25. Der Brief

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Sorry for being late!

Ich kam natürlich total erkältet aus dem Wellness-Urlaub (danke für nix) und musste mich erstmal wieder in die Reihe schaffen :D

Und da Niklas ja auch noch Geburtstag hatte, ist dieses Kapitel natürlich für ihn. Und ich erwarte Mitleid von euch für ihn!

<3

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"If only I could trade the fancy cars - For a chance today, it's incomparable - I might be sitting with the movie stars - Everybody say that I have it all - But I can't make you love me"

Britney Spears - Can't make you love me


„Aufstehen, Sonnenschein! Das Flugzeug wartet!"

Verschlafen blinzelte ich aus meinem Kissen hervor. Lina kam eben im Bademantel aus dem Bad und rubbelte sich die Haare trocken. Gähnend ließ ich mich zurückfallen und zog die Bettdecke wieder bis zur Nasenspitze. Ich war so müde! Ein kurzer Blick auf die Uhr verriet, dass es kurz vor 8 war. Gerade mal fünf Stunden Schlaf.

Ich ließ das Frühstück ausfallen und traf die Mannschaft somit erst vor dem Bus, der uns zum Flughafen bringen sollte.

„Steig schon ein, Laura, ich nehm deinen Koffer."

Niklas, wieder einmal. Ich nickte ihm dankbar zu und schlurfte zu meinem Platz. Auf Kaffee hatte ich verzichtet, ich war froh, meine Nervosität halbwegs unter Kontrolle zu haben, und war dementsprechend nicht viel wacher als direkt nach dem Aufstehen.

„Na, was meinst du, wird der Flug heute entspannter?", fragte Mathea, die schon neben Leon Platz genommen hatte. Ich winkte ab und schloss die Augen. Als ich wieder aufwachte, lag mein Kopf an Niklas' Schulter.

„Aussteigen, Schlafmütze!" Ich gähnte. Ich hatte weder bemerkt, dass Niklas sich den Sitz neben meinem erobert hatte, noch, dass wir bereits am Flughafen angekommen waren. Auf der anderen Seite waren heute Morgen alle relativ still.

„Mhm?", machte ich nur, aber da hatte Niklas schon meine Handtasche und meinen Mantel genommen. Ich folgte ihm schlurfend aufs Rollfeld.

Ich überstand diesen Flug tatsächlich ohne Panikattacken. Ich schlief durch. Als wir in Deutschland landeten, fühlte ich mich frisch und ausgeruht und bereit zu neuen Schandtaten. Im Gegensatz zur Mannschaft: Jetzt sahen die Jungs alle aus, als wären sie unter die Räder gekommen. Ich schloss aus ihren müden Gesichtern, dass mit ihnen heute nicht viel anzufangen war, verabschiedete mich von ihnen und fuhr nach Hause. Was waren das für aufregende Tage gewesen! In meiner Wohnung angekommen packte ich meinen Koffer aus. Ich hob das sperrige Teil auf mein Bett und klappte den rosafarbenen Deckel nach oben. Obenauf lag ein Brief. Wo kam der denn her? Verwundert drehte ich den Umschlag in der Hand. Dann öffnete ich ihn.

‚Liebe Laura,

ich schreibe nicht so häufig Briefe, also nimm mir den Versuch bitte nicht übel. Ich kann es dir einfach nicht ins Gesicht sagen, und Leon hat gesagt, für solche Fälle wären Briefe gemacht, weil SMS zu unpersönlich sind. Hier ist also einer. Ehrlich gesagt weiß ich genauso wenig wie ich es schreiben soll. Vielleicht sollte ich es einfach kurz und schmerzlos machen: Ich habe mich in dich verliebt. Wahrscheinlich hast du es schon gemerkt, ich glaube, ich mutiere in deiner Nähe immer zu einem ziemlichen Idioten. Deshalb gabs wohl auch nie Situationen, in denen ich dir das alles irgendwie hätte klar machen können. Falls du mich jetzt nicht als kompletten Deppen abstempelst, kannst du dich ja bei mir melden. Wenn nicht ist natürlich auch in Ordnung.

Wie beendet man einen solchen Brief? Ich versuche es einfach mit lieben Grüßen.

Niklas'

Er musste den Brief in meinen Koffer geschmuggelt haben, als er ihn zum Bus gebracht hatte, der Fuchs. Ich sank auf meine Bettdecke. Oh mein Gott. Ich hielt den Brief in meinen Händen, starrte die Buchstaben an. Niklas. Ich hätte es wissen müssen – wenn ich es so lange nicht geraderückte, würde er es irgendwann tun – in so weit hatten Josh und Manu recht, Fußballer waren nicht so gestrickt, dass sie lange abwarteten. Und aus Angst, ihn zu verletzen, hatte ich den D-Day vor mir hergeschoben, hatte gehofft, dass sich alles von selbst lösen würde. Das war offensichtlich nach hinten losgegangen. Hätte ich ihm doch gleich gesagt, dass ich nicht so für ihn empfand, wäre ich nicht mit ihm ins Kino, hätte, hätte, Fahrradkette. Dann hätte er sich vielleicht gar nicht richtig in mich verliebt. Jetzt war es zu spät.

„Scheiße!", sagte ich laut und wusste, dass das eigentlich mir selbst galt. Ich wollte Niklas nicht sagen, dass ich ihn als Freund mochte, aber eben nicht mehr. Denn, auch wenn ich nicht in ihn verliebt war, mochte ich ihn unwahrscheinlich gerne und wollte ihn nicht vor den Kopf stoßen. Ich fuhr mir durch die Haare, starrte an die Wand, biss mir auf die Lippen. Ich musste mich bei ihm melden. Um ihm einen Korb zu geben.

„Scheiße.", sagte ich noch einmal, doch diesmal flüsterte ich es nur. Ich hatte noch nie einen Liebesbrief bekommen, und ausgerechnet der erste musste von einer Person kommen, deren Liebe ich nicht erwiderte.

Ärgerlich ließ ich das Papier, das das Logo des Istanbuler Hotels trug, in dem wir die letzten Tage verbracht hatten, auf meinen Schoß sinken. Warum kam der Brief nicht von Manuel? Je länger ich darüber nachdachte, desto wütender wurde ich auf den Torwart, weil er mir keine Liebesbriefe schrieb, mit mir keine Teams bei FIFA bildete, mich nicht in meinem Café besuchte, nicht glücklich grinste, sobald er mich sah. Ich vergrub mein Gesicht in den Händen. Wäre ich doch zu Hause geblieben! Für einen Moment spielte ich mit dem Gedanken, Lina anzurufen, um mir ihre Hilfe zu erbitten. Doch diese Idee verwarf ich direkt wieder. Diese Sache ging nur mich und Niklas etwas an, niemand sonst sollte davon erfahren. Niklas zuliebe. Außerdem konnte mir in dieser Situation niemand helfen. Ich hatte uns in diese Sackgasse reinmanövriert, also würde ich auch nicht jemand anderen darum bitten, uns wieder rauszulotsen. Das hatte Niklas nicht verdient.

Ich seufzte. Ich wollte ihm einen Tag Schonfrist geben, er sollte sich ausschlafen, den Sieg gegen die Türkei genießen. Ich griff nach meinem Handy.

Treffen wir uns Montag um 11 am Chinesischen Turm im Englischen Garten?, textete ich ihm. Vielleicht schloss er schon aus der Kürze meiner Nachricht, wie meine Antwort lauten würde. Ich hoffte es. Dann konnte er sich vielleicht schon ein bisschen vorbereiten, ich wollte ihn nur ungern vor den Kopf stoßen.

Okay, Montag um 11. Ich werde da sein., kam es nach ein paar Sekunden zurück. Ich legte mein Handy zu Seite und ließ mich auf den Rücken fallen. Ich schloss die Augen. Die Schonfrist galt nicht nur für Niklas. Auch ich benötigte sie.

Ich telefonierte an diesem Abend noch kurz mit Maike, um ihr zu versichern, dass ich heil wieder angekommen war und verabredete mich mit ihr für ein Abendessen am Dienstag. Dann legte ich mir die Klamotten für den nächsten Tag raus und sortierte die Post der letzten Tage, die sich auf meiner Kommode stapelte. Ich telefonierte mal wieder mit meinen Eltern, erzählte von der Türkei, dem Fußballspiel und den Flügen. Schickte Lilly eine SMS, wie es ihr ginge. Blieb eine halbe Stunde auf Insta hängen. Öffnete mein Mail-Postfach und schloss es schnell wieder. Erstellte eine Einkaufsliste und wusch dann die Wäsche. Stellte fest, dass mein Waschpulver zur Neige ging und kritzelte es noch mit auf die Liste. Wischte Staub im Wohnzimmer und den Boden in der Küche. Machte ein Gesichtspeeling und eine Maske. Und während all dem ging ich hunderte Möglichkeiten durch, Niklas zu sagen, dass ich nicht in ihn verliebt war. Stellte mir sein Gesicht dabei vor. Was würde er sagen? Würde er noch mit mir befreundet sein wollen? Ich wünschte es mir. Ich mochte Niklas. Nur eben leider nicht genug.

Stuck on you (Manuel Neuer)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt