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„Ich kann auch nicht schlafen", murmelte er kaum hörbar und sein ganzer Körper spannte sich an. Ihn bedrückte ebenfalls irgendetwas. Aber ich wusste einfach nicht was. Wäre es nicht viel einfacher, lediglich von dem ganzen Stress loszulassen und unsere nie endenden Gedanken mal laut auszusprechen? Ich hätte den Anfang machen können, doch ich tat es nicht. Was hätte ich ihm erzählen sollen? Dass ich dran Schuld war an meiner Laune gestern und heute? Es klang einfach nur lächerlich... außerdem wollte ich auch Niko nicht zu irgendetwas zwingen. „Das Spiel war scheiße", sagte ich letztendlich und lenkte so völlig ab. Okay, völlig nicht – ach, ich wusste selbst nicht mehr weiter. Niko war glaube ich gerade genauso verwirrt und meinte nur: „J-ja, das war es wirklich".

Es war der Horror gerade. Am liebsten hätte ich mich auf der Stelle in Luft aufgelöst. „Ich... ich weiß nicht, was los war... heute... bei allen", stammelte ich unsicher.

Warum hatte ich damals die Entscheidung getroffen, Profihandballer zu werden? Ich fing gerade wirklich an, alles infrage zu stellen, nur machte das die Sache nicht wirklich besser.

Ein verspätetes „Ja" von Niko folgte schließlich und ich hatte keine Ahnung mehr, was ich eben überhaupt gesagt hatte. „Du Steffen?", setzte er erneut an. Mein Kopf schellte zu ihm und ich zwang mir ein gequältes Lächeln auf. Er nuschelte irgendwas Unverständliches. Wir waren beide nicht wirklich auf der Höhe und beendete seine Stammelei mit den Worten: „Ach egal". Er lenkte sich selbst ab, indem er mit kleinen Steinchen auf dem Boden vor uns spielte. „Was ist?", hakte ich nochmal nach. Er wirkte durcheinander und unschlüssig. „Vergiss es", entgegnete er barsch. Sein Atem verschnellerte sich. Kollabierte der jetzt? „Niko!", stoppte ich, und er erstarrte mit einem Mal und verharrte vorerst in dieser Position.

Ich griff nach seiner Hand, welche von einem eisigen Schauer durchzogen wurde. Er war total durchgefroren und zitterte bereits am ganzen Körper. Mit meiner anderen Hand näherte ich mich seinem Kinn und legte diese darauf behutsam ab. Er entspannte sich nur schwer, aber ich hatte wirklich Angst um ihn. Er wirkte noch zerbrechlicher als ich. Und das nicht nur ein bisschen.

Ich dachte scharf nach, keiner von uns rührte sich. Hatte Disse Recht und es drehte sich noch immer alles um dieses aussagelose Bild von ihm? War es das, was Niko so unsicher und verklemmt gemacht hatte. „Vergiss das Bild einfach", munterte ich ihn auf, „Disse hat es ja nicht böse gemeint".

Disses Absichten konnte man so oder so nicht durchschauen, aber ich brauchte Worte, die Niko irgendwie aufbauen konnten und was Besseres war mir in diesem Moment nicht eingefallen.

„Kommst du wieder mit hoch?", fragte ich nach einer Weile, denn mir war nun wirklich kalt geworden. Mein Mannschaftskamerad schüttelte den Kopf – vielleicht brauchte er einfach etwas Zeit für sich. Das war auch verständlich. „Dann sehen wir uns morgen", flüsterte ich, „schlaf noch gut".

Ich machte mich mit gutem Gewissen auf den Weg zurück ins Zimmer. Ich war nun auch hundemüde, das Spiel hatte mich nicht nur körperlich, sondern auch emotional wahnsinnig mitgenommen und wenigstens ein paar Stunden Schlaf wären noch angebracht.

...

„Wo warst du heute Nacht?", fragte mich Marko am nächsten Morgen. „Kurz draußen, musste bisschen den Kopf freibekommen", antwortete ich wahrheitsgemäß. „Hat es was gebracht?". „Nein", erwiderte ich kalt und zog meine Trainingsjacke über. „Bin unten frühstücken", teilte ich meinem Zimmerkollegen mit und setzte ein müdes Lächeln auf. Marko wollte lieber noch schlafen und so ging ich eben alleine nach unten.

Neben Rune war noch ein Platz frei. Ich musste auf ihn zugehen – ich hatte es wirklich verbockt. Und so lief ich auch schnurstracks an dem Tisch von Niko, Raul und Niclas vorbei. „Sitzt da jemand?", fragte ich meinen Freund, welcher mich nun überrascht musterte. „Nein, kannst hin". Ein kleines Lächeln legte sich auf seine Lippen und ich stellte mein Teller sofort ab. „Danke", murmelte ich und nahm Platz. „Für dich ist immer Platz", meinte Rune schließlich und irgendwie stimmte mich diese Aussage ziemlich positiv. „Mir tut es leid... alles", gestand ich. „Mir auch, ich hätte nicht so fies sein dürfen – ich hab meine Laune auf dich übertragen", kaute er mit vollem Mund, doch er meinte diese Entschuldigung Ernst, denn das war sie. „Alles okay bei dir?", hakte ich nach. „Eigentlich wars auch nur eine Kleinigkeit, aber Stine und ich haben auch daraus wohl eine zu große Sache gemacht". „Dann bin ich froh".

LIEBE auf den zweiten Blick - Steffen -Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt