Kapitel 18

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POV Valeria

"Rico?"
Nun brach ich vollends in Tränen aus, während Rico auf mich zugestürmt kam. Sofort legte ich meine Arme um seinen Nacken und vergrub meinen Kopf in seiner Schulter. Es tat unendlich gut nicht mehr allein zu sein.
Ich merkte, wie er nicht so recht wusste, wo er mit seinen Händen hinsollte, wohlwissend, dass der Rücken keine Option war. Er legte sie mir nach kurzem Zögern dann auf die Hüfte.
"Komm schon, lass mich dem Ganzen ein Ende setzen."
Ich schüttelte den Kopf.
"Scheiss auf dieses Bild, man! Sieh dich doch mal an!"
Sachte schob er mich etwas von sich weg, um mir in die Augen schauen zu können. Ich ging seinem Blick aus dem Weg und senkte den Kopf.
"Schau mich an."
Ich schüttelte den Kopf.
Er hielt kurz inne, zückte dann sein Handy, wählte eine Nummer und distanzierte sich etwas von mir, als er zu telefonieren begann. Kurz nach dem Beginn des Gespräches kapierte ich, dass er Sascha anrief.
"RICO! Lass die Scheisse, man! Das Ganze ist mir schon so peinlich genug!"
Ich sprang auf und sah ihn wütend an.
Das Telefonat dauerte nicht lange. Dann kam er wieder zu mir zurück.
"Sturm kommt hierher. Ich glaube, das ist das einzig Sinnvolle im Moment."
"NEIN!" schrie ich verzweifelt.
"Wieso hast du das getan, Rico? Weisst du, wie peinlich mir das hier ist?"
"Du hättest dich gerade beinahe die Klippe runter gestürzt! Jetzt steck deinen Stolz weg und komm mal runter! Glaubst du, ich gehe das Risiko ein, dass du das nochmal versuchst?"
Seine Hand umklammerte meinen Oberarm. Mein ganzer Körper zitterte, ich konnte meine Atmung nicht mehr kontrollieren. Mir wurde schwindlig und schlecht. Ich setzte mich wieder hin.

"Sturm ist bald da, mach dir keine Sorgen."
Ricos Worte prallten an mir ab wie Wassertropfen auf einem Regenschirm.
"RICO, MAN! Was für eine Scheisse, verdammt nochmal, Scheisse!" murmelte ich apathisch vor mich hin.
"Ich will nicht, dass er hier her kommt."
"Jetzt hör mir mal zu!"
Rico griff nach meiner Schulter, während er zu mir sprach.
"Was seit Montag auch immer vorgefallen ist, es scheint dir dein Denkvermögen zu nehmen. Sieh dich doch mal an!"
Schüchtern schaute ich ihm in die Augen, er sah besorgt auf mich nieder.

Das sich langsam nähernde Geräusch eines Hubschraubers zog unsere Aufmerksamkeit auf sich. Wir sahen beide auf. Der Hubschrauber landete auf der Fläche neben uns. Etwa 300 Meter von uns entfernt. Sascha sprang heraus, er hatte uns sofort gesichtet und rannte auf uns zu. Der Hubschrauber flog wieder davon.

"Was ist los?"
Er war kein Bisschen außer Atem nach der Strecke, die er gerade gerannt war, bevor er sich nun zu mir niederkniete und mir die Hand auf die Schulter legte. Sein fordernder Blick durchbohrte mich.
"Sascha, ich will nicht, dass du mich so siehst" gab ich kleinlaut von mir. Ich hielt dabei meinen Blick gesenkt. Schweigend nahm er meine Aussage zur Kenntnis und schaute zu Rico rüber, der sich inzwischen auch auf Augenhöhe begeben hatte.
"Stauffer hat sie am Montag mit ins Gebäude der Defender genommen, Sir. Seither fällt sie ihm vermutlich immer wieder zum Opfer. Aber sie spricht nicht darüber."
Rico begann zu petzen, nachdem ich mich in Schweigen gehüllt hatte. Ich sah ihn enttäuscht an.
"Valeria."
Saschas Stimme war ruhig, beinahe schon ein Flüstern.
"Bitte sag mir, was gewesen ist."
Ich schüttelte den Kopf und schloss die Augen.
"Bitte nicht, Sascha"
Noch während ich die Augen geschlossen hielt, spürte ich seinen rauen Daumen, der mir beruhigend über die Wange strich, gefolgt vom Rest der Hand, der sich allmählich um mein Kinn legte und meinen Kopf anhob. Schliesslich öffnete ich vorsichtig die Augen, um seinen Blick zu erwidern.
"Valeria" begann er.
"Wovor fürchtest du dich?"
Durch seine ruhige Art und Weise schaffte er es, mich innert kürzester Zeit zu beruhigen. Nun war ich doch extrem froh, dass er hier war. Es fühlte sich an, als könnte mir nichts und niemand mehr was antun, wenn er bei mir ist.Ich beschloss, ihm von der Sache zu erzählen.
Nachdem ich erst tief durchatmete, setzte ich mich auf die Knie, drehte mich von ihm weg, sodass er meinen Rücken sehen konnte, und hob dann mein Shirt. Es klebte wieder an meinem Rücken, woraus ich schliessen konnte, dass die Wunden wieder offen waren und bluteten.

Es kam mir vor wie eine Ewigkeit, in der ich einfach nur so da sass, meinen Rücken zeigte und zu Boden sah, ehe Saschas Stimme die Stille durchbrach.
"War das sein Gürtel?"
Seine Stimme wurde nun wieder fordernder.
"Ja, Sir" antwortete ich knapp. Ich hörte, wie er nun tief durchatmete. Ich sah zu Rico rüber, der offenbar etwas verwirrt war beim Anblick, wie Sascha mit mir umging. Es war das erste Mal, dass er mich vor einem anderen Schüler beim Vornamen nannte und Fürsorge zeigte.
"Hat er dich vergewaltigt?"
Ich liess mein Shirt wieder fallen und drehte mich zurück.
"Ja Sir, er hat mich am Montag vergewaltigt und seither noch..."Ich konnte nicht aussprechen, was der noch getan hatte.
"...noch genötigt ein paar weitere Dinge zu tun."
Erst als ich fertig gesprochen hatte, wagte ich ihm ins Gesicht zu schauen. Sein Blick traf mich wie ein Blitz, er haftete beinahe schon statisch auf mir. Ich konnte sehen, wie sein Kiefer verspannte.
"Schaub" begann er, noch während er mich ansah.
"Lassen Sie uns bitte kurz einen Moment alleine."
"Natürlich, Sir"
Erst als Rico aufstand, sah ihn Sascha dankend an, sah ihm hinterher, bis er ausser Sichtweite war, ehe er sich wieder mir widmete. Sein Blick war kalt und durchdringend. Er jagte mir kalte Schauer über den brennenden Rücken.

Dann nahm er mein Kinn wieder in die Hand und zwang mich somit seinem Blick Stand zu halten. Mein Herz pochte mir bis in die Ohren.
"Erzähl mir ganz genau, was war. Ich will jedes einzelne Detail wissen!"
Er fokussierte mein Gesicht, schien jede noch so kleine Veränderung meiner Mimik zu bemerken.
"Sascha ich möchte wirklich nicht..."
"Mir ist bewusst, dass du nicht darüber sprechen möchtest. Aber ich muss wissen, was Stauffer dir angetan hat und ich will es JETZT wissen!"
Seine forsche Art schüchterte mich etwas ein und trieb mir bereits wieder die Tränen in die Augen. Ich merkte, wie sich ein Kloss in meinem Hals zu bilden begann.
Mit gesenkten Blick begann ich also zu erzählen. Ich erzählte auch, wie Stauffer uns in der Nacht jeweils alleine hier oben liess und erst im Morgengrauen mit dem Hubschrauber auftauchte. Ich erzählte auch von den Zwischenfällen unten in der Absenkung. Und obwohl ich mich darauf achtete, alles möglichst präzise wiederzugeben, wollte Sascha die ganzen Geschehnisse dann noch ein bisschen genauer wissen. Er wollte unter Anderem wissen, wie oft Stauffer zugeschlagen hatte und in welchen Raum er mich genau verschleppt hatte. Als keine Fragen mehr offen waren, hob ich schüchtern meinen Kopf. Sascha schien durch mich hindurch zu schauen, während sein Kiefer nach wie vor angespannt zuckte. In seinen Augen flackerte ein dämonisches Feuer, welches mir Angst machte. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen solch dusteren Gesichtsausdruck bei einem Menschen gesehen. Er wirkte wie die Ruhe vor dem Sturm, als würde er jeden Augenblick explodieren.

Doch das tat er nicht.

Stattdessen schloss er die Augen, atmete tief durch, rollte den Kopf über den Nacken und schien sich grösste Mühe zu geben die Fassung nicht zu verlieren.
"Valeria"
Nun blickte er mir wieder in die Augen. Die Anspannung in ihm war immernoch stark präsent.
"Du wirst heute Abend noch mit mir runter kommen. Ich lasse dich nicht eine einzige, weitere Minute hier bei diesem...."
Bevor er seinen Kraftausdrücken freien Lauf lassen konnte, riss er sich nochmal zusammen.
"...Bei Stauffer."
Ich wollte ihm widersprechen, wagte aber nicht auch nur ein Wort über die Lippen zu bringen.
"Der Rest unserer Gruppe wird ohnehin morgen wieder runterkommen."
"Ja, Sir"
"Ich werde dich für den Rest der Woche dispensieren. Du wirst den roten Trakt nicht mehr verlassen bis zum Wochenende. Deine Wunden am Rücken müssen verarztet werden, es ist ein Wunder, dass sie sich noch nicht entzündet haben."
Er senkte nun den Blick, nahm meine Hände in seine und fuhr mit dem Daumen über die blauen Flecken an meinen Handgelenken, die durch die Fesseln entstanden sind. Das leichte Zittern seiner Finger liess mich darauf schliessen, wie aufgebracht er war. Er zog seine Augenbrauen etwas zusammen, schüttelte den Kopf, dann hob er diesen wieder und  sah ihn die Ferne.
"Verdammter Mistkerl" zischte er dann eher zu sich selbst als zu mir.

Discipline and DesireWo Geschichten leben. Entdecke jetzt