Chapter 42: Sommersonnenwende (2): Die Wahrsagerin

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Die Vierundzwanzigjährige wanderte, taub für alles um sich herum, die Straßen entlang. Bei jedem Schritt befürchtete sie, dass ihr Körper aufgeben und einfach zusammen brechen würde. Denn ihr war nach heulen zumute. Am liebsten wäre sie hier und jetzt auf die Knie gesunken und hätte einfach den Erdboden angeschrien. Ihre Seele hatte keine Kraft mehr und ihr Körper allein war nutzlos.

Sie wollte das Leben verfluchen. Warum musste es ihr immer wieder zeigen, dass nichts was ihr lieb und teuer war überlebte? Wieso traf es immer sie? Sie war gerade erst über den Tod ihres Vaters hinweg gekommen. Und jetzt das. Gerade immer wenn sie es fertig gebracht hatte die Teile ihres Herzens wieder zusammen zu flicken, wurde es erneut zerbrochen.

Als sie an einem kleinen, unbesuchten Stand ankam, konnte sie ahnen, dass dieser vermutlich nicht besonders gut war. Alle Plätze waren leer und der Wirt hatte absolut nichts zu tun. Er gähnte bloß gelangweilt vor sich hin.

Aber was zählte war, dass sie ihre Ruhe hatte. Sie zog einen der hohen, hölzernen Hocker zurück und nahm an der Theke platz. Ein rothaariger Mann mit vollem Bart und buschigen Augenbrauen fragte: „Was kann ich ihnen Gutes tun?“

Aziza deutete mit ihrem Zeigefinger auf die kleine Tafel, auf welcher mit Kreide die verschiedenen Angebote aufgeschrieben worden waren und sprach: „Einmal das Gebräu der Götter.“ Der Mann fragte stirnrunzelnd: „Gebräu der Götter? Aber das ist für zehn Mann gedacht.“

Aziza kramte ihre Pfeife aus ihrer schwarzen Bauchtasche, blickte den Mann genervt an und fragte: „Habe ich etwa gestottert?“ Der Mann hob abweisend die Hände an und begann die Getränke vorzubereiten: „Nein. Habe verstanden.“

Aziza seufzte gereizt und entschuldigte sich sofort: „Tut mir leid. Ich wollte sie nicht so anfahren.“ Der Mann nickte verständnisvoll und fragte: „Harter Tag?“ Aziza atmete kopfschüttelnd aus und hauchte: „Harter Tag, Harter Monat, Hartes Jahr. Alles. Aber ich will nicht darüber reden. Trotzdem vielen Dank.“

Der Wirt nickte verständnisvoll und beließ es dabei. Nach ein paar Minuten platzierte er das lang ersehnte Tablett mit dem Alkohol vor ihr, woraufhin eine blasse Hand ein paar Sonnentaler auf die Theke warf und sprach: „Das geht auf mich. Und packen sie noch ein großes Bier dazu.“

Der Wirt nickte und machte sich daran ein großes Bier einzuschenken. Aziza musterte den Weißhaarigen skeptisch und fragte: „Was wird das?“ Yoongi nahm auf dem Hocker zu Azizas Rechten platz und entgegnete: „Ich leiste dir ein wenig Gesellschaft.“

Aziza wandte ihren Blick ab und schüttelte genervt den Kopf. Wieso hatte dieser alkoholisierte Bärtige es bloß über den ganzen Marktplatz gebrüllt? Sie hatte auf solche Lustmolche wirklich keine Lust. Zuviel war zu viel!

Sie blickte Yoongi an und knurrte: „Ich kann für meine Getränke selber zahlen. Ist es weil dieser Widerling mich als Dorfhure betitelt hat? Denkst du, weil ich wechselnde Partner habe, bin ich jetzt einfach zu haben?“ Sie funkelte den Weißhaarigen feindselig an.

Yoongi erwiderte unbeeindruckt: „Nein, nichts dergleichen. Ehrlich gesagt könnte mir so etwas nicht egaler sein. Aber ich dachte ich leiste dir lieber etwas Gesellschaft.“ Der Weißhaarige deutete mit seinem Kopf nach links.

Aziza folgte seinem Blick zur gegenüberliegenden Straßenseite. Dort machte sie die vier Gestalten aus, welche sie zuvor auf dem Marktplatz belästigt hatten. Ach so. Yoongi fügte hinzu: „Sobald diese Gestalten verschwinden, werde ich das auch tun. Und dann hast du deine Ruhe. Aber bis dahin bleibe ich lieber hier. Das scheint mir am sichersten.“

Die Schwarzhaarige verstand nun, weshalb er sich zu ihr gesetzt hatte. Sie waren ihr gefolgt. Nun kam sie sich wieder wie die letzte Idiotin vor. Sie fuhr gerade wirklich jeden um sich herum harsch an.

Book Of Ptah [BTS EGYPTIAN MYTH AU] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt