Chapter 50: Weißgold

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Sanuras matte Augen beobachteten die vielen trauernden Menschen, welche alle in Weiß und Gold gekleidet am Wasser standen. Es wäre ein absolut majestätischer Anblick, wenn man nicht wüsste, dass dies eine Trauerfeier war. Das Weiß symbolisiert Reinheit und Heiligkeit, während Gold die Göttlichkeit darstellen sollte.

Damit erwiesen sie alle den Toten Respekt und wünschten ihnen das Beste auf ihrer Weiterreise. Ob Jimin sich im Labyrinth der Elemente gerade zurecht fand? Sanura wunderte sich wo er gerade war. Wo war Jimins Seele? Was würde seine Wiegung ergeben? Sie starrte nun schon eine ganze Weile wie betäubt vor sich hin.

Alle anderen Leute schienen sich immerzu zu bewegen, aber sie blieb einfach wie eine Statue sitzen. Sie wollte nicht zurück zum Institut gehen, denn wenn sie die Trauerfeier verlassen würde, war es offiziell vorbei. Dann hätte sie Abschied genommen und müsste mit ihrem Leben fortfahren, als wäre niemals etwas vorgefallen.

Die richtigen Beerdigungen würden innerhalb der Familien abgehalten werden. Und so waren die Körper der Verstorbenen schon längst in ihre Heimat zurück gebracht worden. Bloß Jimins Körper durfte nicht in Kontakt mit anderen kommen, da er unrein war. Und so konnte seine Familie nicht einmal eine vernünftige Beerdigung für ihn halten. Wie sollte er sich ohne den Segen und die Anleitung seiner Verwandten in der Unterwelt zurecht finden? Es war Tradition den Verstorbenen hilfreiche Gegenstände mit ins Grab zu legen, welche sie im Jenseits benutzen können würden. Doch Jimin hatte nichts davon, außer die traditionelle Trauerfeier Hanapps. Es war wie mit Yuju.

Zuvor hatte Sanura, mit zitternden Händen, den kleinen Flechtkorb voll Blüten für Jimin auf das Wasser des großen Flusses gesetzt. Sie hatte ihn ganz genau mit ihrem Blick verfolgt, bis er irgendwann in der Ferne mit der Landschaft verschmolzen war, und für sie nicht mehr auszumachen war.

Seitdem kniete die Schülerin einfach nur da, und starrte in die Ferne. Sie konnte ihren Blick einfach nicht von diesem Punkt lösen. Sie konnte sich nicht dazu überwinden aufzustehen und zurück zu gehen. Sie wollte Jimin nicht den Rücken zudrehen.

Ihre Hände krallten sich fest in den weißen Stoff ihrer Tracht. Alle paar Minuten vermochten ihre Augen es ein paar Tränen zu vergießen, aber eigentlich konnte sie nicht mehr weinen. Sie hatte sich in den letzten Tagen leer geweint. Sie war bloß noch ein Schatten ihrer selbst. Zudem aß sie kaum, da sie den Speisesaal einfach nicht betreten konnte.

Jeden Abend hatte sie sich in den Schlaf geweint. Und jeder ihrer Zimmergenossinnen hatte es wahrscheinlich mitbekommen. Aber das war ihr egal. Es hatte sich ja eh bereits am Institut herumgesprochen, dass sie die Cousine des berüchtigten dunklen Magiers war, welcher etliche, vielversprechende junge Seelen auf dem Gewissen hatte.

Und dementsprechend wurde sie auch angestarrt. Wohin sie auch ging schienen Klatsch und Tratsch ihr zu folgen. Und auch hier auf der Trauerfeier stoppte es nicht.

Sie konnte bloß an Jimin denken, weshalb sie die Blicke, welche wie Pech an ihr hafteten, nicht bemerkte. Aber vielleicht hatte sie sich auch einfach daran gewöhnt. Und sie trauerte ja auch nicht bloß für ihren Bruder. Nein, ihre Freunde waren auch fort. In Gedanken war sie auch bei ihnen.

Rechts vorne am Flussufer stand Knolle, welcher sich vermutlich zum ersten Mal in diesem Jahr sein wirres schwarzes Haar vernünftig zurecht gemacht hatte und ausnahmsweise nüchtern war. Er wollte seine Sinne nicht benebeln, da dies ein trauriger Anlass war.

Kalle war seit dem ersten Jahr mit ihm am Institut gewesen und sein absolut bester Freund gewesen. Er hatte sich noch nie von jemandem so angenommen gefühlt, wie von Kalle. Kalle hatte immer akzeptiert, dass er ein kleiner Schludrian war, welcher nicht gut mit Menschen konnte. Aber er hatte immer über Knolles unbeholfene und verpeilte Art hinweg sehen können und den lieben Menschen darunter zu wertschätzen gewusst. Und nun war er fort.

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