Kapitel 30

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POV Valeria

Durch aggressives Klopfen wurde ich wach. Das erste, was ich bemerkte, was das Gewicht auf meinem Bauch. Ich sah an mir runter, um festzustellen, dass Rico im Schlaf seinen Kopf auf mich gelegt hatte.

Dann zuckte ich zusammen, als ich Sascha sah, der vor seiner Gruppe stand und uns alle anbrüllte. Schlagartig war ich wach.
"Die Sonne ist verdammt nochmal vor Ihnen wach und Sie liegen immernoch in den Laken? Was für eine Schande! Hoch mit Ihnen, SOFORT! Es gilt einen Wettkampf zu gewinnen!"

Aggressiv schlug er gegen den Pfosten des Bettes, während sich die Gruppe auf die Beine kämpfte.
"Ich weiss bei Gott nicht, was Sie in meiner Abwesenheit hier getrieben haben und ich hoffe für Sie, dass Sie den Ruf unserer Schule nicht beschmutzt haben!"
Auch ich stellte mich so schnell ich mich bewegen konnte auf die Beine und stand einige Sekunden später zusammen mit meinen Mitschülern in Reih und Glied vor den Betten, Beine hüftbreit, die Hände hinter dem Rücken, Kopf aufrecht.
Mit strengen Blicken ging er von links nach rechts, schaute jedem Schüler analysierend in die Augen, nachdem er ihn von Kopf bis Fuss musterte. Als er bei mir ankam, blieb er schliesslich stehen. Er trat einen Schritt zurück und wandte sich der Gruppe zu.

"Dieser Wettkampf wird fair gespielt!"

Seine Stimme war beinahe zu voluminös für diesen kleinen Raum.
"Und ich erwarte von jedem einzelnen von Ihnen vollen Einsatz! Ich will verdammt nochmal NIEMANDEN sehen, der absichtlich verliert! Verstanden?"
"Ja, Sir!"
Er liess das Gesagte sacken.
"Schön! Also, hören Sie mir genau zu!"
Er liess seinen Blick noch einmal durch die Gruppe schweifen.
"Nach unserem Spiel werden wir von einem Hubschrauber abgeholt und zum Flughafen gebracht. Jeder von Ihnen wird sich nach Ende des Spiels sofort hinter die 4 Meter hohe Wand begeben, verstanden?"
"Ja, Sir!"
"Gut! Neben mir sind ein paar weitere Einsatzkräfte der ZEUSS Schweiz anwesend, um sich um Ihre Sicherheit zu sorgen! Diese sollten zwar nicht notwenig sein, aber sicher ist sicher. Meine Herren, abtreten!"
Gerade wollte ich meinen Mitschülern hinterher rennen, als Sturm mich aufhielt.
"Ich muss kurz mit Ihnen reden, Sarasin."

Erst als alle Schüler aus dem Zimmer waren, schloss er die Türe und wandte sich voll und ganz mir zu.
Noch bevor er mir in die Augen schaute, legte er seine Hand in meinen Nacken und zog mich etwas näher zu sich.

Dann traf mich sein Blick.

Er schaute mir erst einen Moment lang tief in die Augen, musterte meine Mimik, eher er sich zu Wort wandte.

"Erzähl es mir!"

Nach dieser Woche war ich mir die Dominanz nicht mehr gewohnt, die er ausstrahlte. Er war unumstritten die imposanteste Autoritätsperson, auf die ich je gestossen war. Es war unumstritten, dass er irgendwie bemerkt haben musste, was gestern Nacht passiert war. Verdammt, wie konnte das sein? Ich dachte, etwas was in seiner Abwesenheit in einem anderen Land passiert, bleibt in besagtem anderen Land!

"Wir sind uns gestern näher gekommen" sagte ich schnell, ohne weiter darüber nachzudenken. Ich senkte meinem Kopf, um seinem Blick zu entgehen. Dann kniff ich die Augen zusammen. "Rico und ich" ergänzte ich.

"Ihr habt zusammen geschlafen, nicht wahr?"
Seine Hand schlich sich nun von meinem Nacken nach vorne zu meinem Kinn und nahm dieses fest in seinen Griff. Er hob meinen Kopf an, sodass ich seinem Blick nicht mehr ausweichen konnte. Diese Augen, sie faszinierten mich, zogen mich in ihren Bann wie ich es zuvor noch nie erlebt hatte. Gleichzeitig schüchterten sie mich ein.
"Ja, Sir. Wir haben..." Ich schloss die Augen wieder und atmete tief durch. Ich wollte Sascha jetzt nicht enttäuschen. Selten hatte ich so stark das Bedürfnis nach seiner Nähe.
"Wir haben zusammen geschlafen."

Sein Griff um mein Kinn verfestigte sich. Noch immer hielt ich meine Augen geschlossen. Es war wie ein Stich in mein Herz ihn jetzt so vor mir zu haben. Es war meine alleinige Schuld, ich konnte gestern nicht genau einschätzen was richtig war und was nicht. Und wenn ich ehrlich zu mir selbst war, konnte ich das auch jetzt nicht.
Ich kniff also die Augen fest zusammen in der Hoffnung meine Tränen vor ihm verbergen zu können, vor dem Mann, der extra unseretwegen von der Schweiz nach Russland gereist kam, um uns den Arsch zu retten. Ich hatte mich so sehr auf unser Wiedersehen gefreut. Und nun gestaltete es sich so unangenehm. Ich hasste mich dafür.

"Sieh mich an, Valeria!"
Sein Griff um mein Kinn verfestigte sich noch mehr.
Langsam öffnete ich die Augen und erwiderte schüchtern seinen Blick.
"Du weisst genau, dass du etwas getan hast, das sich nicht gehört, nicht wahr?"
Ich nickte. "Ja Sir."
"Wieso hast du es dann soweit kommen lassen?"
Ich überlegte kurz.
"Ich... Ich weiss es nicht. Rico und ich sind... Ich, ich meine, der Moment war einfach da und.... Und ich hab die Selbstbeherrschung verloren."
Sein strenger Blick haftete nach wie vor auf mir.
"Es ist nicht so, dass mich das ernsthaft stört, Valeria. Wenn du unbedingt mit diesem Welpen spielen möchtest... Von mir aus. Ich steh da drüber. Aber was mich stört, ist dass du in letzter Zeit so wenig Selbstkontrolle zeigst. Das wird sich ändern müssen, hast du mich verstanden?!"
Wieder nickte ich. "Ja"
"Ja was?!"
"Ja Sir, ich werde mich künftig besser unter Kontrolle haben."
Sein nach wie vor strenger Blick wanderte nun von meinem linken zu meinem rechten Auge. Dann lockerte sich sein Griff um mein Kinn ein wenig. Ich schloss wieder meine Augen und versuchte meinen Atem zu beruhigen.

Zu meinem Erstaunen fühlte ich plötzlich seine warmen Lippen, die sich auf meine legten. Sofort erwiderte ich den Kuss, der sich im nächsten Moment schon wieder aufzulösen begann. Ich öffnete die Augen.
Er zog mich näher zu sich. Ich schmiegte mich an ihn, kuschelte mich an seine starke Brust, die mir in diesem Moment wie ein Zuhause vorkam. Zärtlich fuhr er mir über den Rücken und schloss mich in eine enge Umarmung.

"Alles in Ordnung, Anguel."
Wie ein Stück Schokolade zerfloss ich in seinen Armen, während ich seinen Eigengeruch wie eine Droge einatmete. Ich liebte es, wenn er mich so nannte.
Das Beben meines Körpers musste ihm verraten haben, dass ich weinte. Ich ärgerte mich über mich selbst. Sascha hatte recht, ich hatte keine Kontrolle über mich und meine Bedürfnisse.

"Du musst jetzt stark sein und die Zähne zusammenbeissen. Schaffst du das?"
Ich nickte stumm.
"Good Girl" sagte er leise, nachdem er mir einen Kuss auf die Stirn gab.
"Wir haben leider kaum mehr Zeit im Moment. In ein paar Stunden ist alles vorüber."
Ein letztes Mal küsste er meine Stirn, strich mir übers Haar, bevor sich unsere Umarmung auflöste und wir nach draussen gingen.

Nach einem knappen Frühstück standen wir draussen vor dem Parcours, den wir in den vergangenen fünf Tagen wieder und wieder durchgingen.
Bis an meine Grenzen ging ich, als ich mit letzter Kraft nach der Kante griff, die mich vor unserem Sieg trennte. Ich schaffte es, ich konnte sie greifen. Mit meinen letzten Kraftressourcen zog ich mich daran hoch und hievte mich auf die Fläche oben. Durch das laute Rauschen des Pulses in meinen Ohren hörte ich die Jubelschreie, die mich von unten erwarteten. Wie in Trance legte ich meinen Kopf in den Nacken und lachte für mich selbst. Ich habe es geschafft, WIR haben es geschafft. Der Sieg war unser!

Leider konnte ich dieses euphorisierende Gefühl nicht lange geniessen. Kurze Zeit später sass ich im Helikopter und wurde zum Flughafen gebracht. Wir fielen uns gegenseitig um die Arme, ich war den Tränen nahe. Die ganze Scheisse war vorüber! Wir hatten es geschafft! Wir hatten es tatsächlich geschafft! Wir kehrten als Sieger nach Hause, und zwar vollzählig! Alle lebten!

Durch die Menge sah ich Sturm, der das ganze Geschehen begutachtete. Ein stolzes Lächeln sickerte wage durch seine strenge Fassade. Rico mit seiner Platzwunde, ich mit offenen Händen durch das Greifen der Kante, die Holzsplitter von vergangener Nacht unter meinen Nägeln, es spielte alles keine Rolle mehr. Ich liess mich rückwärts fallen und genoss den Moment in vollen Zügen.

Discipline and DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt