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|Taehyung|

Jungkook sah mich an, prägte sich jedes Detail meines Gesichts ein und setzte die Bleistiftmine auf das Papier. Das wiederholte er immer und immer wieder, während ich still dasaß.

Sein intensiver und ruhiger Blick lag ganz auf mir, dass ich das Gefühl hatte, er würde mir tief in die Seele sehen. Es war seltsam, von ihm so genau beobachtet zu werden.

,,Ich bin fertig", sagte Jungkook mach langer Zeit. Ich ließ mich nach hinten auf das weiche Gras fallen und atmete aus. Es war eine Herausforderung gewesen, sich nicht zu bewegen und dabei Jungkooks Blicke auf meinem Körper zu spüren.

Als er meine Augen gezeichnet hatte, hatte er sie angesehen. Wir hatten Augenkontakt gehalten, auch wenn ich am liebsten weggesehen hätte, um meine roten Wangen vor ihm zu verbergen. Jungkook musste sie bemerkt haben - er hatte mich angelächelt.

,,Darf ich es sehen?", fragte ich neugierig und setzte mich wieder hin. Ich wollte wissen, wie Jungkook mich gezeichnet hatte. Gleich darauf bekam ich das Skizzenbuch in meine Hand. ,,Es ist fast so, als würde ich in einen Spiegel blicken, Jungkook", sagte ich erstaunt.

Das war das erste Mal, dass mich jemand gezeichnet hatte.

,,Spiegel?", hakte Jungkook verwirrt nach. ,,Habt ihr im Wald überhaupt Spiegel?", fragte der Schwarzhaarige und wechselte somit das Thema. Ich ließ das Skizzenbuch nach wie vor geöffnet auf meinem Schoß liegen.

,,Es gibt eine Stelle am Waldrand, bei der die Menschen ihre Gegenstände einfach so entsorgen. Früher haben ein paar Männer und Frauen aus unserem Dorf den Wald verlassen, um sich die Dinge, die die Menschen einfach so weggeworfen haben, anzusehen und mitzubringen", erklärte ich.

,,Früher?"

Ich schluckte hart und blickte auf meinen Schoß. ,,Als ich noch ganz klein war, kamen die Frauen und Männer, die das Dorf verlassen haben, nicht mehr wieder. Sie wurden von Menschen getötet", erklärte ich.

,,Das... tut mir leid, Tae", hauchte Jungkook. Ein kleines Lächeln bildete sich auf meinen Lippen, als Jungkook meinen Spitznamen nannte. Mir gefiel es, wenn er das tat. ,,Schon gut", erwiderte ich und schaute meinen Gegenüber wieder an.

Ich legte das Skizzenbuch auf das Gras und griff nach der Packung mit den Süßigkeiten. Jungkook hatte gesagt, dass diese bunten Figuren Gummibärchen hießen. Er selbst mochte sie nicht so gerne.

,,Wie findest du das Porträt von dir?", fragte Jungkook. ,,Es ist sehr schön geworden. ,,Das freut mich." Und mich freute es, wie glücklich er darüber war. Wie sehr er lächelte und mich dabei ansah. ,,Ich würde dich gerne öfter zeichnen."

,,D-Das kannst du gerne tun."

Es dauerte nicht lange, bis die Sonne den Horizont küsste. Ich erhob mich vom Boden. ,,Ich muss so langsam los, sonst wundert sich meine Großmutter, wo ich bleibe", erklärte ich. Jungkook sah mich stumm an, bevor er vorsichtig sprach: ,,Was ist mit deinen Eltern?"

,,Sie leben nicht mehr."

,,Sie wurden von Menschen-"

,,Ja."

Jungkook senkte seinen Blick und ich wurde das Gefühl nicht los, dass er sich schuldig fühlte. Er war ein Mensch und ich ein Waldwesen. Meine Eltern wurden von Menschen getötet. Nur eine einzige Berührung hatte ausgereicht, um ihre Körper aus dieser Welt zu tragen.

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