu vergessen, wie es einmal ohne sie war.

Ich beginne langsam alles zu vergessen.

Die Gesichtszüge bleiben monoton.
Mein Gegenüber erkennt so also nicht, wie mich jeder Bissen des Essens innerlich zusammenzucken lässt. Ich verkrampfe stattdessen meine Faust, die auf meinem Oberschenkel ruht, geschützt von der Tischplatte Tisches in der Cafeteria dieses sterilen Ortes.
Alles stinkt nach antibakteriellem Reiniger. Der Geruch beißt in der Nase und den Augen.

Als der nächste Bissen vorüber ist, ist ebenfalls die Grenze meines Appetits erreicht worden. Ich esse nur, da mir die möglichen Konsequenzen bewusst sind, doch gegen die ansteigende Übelkeit vermag nicht einmal ich mich zu stellen.
Das Drücken und Brennen in meinem Magen wird von Sekunde zu Sekunde unerträglicher, sodass ich das Verlangen habe, den weißen, kaum nährreichen Reise wieder loszuwerden.

Den Kopf schüttelnd, lege ich den Löffel beiseite und schiebe die faustgroße Schüssel ein Stück fort. Die Keramik kratzt über das Plastik des Tisches. Ich senke anschließend meinen Blick zu meinem Schoß - Hände sind gefaltet und kneten sich nervös gegenseitig.

„Iss deinen Reis, Jungkook."

Die Stimme des etwa dreißigjährigen Pflegers ist rau und klingt, wie erwartet, nicht erfreut über mein Handeln.

Ich schüttele den Kopf.

„Wie oft hatten wir diese Diskussion bereits, Jungkook?"

Schulterzucken.

„Iss. Deinen. Reis. Jungkook"

Stumm.

„Ich sage es nicht noch einmal, Jungkook"

Wieder schüttele ich den Kopf.

„Du stehst erst von diesem Tisch auf, wenn in dieser Schüssel nicht ein Reiskorn mehr zu finden ist, Jungkook"

Ich neige den Kopf zur Seite, den Blick nun starr in die Ferne gerichtet.

Es ist, wie jeden Morgen, Mittag und Abend. Dreimal am Tag sitze ich zusammen mit diesem Pfleger, an dessen Name ich mich nicht einmal erinnere, in der Cafeteria. Zu Beginn ist es mir noch einfach gefallen, meine Portion Essen aufzuessen. Von Mal zu Mal ist aber jeder Bissen immer unerträglicher geworden.

Mirror Demon | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt