Augenblick #160

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Der junge Dieb schlüpfte lautlos durch eines der kaputten Fenster in das Haus, das von außen alt und verlassen wirkte. Seit jeher hatte es eine gespenstische Ausstrahlung und zwischenzeitlich war den Leuten die gesamte Straße auch bei Tageslicht unheimlich. Doch der junge Dieb wusste die ganze Wahrheit über das unheimliche Haus, das scheinbar verlassen sein sollte. Obwohl es so dunkel war, fand sich der Dieb bestens in der Dunkelheit zurecht. Er wusste ganz genau, wo er seine Füße hinzusetzen und wie viele Schritte er zu machen hatte. Jeder Schritt und jeder Handgriff führte ihn sicher zu seinem Ziel. Schließlich war er hier, wie so viele andere Kinder der Straße, zuhause. Nach den großen Kriegen hatten sich viele Straßen- und Waisenkinder in den Ruinen der kaputten Häuser niedergelassen und ihre Zahl war schnell gewachsen. Anderswo in der Stadt war kein Platz für sie und hier waren sie unter sich. Sie hatten ihre eigene Familie mit ihren eigenen Regeln. Doch vor allem hatten sie ihren Frieden und konnten tun und lassen, was sie wollten. Ohne Arbeit mussten sie sich alles, was sie zum Leben brauchen, auf den Straßen und Märkten der Stadt ergaunern. Gerade in dieser Zeit war sich jeder selbst der Nächste. 

Heldenhafte Augenblicke - 2021Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt