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„Da hinten ist glaub ein Park", sagte ich. Diesen hatte ich vom Balkon aus gesehen, sah eigentlich ganz nett aus und war erstaunlicherweise auch nicht so belaufen. Viel sagten wir beide eigentlich nicht. Ich versuchte den Moment zu genießen, schaute ab und zu Niko an, wie er gedankenverloren durch die Gegend schlenderte. Er wirkte ziemlich nachdenklich. Naja, zwischen ihm und Mara war es ja ebenfalls aus und er schien doch noch ziemlich daran zu knabbern. Das machte mich schon etwas nervös. „Wie geht es dir?", fragte ich daher. „Besser als gedacht... aber wir haben schon geredet, es war das beste so".

Okay, wie war das jetzt zu verstehen? Hatte seine Ex-Freundin doch recht und er hatte wirklich Gefühle für mich?

„Mich trifft es immer noch total", sagte ich nach einer kurzen Weile in Bezug auf Sally, „es kam so plötzlich... aber ich glaube, es musste sein. Ich hatte irgendwann das Gefühl, ich wäre nicht mehr ich... Sally... naja... sie hatte mich total im Griff und... sie engte mich einfach ein... ich habe mich geändert".

Das hatte ich noch niemandem erzählt. In den letzten Wochen erfuhr sowieso keiner etwas von mir, aber diese Worte waren seit langer Zeit mal wieder die ehrlichsten, die aus meinem Mund kamen. War ich gerade vielleicht einen Schritt zu weit gegangen? Interessierte es Niko überhaupt, was ich für Probleme in Griff zu kriegen hatte? Die Sache mit dem Kind verschwieg ich allerdings weiterhin. War definitiv das beste so! Diesen Schmerz konnte ich nämlich wirklich noch nicht verarbeiten und daher versuchte ich diese Tatsache einfach zu ignorieren. „Schon irgendwie witzig, dass unsere Beziehungen am gleichen Tag begonnen und auch fast genauso lange, oder eher kurz, gehalten haben", sagte Niko und versuchte, seine Fassung zu halten. Er wich meinem Blick aus, also ließ ich es gut sein. Ich wollte nicht weiter darauf eingehen und versuchte mich krampfhaft für mein Verhalten auf Niclas' Party zu rechtfertigen: „Ich weiß nichts mehr von dem Abend... wirklich gar nichts mehr. Ich habe mich früh volllaufen lassen, habe ziemlich viel Scheiße gebaut und dann weiß ich nur, dass ich am nächsten Morgen unter Sally aufgewacht bin und wir plötzlich zusammen waren".

Damals hatte ich es anders empfunden. Ich war glücklich. Jetzt im Nachhinein bereute ich mein damaliges Verhalten. Ich wollte Niko auf der Party doch nur sagen, dass ich etwas für ihn empfand... mehr wollte ich doch gar nicht. Aber das konnte ich ihm nicht sagen. Es würde wahrscheinlich nur alles kaputt machen.

Nach einer Weile stellte sich heraus, dass Niko an jenem Abend eifersüchtig war... eifersüchtig auf Sally und mich! Das löste nochmals viele Fragen in mir aus. Mittlerweile waren wir beide stehengeblieben, ein paar hundert Meter weiter hörten wir Wasser plätschern. Es hatte durchaus etwas Romantisches. „Hey, schau mich an", forderte ich und griff mit meiner zittrigen Hand nach seinem Kinn. Diese Berührung fühlte sich an wie ein Befreiungsschlag, Niko wehrte sich nicht, er ließ den Körperkontakt zu. „Ich habe Mara nur deshalb geküsst", presste er schweratmend hervor, „ich wollte mich rächen". Auch mir steckten die Worte im Hals fest und raus kam daher nur: „Die Nacht hat irgendwie alles geändert". Wir ergriffen gerade beide ziemlich die Initiative, so ehrlich waren wir beide noch nie, und dann sagte Niko völlig unerwartet: „Und diese Nacht könnte wieder alles ändern".

Er kam so nahe an mich heran, dass gerade einmal ein Blatt zwischen uns gepasst hätte. Zögerlich schauten wir uns tief in die Augen. Wir wussten beide, was gleich passieren würde und trotzdem wollte ich, dass er den ersten Schritt machte. Jedoch wurde ich schließlich ziemlich überrumpelt, als er plötzlich seine Lippen auf meine legte, ich dachte nicht, dass er sich so schnell überwinden würde, aber es machte mich stolz. Nachdem ich endlich realisieren konnte, was hier gerade vor sich ging, erwiderte ich den Kuss und legte meine Hand an seinen Hals und küsste ihn verlangend. Es fühlte sich so verdammt richtig an dieses Mal.

„Ich bin so stolz auf dich, Niko", rutschte es mir heraus. Peinlich berührt versuchte ich die Situation zu umgehen, indem ich Niko erneut küsste, doch dieser löste sich sofort von mir und trat einen Schritt zurück. „Was meinst du?". Unsicher fuhr ich mit meiner Hand über seine Hände und überlegte, wie ich es ihm erklären sollte. „Das hier", begann ich, „das hättest du vor ein paar Wochen nicht gemacht". Ihm fehlte entsprechendes Selbstbewusstsein. Dieses hatte er nun aber überwunden und das machte mich einfach stolz. Es war ja nur die Wahrheit. Gleichzeitig gab es mir die Bestätigung, dass Mara wohl doch Recht hatte. Ich war glücklich. Einfach nur glücklich. Und Niko schien es auch zu sein

„Das war schön", bestätigte Niko ganz leise. „Ja, das war es", erwiderte ich und lächelte ihn verliebt an. Wir ließen uns auf einer Bank in der Nähe nieder und er legte gleich einen Arm um mich. Ich genoss jede Berührung, jeden Moment, jedes Gefühl. Ich konnte mein Glück noch immer nicht fassen. Wir küssten uns immer wieder, mal zärtlich, mal verlangend, und ich möchte keinen einzigen dieser Küsse missen. Das Plätschern des Wassers wirkte fast romantisch. Seit mehreren Minuten überlegte ich bereits, ob ich ihm meine Gefühle jetzt ein für alle Mal gestehen sollte. Es war alles so perfekt gerade, ich wollte diesen Moment nicht kaputt machen, dennoch zerriss es mich beinahe, weil ich unbedingt wissen musste, wie Niko darüber dachte.

„Ich liebe dich, Niko".

Jetzt war es raus. Zurücknehmen konnte ich diese Worte nicht mehr, jetzt lag es an ihm, ob er mir das Herz brach oder mich zum glücklichsten Menschen der Welt machte.

„Ich... dich... auch", stammelte er nach einigen Sekunden, die sich für mich wie eine halbe Ewigkeit angefühlt hatten. Mein Strahlen im Gesicht konnte mir keiner mehr nehmen, so viel stand fest! Trotzdem wirkte Niko immer noch unsicher. Sagte er das vielleicht einfach so, traute er sich nicht? Ich versuchte ihn irgendwie zu beruhigen, doch seine nächsten Worte gaben mir definitiv die Bestätigung, dass ich für ihn mehr als nur ein Mannschaftskollege und Freund war: „Weißt du, wie gerne ich einfach jetzt ein Bild von uns posten würde? Nur von uns beiden?". Verträumt schaute ich ihn an und schwärmte: „Und ich wäre der erste, der mit #truelove kommentiert".

Wäre eine Beziehung überhaupt möglich? So richtig hatte ich noch nie darüber nachgedacht. Würden es die Fans akzeptieren? Würde es in erster Linie Alfred akzeptieren? Wie würde die Mannschaft reagieren, wenn sie plötzlich erfahren würden, dass Niko und ich ein Paar wären? Ich wollte, dass Niko mir diese Frage beantwortet und fragte: „Was ist das zwischen uns? Oder was soll es bestenfalls werden?". Ich legte meinen Kopf in den Nacken und beobachtete einige Vögel, wie sie fröhlich durch die Gegend flogen. „Im Moment genieße ich einfach das Hier und Jetzt", kam es schließlich von ihm. Anstatt diese Diskussion fortzusetzen, küssten wir uns erneut und das Thema war abgehakt. Eine richtige Antwort hatte ich nicht bekommen, ehrlicherweise hätte ich Niko aber ebenfalls keine geben können. Im Gegenteil: Ich ging einen Schritt weiter und griff mit meiner Hand vorsichtig unter Nikos Shirt und fuhr mit meinen Fingern über seine Bauchmuskeln, das ließ ihn leicht aufstöhnen, unseren Kuss unterbrachen wir allerdings nicht. Auch er wurde mit der Zeit immer mutiger, fuhr mit seiner Hand über meinen Oberschenkel, immer weiter nach oben. Jetzt blieb auch mir die Luft weg und ich ließ mich einfach fallen. Alles um mich herum blendete ich aus, die Leute, die Vögel, die ganze Welt. Es gab in diesem einen Moment nur uns zwei.

„Oh, Disse ruft an", meinte Niko plötzlich, als er sein klingelndes Handy aus der Hosentasche zog und mich so wieder in die Realität zurückholte. Disse? Ernsthaft? War ja klar, dass es nur einen Menschen geben konnte, der uns diese Zweisamkeit nicht gönnte. „Wir sollen zurückkommen, Alfred will noch trainieren", verkündete Niko nach dem kurzen Gespräch. „Weiß er, dass wir zusammen hier sind?", fragte ich geschockt. Das musste ja jetzt wirklich keiner unserer Teamkollegen wissen. „Niklas, Dule und Marko fehlen auch noch. Disse denkt, wir sind zusammen weg", beruhigte er mich. Erleichtert atmete ich aus. Alles nochmal gut gegangen!

Hand in Hand liefen wir durch den Park zurück zum Hotel. Es fühlte sich immer noch verdammt gut an. Erst kurz vor unserer Unterkunft ließen wir voneinander ab und liefen mit etwas Sicherheitsabstand hintereinander durch die Tür hinein. Niko nahm die Treppe, ich den Fahrstuhl. Dachterrasse las ich auf dem obersten Knopf, geöffnet von 7-17 Uhr. 17 Uhr war leider schon vorbei, schade eigentlich, von da oben hätte man sicherlich einen guten Ausblick und ich könnte mit Niko alleine sein.

Als ich in meinem Zimmer wieder ankam, fehlte Marko immer noch. Serbische Pünktlichkeit... nichtsdestotrotz packte ich schon mal meine Tasche und begegnete meinem Zimmerkollegen gerade, als ich die Tür öffnen wollte. „Ich gehe schon mal runter, ich sage Alfred, dass du auch gleich kommst". „Das wäre super, danke Steffen".

Als ich in den Mannschaftsbus einstieg, nachdem ich kurz mit Alfred geredet hatte, sah ich Niko, wie er zu mir grinste. Ich konnte mir ein Zwinkern nicht verkneifen, lief dann aber trotzdem an ihm vorbei und setzte mich auf meinen gewohnten Platz. Mein Grinsen wurde ich auch nicht los, als Rune mich eine ganze Weile schräg anschaute: „Was ist denn mit dir auf einmal los? Kommst aus dem Strahlen ja gar nicht mehr raus... freust dich so auf die Trainingseinheit gleich?". Er lachte mich aus. Das gab mir kurz die Gelegenheit nachzudenken, wie ich mich rechtfertigen konnte. „Ich habe einfach ein gutes Gefühl für heute, das ist alles".

Mehr würde ich nicht preisgeben und mehr musste mein bester Freund zum jetzigen Zeitpunkt auch nicht erfahren! 

LIEBE auf den zweiten Blick - Steffen -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt