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Als ich nach dem Training von den Duschen nach draußen lief, sah ich schon von weitem Sally, Mara und Nathi stehen. Auf mein Gesicht legte sich ein Grinsen. Meine Freundin schien sich so sehr zu freuen, mich wiederzusehen, sodass sie mich beinahe überfiel. „Hab dich vermisst", nuschelte sie an meinen Hals, ehe sie begann, mich leidenschaftlich zu küssen. „Habe dich auch vermisst", flüsterte ich. Trotzdem plagte mich weiterhin das schlechte Gewissen, besonders als ich sah, dass Niclas und Niko bereits hier waren. Wir schauten uns direkt in die Augen, meine Unsicherheit war mir anzumerken. Nikos Blick war recht neutral und trotzdem wirkte er nachdenklich. „Komm, gehen wir", sagte ich zu Sally gewandt, um dieser eigenartigen Situation aus dem Weg gehen zu können. Wir schafften es nach draußen, dort drückte sie mich direkt gegen die kalte Wand und knutschte mich weiter ab. Ich ließ mich darauf ein und hatte dennoch tausend Gedanken auf einmal im Kopf.

„Alter, wird das ein Porno hier? Ficken könnt ihr daheim".

Erschrocken fuhren Sally und ich auseinander. Sofort sah ich Niko, der sich in diesem Moment ebenfalls von Mara abgewendet hatte. Die beiden standen an der gegenüberliegenden Wand und in der Mitte unser Torhüter, Andi Wolff. „Nur zu eurer Info", fuhr er fort, „Alfred müsste bald rauskommen... macht lieber mal nen Abflug". Er trabte hochzufrieden davon. Ich zog Sally mit zu meinem Auto und wir stiegen ein. Dabei redete ich kein Wort. Die Situation eben war mit mehr als unangenehm. Ich wollte einfach nur noch weg von hier.

„Wir fahren zu mir, ich koche, habe vorher schon alles dafür gekauft", strahlte meine Freundin. „Womit habe ich das denn verdient?", fragte ich lächelnd und küsste sie auf die Wange. „Einfach so. Weil du der beste Freund bist, denn man sich vorstellen kann".

*Wenn sie wüsste...*

Sie legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel und ich versuchte weiterhin die Kontrolle beim Fahren zu halten. „Hey, Alina schreibt gerade, sie feiert am Freitag ihren Geburtstag, wir sind eingeladen". „Wer war Alina nochmal?", fragte ich nach, da ich mit Namen nie der schnellste war. „Die Fickfreundin von Ole, die war auch bei Niclas vor paar Wochen". Kurz überlegte ich, dann fiel es mir wieder ein. „Ach, die kleine mit den langen schwarzen Haaren?". „Schwarz sind der ihre Haare nicht, aber ja, die ist es", lachte mich Sally aus und fuhr fort: „Ole ist übrigens auch eingeladen, Mara und Niko auch und halt Niclas und Nathi, die anderen kenn ich nicht... ach so, doch Mia ist auch in der Gruppe". Wer war denn jetzt schon wieder Mia?? Verzweifelt schaute ich meine Freundin an, die mich ein weiteres Mal aufklärte: „Die, die wir letzte Woche beim Feiern kennengelernt haben, habe ich dir doch erzählt". „Ja, du weißt, ich bin vergesslich", redete ich mich heraus und parkte das Auto vor dem Haus. „Ja, ich weiß". Sie beugte sich zu mir herüber und drückte mir einen kurzen Kuss auf die Lippen. Dann stiegen wir aus und liefen die Treppen hoch zu ihrer Wohnung.

Die restliche Woche verging schnell, wir trainierten und mehr Spektakuläres passierte auch nicht mehr. Freitags sollte es also soweit sein: Die Geburtstagsfeier von Alina. Wie ich mitbekommen habe waren Disse und Rune auch eingeladen. Warum auch immer... wahrscheinlich wegen Nikos Schwester, die auch kommen sollte. Auf die konnte ich wirklich verzichten. Und Nikos Nähe wollte ich ja eigentlich auch vermeiden... „Wann fahren wir los später?", fragte meine Freundin beim Mittagessen. „Wir Handballer kommen später, machen nach dem Training noch Videoanalyse und wir können Alfred schlecht verklickern, dass wir das verschieben, weil wir noch feiern gehen wollen". Sallys Mundwinkel fielen nach unten. „Dann lässt du mich ja ganz alleine", sagte sie trotzig. „Ich komme ja nach", beruhigte ich sie, „wird aber wahrscheinlich erst gegen zehn oder so sein". „Doof, immer hört man nur Handball, Handball, Handball, das nervt echt", zickte sie.

Fing sie jetzt etwa schon genauso an, wie meine Ex?

„Das war von Anfang an klar, dass es so sein muss. Wir hängen doch sonst den ganzen Tag aneinander. Außerdem fängt der Geburtstag erst um acht an und du gehörst nicht zu denen, die auf die Minute pünktlich erscheinen. Diese eine Stunde wirst du dann schon ohne mich rumbringen", sagte ich säuerlich. „Ich will aber mit dir dahinkommen, ich will zeigen, dass du mein Freund bist", diskutierte sie weiter. „Dann warte halt bis ich daheim bin, meine Fresse. Dann schmoll halt herum und verbringe keine Zeit alleine mit deinen Freundinnen". Langsam war meine Geduld am Ende! Ich nahm meinen Teller, stellte ihn in die Spülmaschine und verschwand im Schlafzimmer. Wenig später bekam ich eine Nachricht von Sally:

Sally: Ich fahr jetzt nach Hause, muss mich noch richten, wenn ich dir egal bin, dann komm heute Abend einfach nicht. Juckt mich dann auch nicht mehr!

Ich sah es nicht ein, darauf zu antworten und ignorierte es einfach. Wütend schmiss ich meine Klamotten in die Tasche und legte mich dann nochmal zwei Stunden hin und versuchte ein wenig zu schlafen. Gegen fünf brach ich dann zum Training auf, sammelte Rune auf dem Weg noch ein und fuhr dann zur Halle. „Wie guckst du denn?", fragte er sofort. „Sally fängt langsam an wie meine Ex. Was haben Frauen denn nur gegen mich?!". „Du bist halt zu übermotiviert", lachte Rune. „Indem ich zum normalen Training erscheine und bei den Spielen dabei bin oder was?". „Naja, du bist immer eine Viertelstunde früher da, mach es wie Marko und komme auf den letzten Drücker, in fünfzehn Minuten kannst du viel mit deiner Freundin machen, danach musst du nur so schnell duschen wie Bammbamm, dann ist auch das geregelt. Gewinnst du mindestens eine halbe Stunde pro Tag", meinte er mit voller Überzeugung. „Danke Rune für deine glorreichen Tipps", meinte ich ziemlich ironisch und rollte mit den Augen. „Irgendwann wirst du mir recht geben", grinste er schelmisch und ich konnte nur noch mit dem Kopf schütteln.

Wäre ich mit Niko zusammen, dann würde es diese Probleme gar nicht erst geben. Wir würden 24/7 aufeinander rumhängen und wären wahrscheinlich froh, uns irgendwann mal aus dem Weg gehen zu können. Es wäre zu schön... und leider viel zu unrealistisch. Außerdem wollte ich nicht mehr an ihn denken!

„Kommst du jetzt mit zum Geburtstag oder nicht?", fragte Rune nach unser Videostunde mit Alfred. „Ja, ich komm mit. Will jetzt nicht einen auf beleidigte Leberwurst spielen". „Kannst du mich dann wieder mitnehmen? Zurück kann ich auch sicher mit jemand anders fahren", fragte mein Freund. „Kein Ding, kann dich danach auch heimfahren, auf Sally habe ich eh keine Lust", grummelte ich. „Fang aber bitte nicht an, dich wieder volllaufen zu lassen, du weißt, wie das letztes Mal geendet hat", mahnte mich Rune. Ich seufzte. Er hatte ja irgendwo recht. Wir stiegen ins Auto, gaben die Adresse ein und ließen uns vom Navi zu Alina nach Hause leiten. Gegen zehn kamen wir bei der Feier an und es war bereits einiges los. Disse fanden wir schnell, er war erst kurz vor uns hier angekommen, alle anderen waren mir eigentlich fremd und Sally konnte ich ebenfalls nirgendwo ausfindig machen. „Wollte Niko nicht auch kommen?", fragte ich ganz beiläufig. Ich schaffte es noch immer nicht, mit ihm abzuschließen. „Der bringt gerade seine Schwester zum Bahnhof. Mariya fährt heute noch nach Österreich zurück", antwortete mir Disse. „Du stehst auf sie, oder?", fragte Rune und auf sein Gesicht legte sich ein schelmisches Grinsen. „Sie ist schon süß, ja... aber zu jung und sie hat einen Freund. Tabu für mich", redete er sich heraus. „Seit wann bist du so vernünftig?", fragte ich lachend und bekam keine Antwort.

„Kommt, holen wir uns was zu trinken", schlug Rune vor und wir begaben uns auf die Suche nach der Küche. Wenn ich jetzt ein wenig trinken würde konnte ich später wieder ausnüchtern und noch alleine nach Hause fahren. „Ach, wen haben wir denn da?", platze es aus Disse heraus, als wir in der Küche Ole und Alina vorfanden, die schon wieder sehr nah beieinanderstanden und in ein tiefes Gespräch versunken waren. Sofort schreckten sie auseinander und Disse stellte sich provokant zwischen die beiden, um sein Bier aufzumachen. Mit einem hochzufriedenen Grinsen verließ er wieder die Küche, Rune und ich folgten ihm. „Da wird es morgen wieder Geschichten geben... ach Steffen, wo ist deine Knutschfreundin eigentlich?".

Der Typ nervte mich jetzt schon wieder!

„Was weiß ich, sie will mich wahrscheinlich genauso wenig sehen wie ich sie", sagte ich genervt. Sein Blick machte mir Angst. „Läuft es bei den beiden Kuschelhäschen gerade nicht so rund?". „Halt einfach deine Fresse, Disse", unterstützte mich Rune und zog mich wieder mit nach draußen. Unser Mitspieler verschwand glücklicherweise in eine andere Richtung, sodass ich Rune nochmal detailliert erzählen konnte, was zwischen Sally und mit vorgefallen war heute Morgen und auch schon die letzten Tage. „Puh, sicher, dass du das noch mitmachen willst?", stellte er mir die Frage, vor der ich mich gerne gedrückt hätte. „Ich weiß es nicht, Rune, es ist einfach alles scheiße gerade... ich weiß doch selbst nicht mehr, was ich eigentlich will". „Das musst du selber entscheiden, aber höre einfach auf dein Herz, auch, wenn es dir was anderes sagt als dein Kopf".

Gerade sagte mein Kopf aber nur eins: Mehr Alkohol! Da konnte das Herz so viel dagegen sagen, wie es wollte!

LIEBE auf den zweiten Blick - Steffen -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt