Kapitel 50

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Taehyung

Während ich mit schweren Beinen eine Treppenstufe nach der anderen erklimme, rennen mir Tränen unaufhörlich über das Gesicht und versickern irgendwo unter meinem zerknitterten Hemdkragen. Die Fliege um meinen Hals liegt nun in einem Straßengraben nicht weit von hier.

Ich bin zu Hause, wenn ich diesen Ort überhaupt noch so nennen kann. Die Miete ist bereits seit einigen Tagen überfällig und jetzt, da ich—

In der Wohnung angekommen, die Tür gerade ins Schloss fallen lassend, sinke ich an dem Holz herab auf den kalten Parkettboden. Ich empfinde meine eigentlich bekannte Umgebung wie durch die Linse eines surrealen Teleskops.

Diese Welt scheint nicht real.

Müde fahre ich mir durch das nass-feuchte Gesicht, meine Finger zittern und vor lauter Kälte der überstürzten Motorradfahrt, ohne wärmende Kluft, eiskalt. Im Allgemeinen ist mein Körper am Beben, was Titus von weitem aus bereits bemerkt. Defensiv mauzend, trabt er auf mich zu und kommt mit gespitzten Ohren vor mir zum Stehen. Seine grünen Augen mustern mich fraglich.

„Oh, Titus."

Meine Stimme ist kaum etwas über einem Wimmern, als ich die Hand der neugierigen Katze entgegenstrecke. Schnurrend nimmt er auf meinem Schoß Platz und spendet mir Wärme. Diese beginnt das Eis, das meinen Körper förmlich ummanteln zu tauen. Mit dem Zurückerlangen meines Empfindens in allen Gliedmaßen bricht auch der Damm aus Tränen.

All der erstarrte und dadurch stillgelegte Kummer bricht vulkanartig aus. Meine Schultern zucken, Schluchzen wabert durch die Wohnung gefolgt von verzweifelten Versuch nach Luft zu schnappen. Mir ist, als würde die Erkenntnis ihre Hände um meine Kehle legen und langsam aber sicher zudrücken.

„I-ich hab ihn verloren, Titus", schluchze ich auf und drücke das dünne Tier an mich. Anstandslos lässt der Kater die Prozedur über sich ergehen.

„Jetzt ist er endgültig verloren."

~•~

Es hat nicht lange gedauert, bis der erzürnte Vermieter samt eines Räumungsbefehls in der Hand vor meiner Wohnungstür stand. Innerhalb kürzester Zeit sollte ich meine Sachen und Titus packen und das Gebäude verlassen.
Auf die Frage, wie ich ohne erhaltenen Lohn die Miete bezahlen sollte, hat er nur mit den Schultern gezuckt. 'Nicht sein Problem.'

Titus ruht derzeit an meiner Brust unter der schweren Motorradjacke, als ich meine wenigen Habseligkeiten, verpackt in verschiedenste Kartons, in einem Mietlager unterbringe. Dafür haben die restlichen Paar-Groschen auf meinem Konto noch ausgereicht.

Bis auf das Hemd an mir und meinem Kater, Smartphone, wie auch mein Motorrad, besitze ich nichts mehr.

Ich habe auch seit Tagen mit keiner Seele mehr gesprochen. Auf Anrufe oder Nachrichten antworte ich nicht mehr.

Wie lange ist dieser Tag eigentlich schon her ist?

Hektisch schüttele ich den Kopf und halte am Straßenrand an. Was weiß ich, was in meinem Verstand umherschwirrt, fahre ich allerdings schon seit Stunden mit dem Motorrad ziel- und planlos umher. Der Sprit geht allerdings langsam zu Ende.

Als er beginnt wie aus Eimern zu regnen, endet mein Umherirren vor der Einfahrt eines großen Wohnungskomplexes. Die Gegend schaut nicht günstig aus, doch kann sich die Person, zu der ich mich jetzt irgendwie hingezogen fühle, diese Zustände mehr als leisten.

Mirror Demon | Taekook Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt