Kapitel 43

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POV Valeria

Voller Liebe schmiegte ich mich an diesem Morgen an seine Brust. Ich musste im Himmel angekommen sein, dessen war ich mir sicher.
Mit seinen beiden starken Armen hielt er mich währenddessen fest an sich gedrückt.

Wir waren inzwischen wieder in Saschas Wohnung und sassen auf dem Sofa, wo ich die Weihnachtsbeleuchtung der Stadt durch das Zimmerfenster sehen konnte. Draussen war es schon wieder dunkel, der Schnee und die Lichter erhellten die Nacht jedoch.

"Danke Sascha" murmelte ich mittlerweile bestimmt schon zum hundertsten Mal in seine Brust.
"Ich bin dir so unglaublich dankbar. Mein Leben wäre vorbei gewesen, wenn Rodrigo seinen Plan durchgeboxt hätte."
Ich hörte ihn leise schmunzeln, spürte, wie sein Körper dabei etwas bebte.
"Ich hätte nicht gedacht, dass er dumm genug für so eine Aktion ist. Ich meine... Wie konnte er den Tracker um dein Handgelenk nicht bemerken? Er hätte doch wissen müssen, dass ich dich damit aufspüren kann."

Ich griff nun wieder fester nach Saschas massiven Schultern. Wie die standhaften Mauern einer Festung schienen sie mich zu umgeben. Eigentlich hatte ich von mir selbst immer gedacht, ich sei relativ muskulös, besonders für eine Frau. Doch neben ihm wirkte ich wie ein Kind.
"Ich will nie wieder ohne dich sein, Sascha. Ich liebe dich zu sehr, um auf dich verzichten zu können."
Ich atmete tief durch, fühlte Saschas Hand, die über meinen Hinterkopf fuhr.
"Schon nur der Gedanke daran dich nicht mehr bei mir zu haben bringt mich um. Die letzten Tage mit Rodrigo haben mir klar vor Augen geführt, dass ich ohne dich nicht mehr sein will. Alles an dir ist perfekt. Und ich weiss, dass ich ganz vieles habe, das nicht perfekt ist. Aber bitte lass mich trotzdem bei dir sein."
Ich war wirklich aussergewöhnlich schlecht in solchen Gesprächen.
"Ich... Ich weiss nicht, was mit mir los war. An diesem Abend, an dem er mich in dieses Wohnmobil gezerrt hat, da hab ich ihn geküsst. Weil er mir..." Ich schauderte bei der Erinnerung.
"Ich will gar nicht mehr daran zurück denken. Schon alleine die Vorstellung seiner Präsenz widert mich an."
"Valeria, ich werde immer bei dir sein und dich bis zum Ende deines Lebens beschützen. Ich werde gar nicht anders können als das zu tun."
Seine Stimme war tief und warm. Sie hatte eine enorm beruhigende Wirkung auf mich.

Nun spürte ich seine Finger, die langsam meinem Kinn entlang fuhren und dann mein Gesicht zu seinem drehten.
"Du musst dir keine Sorgen machen. Du bist jetzt bei mir. Und ich kann jederzeit dafür sorgen, dass dich deine Vergangenheit nicht mehr einholt. Aber du musst es mir erlauben, Valeria."
Verwirrt erwiderte ich seinen Blick.
"Das heisst, du hast ihn nicht getötet?"
Ich hatte bisher noch nicht den Mut aufgebracht ihm diese Frage zu stellen. Auch wenn mich die Neugierde beinahe zerrissen hatte, fürchtete ich mich zu sehr vor der Antwort.
"Nein, natürlich nicht."
Er musterte mich genau, bevor er weitersprach.
"Es war dumm von mir ihn in deiner Anwesenheit umlegen zu wollen. Und es tut mir leid dich in eine solche Situation gebracht zu haben."
"Nein, du hattest ja allen Grund ihn umzulegen! ICH sollte mich bei DIR entschuldigen, dass ich dich daran gehindert hab!"
"Man kann sich nicht auf Knopfdruck von seiner Vergangenheit verabschieden, Valeria. Wichtig ist nur, dass du weisst, was du JETZT willst."
"Das weiss ich, Sascha. Ich will bei dir sein und ganz bestimmt nichts mehr mit meiner Vergangenheit zu tun haben. Und es tut mir wirklich leid, dass ich dich daran gehindert hab ihn umzulegen. Es ist nur so, dass... Er eben eine wirklich grosse Rolle gespielt hat und mich nach wie vor irgendwie... Fasziniert. Keine Ahnung wieso. Ich verabscheue ihn ja eigentlich. Aber manchmal ist da dieser kleine Dämon, der nach all dieser Zeit immernoch irgendwo in meinem Kopf sitzt und mich daran zu erinnern versucht, dass ich nach wie vor zu ihm gehöre. Verstehst du, was ich meine?"
Sascha musterte mich ganz genau. Er schien bis in die tiefsten Abgründe meines Verstandes zu blicken. Dann nickte er.
"Sein submissives, kleines Fucktoy zu sein hat dir damals Bestätigung gegeben, nicht wahr? Er hat dir in vielerlei Hinsicht deinen Selbstwert genommen. Und das Einzige, was dich dann noch bestätigt hat etwas richtig zu tun, war das Erfüllen seiner sexuellen Bedürfnisse. Das war deine Bestätigung. Damit hat er dich jahrelang an sich gebunden. Und das ist der gegenwärtige Grund dafür, dass er nach wie vor diese Wirkung bei dir erzielt. Weil du sofort wieder in diesen Zustand zurück fällst, wenn er bei dir ist."
Aufmerksam hörte ich ihm zu und nickte, als er den letzten Satz beendet hatte.
"Und das war auch der Grund, wieso du nicht zulassen konntest, dass er getötet wird. Nicht wahr?"
Sein Blick haftete nach wie vor auf mir.
"Du hättest es niemals zulassen können, dass dieser Mann getötet wird, der dir in deiner Vergangenheit dieses bestätigende Gefühl gegeben hat. Weil du rückblickend verdrängst, wie es dir damals wirklich ergangen ist. Das Gefühl dieser Bestätigung ist, besonders wenn er physisch bei dir ist, viel dominanter. Aber die schändlichen Dinge, die du dafür widerwillig getan hast, sodass du dich selbst verabscheut hast, verdrängst du. Das ist völlig normal. Ein Schutzmechanismus des menschlichen Verstandes. Mir geht es genau so, wenn ich an meine Zeit bei den Seals zurück denke."
Wieder nickte ich.
"Da hast du wohl recht."
Ich wollte mein Gesicht gerade wegdrehen, als er es festhielt, um meinen Blick weiterhin zu forcieren.
"Aber wenn du den Wunsch verspürst ihn tot zu sehen, werde ich dem mit Freude nachgehen."
Ich blickte zu ihm hoch und nickte langsam.
"Eigentlich sollte ich mich ja darüber freuen, wenn er endlich tot ist, nicht wahr?"
Ein wages Lächeln legte sich auf Saschas Lippen.
"Du hast alle Zeit der Welt, Valeria. Und wenn dieser kleine Dämon wieder zu dir spricht, dann gib mir Bescheid und ich erinnere dich daran, dass du für weitaus mehr geliebt wirst als deine sexuellen Vorzüge. Ich würde dich auch dann noch lieben, wenn wir nie wieder zusammen schlafen könnten. Weil du so viel mehr bist als ein Fucktoy."
Ich musste verlegen schmunzeln. Zum Glück liess er es nun doch zu, dass ich mein Gesicht abwandte.
"Was ist es denn bei dir, was du aus deiner Vergangenheit verdrängst?"
Vorsichtig blickte ich wieder zu ihm auf.
"Ich meine, du weisst jetzt so viel über mich. Und es nimmt mich nur Wunder, was da in deinem Kopf sitzt, dem du dich kaum stellen kannst."
Saschas Gesichtsausdruck verdunkelte sich. Er schien sich seine Antwort mehrmals zurecht zu legen, ehe er sich zu Wort wandte.
"Ich nehme an, dich interessiert meine Vergangenheit bei den Seals, nicht wahr? Denn von der... anderen schändlichen Vergangenheit weisst du ja schon einiges."
Ich nickte und hing gespannt an seinen Lippen. Er atmete tief durch, bevor er weiterfuhr.
"Ich möchte deinen ohnehin schon vorbelasteten Verstand eigentlich nicht mit meinen Traumata beflecken. Und das Ausmass der Dinge, die ihre Spuren hinterlassen haben, ist enorm. Aber ich denke, das einschneidendste Erlebnis war, als ich Joan verloren hab."
Seine Stimme verstummte, während sein Blick plötzlich leer wurde.
"Wir haben uns während der Ausbildung in Amerika kennen gelernt. Wir waren ein eingespieltes Team und eigentlich immer zu zweit unterwegs. Wir fanden uns in so vielen verdammt gefährlichen Situationen wieder, in denen ich mir teilweise sicher war nicht lebend raus zu kommen. Doch es gelang uns immer unsere Mission erfolgreich zu beenden. In solchen Momenten, in denen man sich nicht sicher ist, ob das eigene Leben noch weitergeht, entwickelt man eine extrem enge Bindung zu seinen Kameraden. Man vertraut sich Dinge an, die man unter anderen Umständen niemals aussprechen würde. Ich wusste so gut wie alles über ihn, woher er kam, wieso seine Beziehung in die Brüche ging, all seine Schattenseiten und seine Erfolge. Und natürlich wie er in Ausnahmesituationen agierte. Es gab Wochen, ja fast schon Monate, in denen ich nicht geschlafen habe. Weil es einfach nicht möglich war. Der menschliche Körper hält wirklich sehr viel aus. Weitaus mehr, als die meisten Menschen denken. Von Gesundheit kann man natürlich nicht mehr sprechen. Aber man funktioniert eben. Er hat mich immer motiviert weiterzumachen, genauso wie ich ihn. Wir waren uns gegenseitig der Beweis dafür, dass noch mehr möglich war. Dass man all das, was um uns herum geschah, aushalten konnte. Der Hunger, der Schlafmangel, die Krankheiten. Und natürlich die ständig anwesende Angst. So lange er da war, hatte das Weitermachen einen Sinn. Egal wie kritisch die Situation war. In einer ruhigeren Woche liess unsere Achtsamkeit aber etwas nach. Das war ein grosser Fehler."
Wieder verstummte seine Stimme. Sein Blick war nun in die Ferne gerichtet.
"Keiner von uns konnte die Granate sehen kommen. Erst als sie auf dem Boden aufprallte und trockene Erde aufwirbelte, realisierten wir, was vor sich ging. Joan sass weiter vorne. Ich warf mich instinktiv hinter ein nahegelegenes Autowrack. Ich hab den Angriff überlebt. Joan nicht."

Discipline and DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt