26. Entscheidungsspiel

2.4K 96 17
                                    

So, das war ein ganz wichtiger Sieg ;)

Übrigens gibt es ja viele Fussball- und auch einige Bayern-Podcasts - hört ihr welche? Welche sind eure Lieblinge?

<3

________________________

„I'm learnin' somethin' new every day - All about goodbyes, about overs - All about hang-ups and hangovers - Things I never knew about me"

Luke Combs - New every day

Schweren Herzens lief ich den Weg zum Chinesischen Turm entlang. Die Herbstsonne schien, die ersten Blätter fielen, es war angenehm warm. Viele Leute waren unterwegs, Familien mit Kindern, Touristen, Jugendliche. Rund um den Turm saßen viele Rentner und genossen die letzten sonnigen Tage. Studenten saßen am Eisbach, Hunde, Kinderwagen, rennende Kinder. Alles war wie immer. Niklas wartete schon auf mich, eine Kappe auf dem Kopf. Er stand ein Stück abseits, um nicht von irgendwelchen tollwütigen Rikschafahrern überfahren oder von Fans erkannt zu werden.

Er hatte mich noch nicht gesehen und ich blieb einen Moment stehen. Fast hätte ich umgedreht, mich vor einen genau solchen Rikschafahrer zu schmeißen und das Gespräch so noch ein wenig weiter herauszuzögern. Wenn ich mit drei gebrochenen Beinen und vier Gehirnerschütterungen im Krankenhaus lag, konnte niemand von mir erwarten, mich mit unglücklich verliebten Fußballern zu beschäftigen.

Doch dann setzte ich entschlossen einen Fuß vor den anderen. Ich hatte ihn fast erreicht, da drehte er sich um. Er musste es an meinem Gesicht gesehen haben, denn er lächelte, aber nicht so überirdisch glücklich wie sonst, wenn er mich sah. Wir standen uns einen Moment befangen gegenüber. Dann nahm ich ihn kurz in den Arm.

„Gehen wir ein Stück?", fragte er und ich nickte stumm.

Er hatte die Hände in den Hosentaschen, wie so oft. Er zog sich die Kappe ein wenig tiefer in die Stirn, im Gegensatz zu mir war er noch immer braun gebrannt. Er trug nur ein T-shirt und Jeans, sah aus wie jeder andere junge Mann. Und trotzdem war er ein Profifußballer, in Deutschlands erfolgreichster Mannschaft, im Nationalteam, mit einer Millionengage. Aber in solchen Momenten war es wohl für alle gleich schwer. Ich blieb stehen und legte ihm eine Hand auf den Arm.

„Es tut mir so leid, Niklas.", sagte ich und brachte noch nicht einmal die Stärke auf, ihm dabei in die Augen zu sehen.

Ich starrte auf den sandigen Weg vor uns. Niklas' Hand legte sich auf meine, ich hörte ihn seufzen.

„Ich hatte mir sowas schon gedacht.", sagte er und ich spürte, dass er mich ansah. Ich blickte auf.

„Ich würde es so gerne ändern, aber ich kann es nicht.", sagte ich, und plötzlich war mir zum Heulen zumute, auch wenn es eigentlich Niklas sein sollte, den ich tröstete. Er legte mir einen Arm um die Schultern und zog mich an sich. Ich umarmte ihn jedenfalls.

„Schöner Mist, was?", fragte Niklas und ich hörte ein halbes Lächeln in seiner Stimme.

„Dabei hast du wirklich ein Mädchen verdient, das dich vergöttert!", sagte ich und ließ ihn los, um ihn anzusehen. Wir standen mitten auf dem Weg, die anderen Menschen mussten uns ausweichen.

„Vielleicht. Wir verlieben uns zu häufig in die Falschen."

Ich griff nach seiner Hand.

„Sag das nicht. Jedes andere Mädchen hätte, nachdem es deinen Brief gelesen hätte, alles stehen und liegen gelassen und wäre zu dir gerannt."

„Du aber nicht."

Ich schüttelte hilflos den Kopf. Nein, ich nicht.

„Können wir trotzdem noch miteinander befreundet sein?", fragte er schließlich.

„Ach Niklas, natürlich! Was denkst du denn?"

Niklas grinste.

„Wenn du da bist? Nicht so viel, offensichtlich." Ich kicherte, obwohl ich eigentlich nicht wollte. Er zupfte mir ein Blatt aus den Haaren, das der Wind hineingepustet hatte. „Aber ich bin froh, dass es raus ist. Ich habe immer gedacht – naja, dass ich dann wenigstens weiß, woran ich bin."

Ich seufzte. Ich wusste nur zu gut, wie sich das anfühlte. Wenigstens hatte Niklas den Mut dazu aufgebracht. Er hatte eine Entscheidung herbeigeführt, und obwohl sie negativ war, ging es ihm jetzt besser. Ich wusste, dass ich eine negative Entscheidung Manuels nicht so leicht wegstecken würde. Vielleicht war es mit der Liebe wie mit dem Fußball. Man gewöhnte sich an diese Momente – Jetzt oder nie – und führte sie herbei, nur, damit danach Klarheit herrschte. Auf zum nächsten Gegner.

Ich war weit genug davon entfernt, ein Fußballer zu sein.

„Jetzt schaust du traurig. Sollte das nicht mein Part in diesem Spiel sein?", fragte Niklas und strich mir über den Rücken.

„Es tut mir nur so leid. Ich habe es doch schon länger geahnt, aber ich hatte gedacht, dass es, naja, wieder vergeht. Ich habe dir nicht gesagt, dass ich nicht so für dich fühle, ich habe dir wahrscheinlich sogar noch falsche Hoffnungen gemacht.", erklärte ich unglücklich.

„Unsinn. Mir tut es leid, wenn du dich deshalb in manchen Situationen unwohl gefühlt hast, oder unter Druck gesetzt. Wir können unsere Gefühle nicht steuern."

Ich hakte mich bei ihm unter und wir liefen wieder weiter.

„Bist du sehr traurig?", fragte ich vorsichtig.

Er zuckte die Schultern.

„Es gab wohl tatsächlich schon die eine oder andere Situation, in der ich mich besser gefühlt habe, muss ich zugeben. Ich muss mich erst mal wieder entlieben, wenn das geht. Aber ich bin froh, dass wir trotzdem noch Freunde sein können."

Ich nickte stürmisch.

„Du hast doch sowieso noch ein Abendessen bei mir gut. Ich koche dir auch, was du willst."

Er lachte.

„Ich weiß nicht, ob es mir das leichter macht: von dir auch noch lecker bekocht zu werden!" Ich rempelte ihn an und er rieb sich mit übertrieben schmerzverzerrtem Gesicht die Stelle. „Hast du mich heute nicht schon genug verletzt?", fragte er jammernd.

Ich musste lachen.

Wir spazierten noch über zwei Stunden weiter durch den Englischen Garten, unterhielten uns, lachten, und manchmal schwiegen wir auch einfach. Es war so einfach mit Niklas, jetzt, wo alles geklärt war. Es war vielleicht noch nicht so, wie bei normalen Freunden, aber ich wusste, dass wir auf dem besten Weg dahin waren. Und wieder einmal fragte ich mich, warum ich mich nicht in Niklas verliebte. Was hatte Manuel, was Niklas nicht hatte? Es gab wohl nur eine Antwort: Mein Herz.

Stuck on you (Manuel Neuer)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt