Kapitel 37

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POV Valeria

Ich hielt inne, als ich etwa eine halbe Stunde später die Tür hörte.

"Valeria? Bist du da?"
Das war Andrins Stimme. Ich hörte seine Schritte, die erst ins Wohnzimmer gingen und dann wieder zurückkamen. Dann erschien er im Türrahmen meines Zimmers und erblickte mich, während ich mit gesenktem Kopf zu ihm hoch sah.
"Ohh nein, Valeria! Komm schon her!"
Sofort kam er auf mich zu, setzte sich neben mich aufs Bett, legte beide Arme um mich und zog mich in eine feste Umarmung.
"Komm schon, das ist doch nicht das Ende der Welt!"
Er begann mich zu trösten, seine Stimme war weich, während er mir über den Rücken strich.
"In einer Woche bist du wieder back in the Hood. Und bis dahin kannst du dir eine Auszeit nehmen, eine Auszeit vor aggressivem Gebrüll, kräftezerrenden Übungen, von all den Arschloch Moves, mit denen du dich normalerweise rumschlagen musst, von dem ekligen Essen, habe ich Saschas Gebrüll schon erwähnt?"
Ich lachte.
"Eigentlich mag ich dieses Gebrüll, weisst du?"
"Was?! Du bist doch krank!"
Ich schmunzelte erneut.
"Weisst du was? Du solltest unbedingt aufhören zu weinen. Das steht dir nämlich nicht so gut wie dein Lächeln."
"Du bist lieb, danke dass du hier bist Andrin!"
Ich wollte nicht zu ihm hoch schauen, weil ich mich für meine Tränen schämte.
"Deine Anwesenheit ist grad wie Balsam für mich" ergänzte ich.
Er schmunzelte.
"Glaubst du, ich lass dich hier alleine? Glaubst du ernsthaft, Sascha hätte dich hier allein zurück gelassen? Komm schon! Ich hätte mehr von dir erwartet! Und nun lass uns etwas fernschauen. Worauf hast du Lust?"
Auffordernd klopfte er mir auf die Schulter, ehe er aufstand und mir die Hand hinhielt.

Kurze Zeit später sassen wir auf dem Sofa und schauten fern. Die meiste Zeit lief zwar Werbung, da ich aber schon seit Ewigkeiten nicht mehr fern geschaut hatte, war sogar die Werbung unterhaltsam. Wir sassen eine Weile nebeneinander und lachten über die peinlichen TV Spots, bevor Andrin in die Küche ging und etwas zu kochen begann.

"Steht dir übrigens, diese Uniform!" rief er während des Kochens zu mir rüber.
Ich blickte an mir runter und bemerkte, dass er mich gerade das erste Mal in meiner ZEUSS Uniform sah.
"Danke!"
Ich lächelte ihn an.
"Das Halsband da" er deutete auf meinen Hals. "Gefällt mir aber ganz und gar nicht."
Sein Tonfall wurde ernster.
Etwas verdutzt sah ich zu ihm rüber.
"Auf wessen Mist ist das Ganze gewachsen, Valeria? Hat Sascha dich etwa dazu überredet?"
"Was? Was meinst du?"
Was wusste er von der ganzen Sache?
"Was hat dir Sascha über seine Vergangenheit erzählt, Valeria?"
Er nahm die beiden Teller, die vor ihm auf dem Tresen standen und kam zu mir rüber. Er stellte sie ab und setzte sich neben mich.
"Ich weiss Bescheid. Wieso fragst du?"
Sein ernster Blick haftete nun auf mir.
"Weisst du, worauf du dich da einlässt?"
Noch immer verwirrt nickte ich.
"Wieso findest du das so abwägig?" wollte ich von ihm wissen.
"Das ist kein schönes Umfeld, in das du dich da hineinbegibst, Val."
"Ich werde mich da nirgends hineinbegeben. Das ist eine Sache zwischen Sascha und mir."
"Das hat Sascha mir auch gesagt. Ich hab ihn gestern Morgen schon darauf angesprochen. Beim Anblick dieses Halsbandes gingen bei mir alle Alarmglocken los. Weisst du, was Sascha damals mit seinen Sub's so angestellt hat? Hat er dir erzählt, wie er mit ihnen umgegangen ist?"
"Naja, er wollte nicht..."
"Natürlich wollte er es dir nicht erzählen" unterbrach er mich. "Weil es ihm unangenehm ist. Das ist dieser eine wunde Punkt bei ihm, genau das Kapitel in seinem Leben, diese eine Eigenart, die er sich selbst nicht eingestehen will. Und ich weiss nicht, wie präsent diese Seite an ihm noch ist. Ich meine, er hat sich selbst ja bestens im Griff. Aber das Halsband da..."
Erneut deutete er auf meinen Hals.
"Und die Rolle, in die du dich damit begibst, triggern ihn enorm. Ist ja logisch. Es ist ein Spiel mit dem Feuer. Ich weiss, dass er dir das nicht antun will, was er seinen Sub's damals angetan hat. Die Frage ist nur, wie gut er seine Dämone inzwischen im Griff hat."
Er setzte eine Pause ein.
"Und wenn du ihn nicht mehr aufhalten kannst, kann dir niemand mehr helfen."
Ich nickte.
"Woher weisst du eigentlich von all dem Bescheid? Warst du damals auch in dieser Szene?"
Er sah mich vielsagend an.
"Komm schon, Valeria. Ich bin seit Kindesalter sein bester Freund. Ich weiss ALLES über Sascha. Und ja, ich war selbst auch in der Szene. Ich schaue auch heute noch regelmässig an besagten Orten und Etablissements vorbei, einfach weil sich eben ein paar gute Freunde von uns da rumtreiben. Also ja, ich war damals aktiv dabei, falls du das meinst. Fast jeder in unserem Umfeld war oder ist es. So ein bisschen zumindest. Nicht ganz so krass wie Sascha damals, ich meine, ich hab meine Subs nie... Ich hab nie das mit ihnen gemacht, was Sascha mit ihnen angestellt hat. Ich sah da irgendwie nie wirklich einen Reiz drin."
Ich wurde neugierig.
"Was hat er denn angestellt, was so schlimm war?"
Er grinste.
"Das willst du nicht wissen, Valeria. Echt nicht."
Er atmete tief durch und griff nach seiner Gabel.
"Was ich dir auf jeden Fall sagen will, ist dass du auf dich aufpassen sollst. Begib dich nicht zu sehr da rein. Und ich, ich werde Sascha im Auge behalten. Wenn er wieder in die alten Muster fällt, dann wars das. Wenn er nicht mehr auf dich hört, dann kann ich vielleicht noch auf ihn einreden und die Notbremse ziehen."
Ich nickte und beobachtete Andrin, wie er anfing in seinem Teller herumzustochern.
"Ich meine, falls dich Sascha jemals mitnehmen sollte an besagte Orte, dann ist es schon gut so, wenn du ein Halsband trägst. Zu deiner eigenen Sicherheit. Damit man sieht, dass du jemandem gehörst. Aber begeistert von der ganzen Sache bin ich auf jeden Fall nicht."
"Aber er sagte mir, dass er seit den Seals genug von körperlicher Gewalt hat. Ich meine, es ist ja nicht so, dass ich nicht angetan davon wäre. Eigentlich hab ich das sogar schade gefunden, als er mir das sagte. Aber er sagte selbst, er hat das Interesse daran verloren."
"Ja, das glaub ich ihm sofort. Seine Zeit bei den Seals hat ihn extrem verändert. Er war ein komplett anderer Mensch, als er wieder zurück kam. Es ging ihm damals wirklich nicht gut."

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