24 - Keine Reue

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Ich rannte die letzten Stufen hinunter und knallte anschließend die Haustür laut zu.

Noch nie, noch nie habe ich jemandem ins Gesicht gesagt, das ich ihn hasse. Ich behielt es immer für mich. Doch das ich es ausgerechnet meinem Bruder ins Gesicht sagte, schockt mich auch. Er hat es aber verdient. Er hat mir das Herz gebrochen und niemand wird es wieder gut machen können.

Mein Blick wanderte nach links, wo ich meine Cousine Sara entdeckte. Ich kratze meine letzte Kraft zusammen und bildete ein gettäuschtes Lächeln.

,,Hey, Sara."

,,Sorry Adi, aber ich muss mich jetzt beeilen, sonst würde ich gerne zu dir kommen."

Dann verschwand sie auch schon und ich war geschockt. Sieht meine eigene Cousine etwa nicht, wie kaputt ich bin? Bin ich jedem so egal?

Ohne groß nachzudenken, ging ich zu Sergen. Obwohl oder genau deshalb, weil wir nicht so gut befreundet waren, war er der Einzige, mit dem ich reden konnte. Nach dem zweiten Klingeln wurde mir die Haustür von seiner kleinen Schwester geöffnet.

,,Adisa Abla.", sagte sie und umarmte mich fröhlich. ,,Sergen Abi ist im Wohnzimmer mit Beyza Abla." Daraufhin folgte ein süßes Kichern, wahrscheinlich hatte sie sie gesehen, wie sie sich küssten oder so.

Ich ging rein und entdeckte die Zwei auf der Couch küssend sitzen. Sergen saß mit dem Rück zu mir, deshalb bemerkte mich am Anfang  nur Beyza.

,,Oh Adisa.", sprach sie verwundert als sie sich nicht mehr abschlabberten oder schon fast aufaßen.

Aber was ist daran so merkwürdig, dass ich Sergen besuche? Ich versteh echt nicht, warum sie sich so über meine Ankunft wunderte.

,,Ich sollte lieber mal gehen...", sagte ich und drehte mich schon um, als Sergen mir hinterher rief: ,,Ruf mich naher einfach an."

Darauf kannst du lange warten, Sergen. Er weiß doch ganz genau, dass ich um diese späte Uhrzeit nicht draußen rumirren darf. Ihn kümmerts nicht Mal, wie es mir geht. Niemanden kümmerts.

Ich denk' nicht Mal dran, nach Hause zu gehen, auch wenn es schon spät geworden war und die Kälte für mein leichtes Zittern verantwortlich war.

Ich ließ meine Füße runter zum See baumeln, aber so, dass meine Schuhe das Wasser nicht berührten.

Wie lange soll das weiter gehen? Muss ich wirklich zurück in die Klinik? Wer geht dort schon freiwillig hin. Ich wollte doch glücklich sein.

Ohne Sorgen.

Ohne Schmerzen.

Ohne negative Gedanken.

Doch alles ist schwere, als gedacht.

Ich streckte meine Hände ins Wasser und wusch mein Gesicht, damit niemand mein verheultes Gesicht bemerkt.

++

Einige Stunden später war ich schon vor unserer Haustür und sperrte diese auf. Als ich das Haus betrat, stellten sich die Gespräche ein. Ohne denen große Beachtung zu schenken, lief ich geradeaus, in die Richtung der Treppen.

,,Adisa!", rief mich mein Vater und ich blieb sofort stehen. Mein Blick wanderte aber nicht nach links, ins Wohnzimmer, sondern blieb starr nach vorne gerichtet.

,,Rede ihr bitte ein, herzukommen.", hörte ich meinen Vater zu jemandem flüstern.  Daraufhin stand plötzlich Samir vor mir. Samir? Ich halluziniere doch, oder?

Ich umschlung meine Arme um seinen Nacken und genoss es. Er war hier. Hier bei mir. Er ist für mich da, nicht so wie alle anderen.

,,Komm bitte mit ins Wohnzimmer.", flehte er mich an, als wir uns lösten. Er legte einen Arm um mich und gemeinsam gingen wir ins Wohnzimmer. Mein Blick hob ich nicht. Ich wollte meinen Eltern nicht in die Augen sehen. Ich möchte sie nicht durch meine Depressionen verletzten. Ich möchte niemandem zeigen, das ich am Boden mit meinen Nerven bin.

Adisa's WegWo Geschichten leben. Entdecke jetzt