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Vor langer, langer Zeit war die Welt noch in Ordnung, noch strahlend, noch voller Ungewissheit und Freude.
Und Jimin hatte gelernt, dass er einem Vogel glich, dessen Flügel dazu bestimmt waren zu bersten, dessen Zukunft es war zu fallen. Die Luft zu fühlen, wenn er den Weg nach unten fand, wenn er aufkam und zerquetscht wurde. Er besaß die Seele eines Vogels, dessen Flügel sich nicht öffnen konnten, Er war gefangen, in einem Käfig aus Stahl und Beton, mit Ketten, die ihn fest umklammerten und niemals loszulassen schienen.
Der Fall war unvermeidlich.
Und die Geschichte dahinter begann so:
Es war einmal ein König, der seine Macht mehr liebte als seine Familie.
So begannen Märchen, Geschichten voller Magie und Liebe, voller Versprechen und großartigen Enden, schönen Enden, netten Enden, wo niemand, der Gut war, bestraft wurde. Jimin hatte gedacht, er würde in einem Märchen leben. Seine Eltern besaßen ein riesiges Anwesen, mit Zimmer, die er nie vollends ausgekundschaftet hatte, so viele waren es. Angestellte kümmerte sich um alles, Essen, Wäsche, das kein Staubkörnchen auf dem Boden lag. Ein Garten strahlte auf der einen Seite, Apfelbäume und Birnenbäume, Kirschbäumen und Orangenbäumen schossen aus der Erde.
Ein Meer aus Blüten, ein Meer aus grüner Schönheit, dass Jimin als Einziges in Erinnerung blieb.
Und eine Zeit lang war alles in Ordnung.
Bis Jimin bemerkte, was sein Vater tat.
Bis er verstand, dass all das Geld, was sie besaßen nicht ehrlich erwirtschaftet wurde.
Bis er begriff, dass seine Familie vergiftet war. Vergiftet von Geld und dem Drang alles zu besitzen, Macht zu haben, ganz Busan für sich zu haben.
Ab da merkte er:
Die Realität war ein grausamer Ort.

Jimin verschwand in sich selbst, in einem Vakuum aus Dunkelheit und Selbstisolation. Denn in diesem errichteten Schutzraum, kamen keine Gedanken, kein Gewissen und vor allem nicht die Realität hinein.
Er war zehn, als er das erste Mal verschwand. Es war nicht so, dass er wirklich verschwand. Viel mehr war es eine Metapher für das In-Sich-Kehren. Er versteckte sich hinter einer hohen Mauer, tief in seinem Inneren. Der Auslöser hing mit seinem Vater zusammen. Er begann mit ihm zu trainieren, ihn zu einem Werkzeug zu machen, ihn zu brechen und für seine Zwecke zu nutzen.
Damals hatte dieses Verhalten nicht lange angehalten. Die Zeit verging und es änderte sich einiges. Jimin trainierte Tag für Tag, jede freie Minute und wenn er doch etwas Zeit hatte, verlor er sich in seinen Zeichnungen. Das Zeichnen war sein Ventil vor der grausamen Wahrheit, die langsam in seinem Inneren heranwuchs.
Dann verschwand er mit fünfzehn das zweite Mal. Diesmal war der Drang in seiner Höhle, in seinem sicheren Schutzbunker zu bleiben, größer. Er blieb eine Weile, vergaß dabei seine Familie und Freunde und Haustiere, vergaß sein Leben, weil alles so überwältigend war.
Und dann hatte er jemanden getötet.
Bestialisch und ohne Widerkehr riss er eine Person aus dem Leben, aus seinem Dasein. Auf brutalste Weise zerstückelte der kleine Junge, der er damals gewesen war, einen kräftigen Mann, den sein Vater auf einem Tisch gefesselt hatte. Die angestaute Wut auf seinem Erzeuger ließ er freien Lauf, zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich ein Verlangen, eine Freude daran, wie Menschen litten. Er merkte, wie er es genoss im Auftrag seines Vaters zu töten, weil er endlich die Aufmerksamkeit und das Lob bekam, nach dessen er strebte. Und dafür begann er sich zu hassen. So sehr, dass innerlich einen Plan schmiedete, um sich von seinem Vater loszueisen.
Und dann verschwand Park Jimin mit zwanzig ein letztes Mal und kehrte nicht zurück. Nicht als diese Person, die er einmal war.

Während er durch den wolkenverhangenden Tag zog, rauschten Autos, Passanten und Tiere an ihm vorbei. Doch nichts davon drang zu ihm hindurch. Selbst als er von einem Wagen, der durch eine Pfütze fuhr, erwischte wurde, störte ihn das nicht im geringsten, obwohl er komplett durchnässt war. Sein Weg führte ihn zu einer alten Werkstatt, dessen Besitzer ihm noch einen Gefallen schuldete. Die Hochhäuser wichen verfallenden Unterkünfte, dass man denken könnte, hier wohne niemand mehr. Jimin wusste es besser. Er selbst hatte hier einige Monate genächtigt und nach mehreren Malen des Abbiegens erblickte er das heruntergekommende Gemäuer, welches er suchte. Das Bellen eines Hundes lenkte ihn ab und er sah, wie ein wuscheliger Bernhardiner auf ihn zu rannte. Jimin beugte sich zu ihm herunter und fragte sich augenblicklich, ob er merkte, dass der Silberhaarige seit drei Tagen nicht geschlafen hatte.
"Benji! Kommst du zurück!", hörte er eine Stimme, sodass er sich erhob.
"Tut mir leid, manchmal ist er-"
Als der Mann ihn erkannte, verstummte er sofort und verbeugte sich.
"Es ist lange her."
Jimin nickte und strich dem Hund einmal mehr durch das Fell. Dieser lächelte ihn förmlich an und erfreute sich an der Zuneigung, die er ihm zukommen ließ.
"Ich bin hier, um meinen Gefallen einzufordern", sagte er.
Der gebrechliche Mann schnappte sich sein Handtuch, womit er sich das Motoröl von den Händen wischte und bedeutete Jimin ihm zu folgen. Benji trottete ihm hinterher und er empfand es so, als würde das Tier ihn eskortieren, damit er nicht kollabiert. Jimin fand es faszinierend, wie Tiere es immer schafften einen glücklicher zu machen.
Sie traten in die Werkstatt, welche der Silberhaarige auf jedwede Fallen und andere Dinge, die ihm schaden könnten, absuchte. Der Herr führte sie an zwei Autos vorbei, welche schon bessere Jahre gesehen hatte.
"Er ist alt und nicht schön, aber er fährt."
Unter einem riesigen, grauen Laken kam ein alter Pick-Up Truck zum Vorschein, der genauso kaputt aussah wie die anderen Fahrzeuge. Doch Jimin wollte sich nicht beschweren. So lange er fuhr, war alles gut.
Der Mann warf ihm die Schlüssel zu und trat zur Seite. Er sah zu dem Hund hinunter.
"Zeit für eine Reise in die Vergangenheit."
Er schmiss seinen Rucksack auf den Beifahrersitz und kletterte auf die Fahrerseite. Der Schlüssel fand von allein den Weg in seinen angestammten Platz und nach zwei Sekunden rumorte der Motor und der Truck erwachte zum Leben.
Der Mann kam noch einmal zu seinem Fenster.
"Manchmal klemmt die Kupplung. Einfach fester drücken."
Mit einem letzten Klopfen auf die Motorhaube ließ er ihn ziehen.

Nach mehreren Stunden, ein dutzend Kaffees und ewiganhaltenden Staus hatte er sein Ziel erreicht. Selbst die Fahrt mit der Fähre hatte er überstanden. Der Fischgeruch kitzelte seine Nase, das Kreischen der Möwen glühte beinahe in seinen Ohren, als er durch die kleinen Gassen des Ortes fuhr, wo er früher immer Urlaub mit seiner Oma machte. Mittlerweile tropfte kühles Nass vom Himmel und es sah so aus, als würde es bald Gewittern. Jimin beeilte sich zum Haus zu kommen. Das Einfamilienhaus schoss hoch empor und für einen Moment sah er sein altes Ich, sein junges Ich mit seinem Bruder Fangen spielen. Er spürte diesen Kloß in seinem Hals, der immer auftauchte, wenn er kurz davor stand zu weinen und er merkte, wie die Tränen sich hinaufkämpften. Er drückte sie zurück, wobei er hastig versuchte aufzuschließen. Er schmiss den Rucksack einfach in eine Ecke, ließ die abgedeckten Möbel links liegen und rannte hinten zum Garten hinaus. Er hielt es nicht mehr aus, nichts von sich, nichts von seiner Umwelt, absolut gar nichts. Er wollte Stille und Ruhe und Seelenfrieden. Er kniete sich in den Dreck, in die aufgeweichte Erde, um mit dem Graben zu beginnen.
Der Regen biss in seine Haut, wie Nadeln und er schrie und weinte, bis der Geschmack von Blut alles übertönte. Und trotzdem, kratzte er mit seinen Fingernägeln durch den Dreck, für das, was darunter begraben war. Für das Letzte, was noch übrig war. Bilder.
Von ihm, von seiner Familie.
Und es war diese Art von Schmerz, die man niemals vergessen konnte. Er kroch in den Brustkorb und versteckte sich unter dem eigenem Atem für den Rest seines Lebens. Es war diese Art von Schmerz, über die man keine Kontrolle besaß.

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Guten Abend, meine lieben Leser und Leserinnen!

Kennt Ihr das, wenn Ihr nicht Ich sein wollt? Wenn Ihr gern Körper mit irgendjemand tauschen möchtet, weil ihr nicht mehr könnt, aber trotzdem am Leben hängt? So geht's mir gerade. Und es ist ätzend.
Jimin geht es ähnlich.

Feel free to comment!

Erin🌸

Canary [JiKook]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt