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Die Vorbereitung war vorbei. Endlich ging es wieder mit richtigen Spielen los und direkt am Wochenende stand die erste Runde des DHB Pokals an. Mit dem Mannschaftsbus ging es nach Essen. Niko und ich fuhren dieses Mal ausnahmsweise zusammen zum Treffpunkt, hatten aber noch Lukas mit im Auto sitzen, damit es nicht so auffällig wirkte. Dieser schien nicht wirklich Notiz von uns beiden zu nehmen, zu sehr war er mit seinem Softwareupdate am Handy beschäftigt, das er jetzt unbedingt im Auto meinte durchführen zu müssen. Es schien allerdings nicht zu funktionieren. „Dann mach es halt später, wenn du WLAN hast", riet ich meinem schwedischen Mitspieler. „Nein, da kommt, ich muss das machen jetzt", faselte er. „Gib mal her". Ich nahm ihm das Handy ab und klickte auf „Später durchführen" und die Sache war erledigt. „Seit wann ist dein Handy Deutsch?", fragte Niko amüsiert, der während der Fahrt ebenfalls kurz auf den Bildschirm gespäht hatte. „Will mehr lernen", freute sich Lukas und steckte es wieder in die Hosentasche.

Wir waren rechtzeitig da, luden unsere Taschen in den Bus und nahmen unsere gewöhnlichen Plätze ein. Im Vorbeigehen hauchte ich Niko heimlich noch ein „Ich liebe dich" zu. Ich verfiel sofort in ein Gespräch mit Rune, welches durch Disses Ankommen kurzzeitig unterbrochen wurde: „Hallöchen Popöchen, na ihr Maschinchen, alles fit im Schritt?". Ich rollte nur mit den Augen und setzte wieder da an, wo ich eben aufgehört hatte zu reden. Der Bus setzte sich in Bewegung, die Stimmung war super und ich freute mich einfach, dass es endlich wieder losging.

„Habt ihr Lust, Mensch Ärgere Dich Nicht zu spielen?", fragte Niclas, „Ich habe mir eine magnetische Version besorgt, hat sich ganz cool angehört". „Gerne, bin dabei", sagte ich sofort und auch Rune war mit von der Partie. „Sollten wir vielleicht nur noch einen vierten Spieler haben, dann macht es mehr Spaß", überlegte Niclas weiter. „Niko?", lautete Runes Vorschlag. Wir schauten in seine Richtung und schnell wurde uns klar, dass er von Disse belästigt wurde. „Ich hole ihn", lachte ich und mir ging es einfach nur darum, meinen Freund von dieser Nervensäge zu erlösen. Disse plapperte in einem Fort den größten Scheiß und wurde erst still als ich neben den beiden auftauchte. „Junge, kann man dich nicht mal eine Busfahrt stillstellen?", stöhnte ich auf und wandte mich dann an Niko: „Komm mal kurz mit nach hinten zu uns... wir brauchen einen vierten Spieler". Disses beleidigten Blick ignorierte ich einfach. Mein Freund hingegen wirkte ziemlich erleichtert. „Warum darf ich nicht mitspielen?", nörgelte Disse weiter. „Weil wir dann zu fünft sind!", stellte ich klar und ging endgültig davon. Niko folgte mir.

Es machte wirklich total viel Spaß und die erste Runde konnte ich direkt für mich entscheiden. Immer wieder hielt ich heimlich unter dem Tisch Nikos Hand. Ich liebte ihn einfach so sehr und es fiel mir so wahnsinnig schwer, diese Zuneigung nicht öffentlich zeigen zu dürfen. Ich hatte mich zwar irgendwie mit der Situation abgefunden, aber ich wünschte mir nichts mehr als mich nicht mehr vor der großen Welt verstecken zu müssen.

Am späten Nachmittag kamen wir in Essen an, bezogen unsere Zimmer und trafen uns abends zum gemeinsamen Essen alle wieder. „Können wir uns zu euch setzen?", fragte Bammbamm, der gerade mit Peke auf uns zukam. Rune bejahte. „Und, bist schon aufgeregt vor deinem ersten Pflichtspiel morgen für den THW?", wollte ich von unserem Neuzugang wissen. „Ein bisschen, aber mit vielen von euch habe ich ja schon zusammen in der Nationalmannschaft gespielt und außerdem seid ihr eine super Truppe. Ich freue mich einfach, dass es endlich richtig losgeht", antwortete er. „Wir freuen uns auch, dass du hier bist", bestätigte sein Positionskollege. Ich schaute ein paar Tische weiter, wo Niko schon wieder von Disse zugetextet wurde. Als er gegessen hatte, suchte er kurz den Blickkontakt zu mir und ging dann aus dem Raum. Ich blieb noch kurz sitzen und ging nach ein paar Minuten hinterher. Niko erwartete mich bereits hinter der nächsten Ecke. Ich ging lächelnd auf ihn zu und konnte es nicht abwarten, ihn endlich wieder zu küssen. „Hab dich vermisst", nuschelte er und ließ sich in meine Arme fallen. „Das haben wir doch jetzt gut gemacht, oder?", sagte ich überglücklich und konnte mir ein hinterlistiges Grinsen nicht verkneifen. „Wir werden noch solche Profis", erwiderte mein Freund und küsste mich erneut.

Lange konnten wir uns allerdings nicht sehen, wäre zu auffällig gewesen. Niko ging also wieder in sein Zimmer, ich ging zurück in mein Zimmer. Heute Abend lief Fußball und wir hatten beschlossen, es gemeinsam anzuschauen. Marko schaute das Spiel – warum auch immer – bei Niclas im Zimmer an, also hatte ich mit Rune und Magnus ausgemacht, dass wir es bei mir anschauen könnten. Niko hätte ich ja auch gefragt, aber der meinte vorhin, dass er das Spiel nicht schauen wollte. Disse hatte von dieser Unterhaltung mit Rune mitbekommen und sich und Harald ebenfalls eingeladen. Die beiden Linksaußen waren bereits da, wir hatten den Fernseher auch schon eingeschalten, da wurde unsere Zimmertüre beinahe eingeschlagen. „Ich geh schon", seufzte Rune und öffnete unseren beiden Rückraumspielern die Türe. „Dachte schon, ihr wollt uns nicht aufmachen", beschwerte sich Großmaul sofort. „Wäre vielleicht besser gewesen", mischte ich mich ein und rutschte ein Stück zur Seite, sodass die beiden auch noch Platz hatten. Disse quetschte sich in die Mitte vom Bett, während unser Neuzugang aus Mannheim auf dem Stuhl neben Magnus Platz nahm. „Na ihr, was habt ihr gelästert?", wollte Disse grinsend wissen. „Dass du der größte Vollidiot von allen bist", beantwortete Rune kühl. „Ich fühle mich geehrt", redete Disse ununterbrochen weiter.

Fußball fand er am Ende langweilig, sodass er nach gerade einmal zehn Minuten Harald folgenden Vorschlag machte: „Haribo, wie wäre es mit einer Stadtführung à la Christian Dissinger?". Rune schaute mich an und verdrehte die Augen. Unser Norweger wusste noch nicht, mit wem er da das Vergnügen hatte und sagte daher zu. „Na dann ihr langweiligen Handballverräter – wir sind dann mal weg", posaunte Disse. „Wenn Harry morgen nicht mehr bei uns spielen möchte, dann wissen wir jetzt wenigstens warum", meinte Rune verständnislos. Magnus grinste nur. Als die beiden weg waren lachte er: „He's very exhausting, isn't he?". „Oh yes", bestätigte ich, „He can be a nice guy, but he prefers annoying people".

Wir konzentrierten uns nun wieder auf das Spiel. Irgendwann ging eine Nachricht von Niko ein. Scheinbar schaute er das Spiel jetzt doch an. Er hatte mir vorgeschlagen, ebenfalls zu Niclas zu kommen, doch ich lehnte ab. Ich dürfte ihm sowieso nicht nahe sein und außerdem wollte ich Rune und Magnus nicht alleine zurücklassen. Die zwei gingen nach Abpfiff wieder in ihr Zimmer zurück, denn morgen mussten wir alle ausgeschlafen sein. Ich schickte Niko noch eine letzte Nachricht.

Steffen: Gute Nacht♥

Danach legte ich mich dann auch schlafen. Am nächsten Morgen beim Frühstück tauchte Niko plötzlich unerwartet hinter mir auf. „Du Steffen", sprach er mich unsicher an und ich zuckte erstmal zusammen. Nachdem ich mich wieder gefasst hatte, fragte ich: „Was gibt's?". „Niclas und Lukas haben mich gestern echt voll überfallen". Ich ahnte schon, auf was diese Konversation hinauslaufen würde, ließ Niko aber ausreden. „Ich habe ihnen das mit uns erzählt". „Dachte mir schon, dass die nicht mehr lange lockerlassen würden", lachte ich. Niko wirkte erleichtert – hatte er Angst, dass ich deswegen sauer auf ihn wäre? „Früher oder später war's eh klar, dass es vor allem Niclas rausfindet. Ich meine, er hat doch alles organisiert, damit ich zu dir nach Österreich reisen kann. Mich hat es eh schon gewundert, dass er uns noch nie darauf angesprochen hat". „Mich hat er hin und wieder gefragt, ich habe ihn aber immer abgewimmelt... aber super, dann bin ich echt beruhigt". „Wegen sowas musst du dir doch keine Sorgen machen", stellte ich klar und lächelte ihn an.

Mittags brachen wir zum Spiel auf. Wir gewannen, dann war es die Aufgabe der Physios, uns bis morgen wieder für das nächste Spiel fit zu machen. Auch das zweite Spiel konnten wir für uns entscheiden und dementsprechend gut war die Stimmung auf der Rückreise. Besonders Marko war in Feierlaune und tanzte durch den ganzen Bus. Niclas hatte die Musik lauter aufgedreht als sonst und es wurde einfach viel gelacht. Niko spielte schon wieder Mensch Ärgere Dich Nicht, diesmal zusammen mit Gisli, Harry und Rune. Ich saß direkt hinter ihm und schaute meinem Freund über die Schulter. Es machte ihn nervös, das spürte ich, aber es war mir egal. Ich beobachtete ein wenig meine anderen Teamkollegen und blieb schließlich an Disse hängen. Er benahm sich merkwürdig ruhig. Für seine Verhältnisse viel zu ruhig. Lag es daran, dass er am Wochenende kaum gespielt hatte? „Niko? Weißt du, was mit Disse ist? Das ist doch nicht mehr normal". Er blickte auf und schaute in dieselbe Richtung. „Irgendwas stimmt nicht", bestätigte er meine Vermutung. „Ich geh mal zu ihm hin", meinte ich. Vielleicht half es ihm, darüber zu sprechen. Vielleicht hatte er sich auch mit Mariya gestritten. Ich wollte es einfach wissen.

„Hey, was ist los mit dir?", sprach ich meinen Kumpel an. „Lass mich einfach", stieß er mich sofort weg. „Nein! Geht es um Mariya oder um Handball?", fragte ich direkt. „Handball, und jetzt geh! Ich will jetzt alleine sein", sagte er angefressen. „Ich gehe nicht, so lange du mir nicht sagst, was du hast. Liegt es daran, dass du nicht viel gespielt hast am Wochenende?". „Du nervst". „Sagt der Richtige... ich habe Recht, oder?"

LIEBE auf den zweiten Blick - Steffen -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt