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Oh Mann...worauf habe ich mich hier bloß eingelassen? Am Abend sitzen wir schließlich doch alle zusammen (auch Minna) und sehen der Flasche zu, wie sie sich langsam zu drehen beginnt. Als sie anhält, ist sie auf Caroline gerichtet, die sofort Pflicht nimmt. Egon meint, sie solle irgendwas Blödes aus dem Fenster rufen, was es ist habe ich nicht mitbekommen.
Aber natürlich macht Caro, was von ihr verlangt wird und während sie sich aus dem Fenster beugt, kann man fast ihren Arsch sehen, so kurz ist ihr Rock.
Dann geht es weiter: Sven muss was vom Wodka trinken (was für ihn kein Problem zu sein scheint), Christian erklärt, wie er letztens unsere Wirtschaftslehrerin verascht hat. Natürlich haben alle mitbekommen, dass da was lief, aber was es genau war, kann niemand sagen.
Noch waren weder Sophie, noch Maureen, noch Minna oder ich dran. Zum Glück.
Hermine gibt zu, dass sie zwar schon fast zwei Jahre mit ihrem Freund zusammen ist, jedoch noch nie mit ihm geschlafen hat...

Als nächstes zeigt die Flasche auf mich und ich nehme Wahrheit, da Pflicht einfach scheiße ist.
Hermine tauscht einen Blick mit Caro, sieht dann zu Egon, der ihr nur zunickt.
Was hat das zu bedeuten?
"Vorab Ally, du bist mit Minna die Einzige, die sich kaum in der Klasse einbringt."
Die anderen nicken und mein Magen dreht sich um.
"Ja, und?", frage ich, denn ich hoffe nicht, dass ich jetzt die Gründe erklären muss, warum ich gewisse Leute nicht ausstehen kann.
"Was ist dein Problem mit uns?", will Hermine wissen und ich runzle die Stirn.
"Was?", frage ich spöttisch, ein Lachen überkommt meine Lippen.
"Okay, anders gesagt", ihr Blick ist fies.
"Was stimmt nicht mit dir?"
"Hey Hermine, was soll das?", fragt Timo und Sandro fügt hinzu: "Lass sie doch machen, was sie will!"
Dankend lächle ich die beiden an, doch keiner erwidert meinen Blick.
Dann schlucke ich und wähle meine Worte bewusst: "Ehrlich gesagt, habe ich überhaupt kein Problem mit euch und ich will auch keins, deswegen halte ich mich zurück."
Ich spüre wie Minna mich ansieht, bin aber nicht stark genug, hinzusehen. Stattdessen fordere ich Hermine mit Blicken heraus.
Ich höre Caroline lachen und schnaufe genervt...
Auf einmal wird mit alles zu viel. Ich hatte die ganze Mobbinggeschichte schon einmal durch und nochmal ertrage ich das nicht. Ich werde nicht zulassen, dass mich nochmal jemand dermaßen runtermacht so wie gewisse andere Leute in meiner Vergangenheit...

Seit meiner Antwort ist es still im Raum und ich bemerke, wie die Blicke der anderen zwischen Caroline und mir hin und her wandern. Irgendwann reicht mir die Stille und ich stehe auf und mache mich aus dem Staub. Sophie fragt mich, ob sie mitkommen soll, als ich an ihr vorbeilaufe, aber ich schüttele den Kopf, bedanke mich aber bei ihr.
Ich laufe aus dem Haus raus und gehe auf eine der Sitzgruppen im Hof zu. Dort angekommen, bin ich für die schwache Beleuchtung, durch die kleinen Lampen am Boden dankbar.
Und dann bin ich allein.
Das Gefühl in mir ist komisch. Mein Herz will weinen, aber mein Kopf sagt mir, dass ich stärker als damals bin, dass ich mich selber liebe und mir die Meinung anderer egal ist. Und dann weine ich doch, nicht weil mir Caro's Bemerkung zugesetzt hat, nein, weil ich so dumm war und mich doch dazu überreden habe lassen mitzuspielen.
Es ist immer noch ziemlich frisch hier draußen und ich bin froh, noch immer meinen Pulli anzuhaben.
Auf einmal höre ich es im Gras rascheln, bin aber zu schlapp, um mich umzudrehen.
"Hey, alles okay bei dir?", diese Stimme...mein Herz beschleunigt sich mit einem Mal und für einen kurzen Moment sind alle Sorgen vergessen.
Ich schniefe, antworte aber: "Geht schon."
Minna setzt sich neben mich und ich sehe zu ihr auf. Sie bemerkt die Tränen in meinen Augen und sagt: "Sicher? Denn du siehst nicht so aus."
Ich zucke mit den Schultern.
Nach einer Weile beginne ich zu reden.
"Dieses ganze Außenseiterding...das, das habe ich alles schon mal durch. Beziehungsweise bin ich nur so, weil mir da nichts passieren kann...", gestehe ich und werde mit jedem Wort leiser.
Minna sieht mich verständnisvoll an und ich erzähle ihr die ganze Geschichte.

"An sich bin ich vollkommen zufrieden mit mir, aber in solchen Momenten da...da kommen dann eben Zweifel."
Ich schniefe.
Es ist das erste Mal, dass ich überhaupt mit jemandem darüber rede. Das es Minna ist, macht die Sache irgendwie komisch.
"Weißt du...", sie lacht verlegen, "...ich würde dir ja sagen, dass du nicht darauf hören sollst, was die anderen sagen. Aber das hast du ja schon selbst gesagt. Und weißt du was?"
Ich sehe sie fragend an.
"Auch wenn du vielleicht doch nicht so stark bist...auf andere wirkst du mega selbstbewusst. Als ich dich das erste Mal gesehen habe, da...da hattest du zwar ein schlichtes, weißes Top und eine schwarze Jeans an, aber mit deiner pinken Jacke hast du sicherlich die ganze Aufmerksamkeit auf dich gezogen. Natürlich sind das Äußerlichkeiten aber das du dein Ding durchziehst, zeigt doch, wie stark du wirklich bist."
Minna lächelt mir aufmunternd zu und ich bin kurz davor, ihr zu gestehen, was ich fühle, lasse es dann aber doch.
"Danke", sage ich nur lächelnd und hebe meine Arme fragend, ob ich Minna umarmen darf. Sie breitet auch ihre aus und als mein Kopf auf ihrer Schulter liegt, atme ich den süßen Vanilleduft, der sie stets umgibt, ein.
Als wir uns wieder voneinander lösen, sagt sie: "Wenn du...also...wenn du mal jemanden zum Quatschen brauchst, dann bin ich gerne für dich da. Also bei egal was."
Ich nicke: "Danke."
Unsere Blicke treffen sich und ich wünschte, der Moment würde nie zu ende gehen.
Doch natürlich öffnet sich genau in dem Moment ein Fenster und wir sehen hoch.
"Ally, Minna, was macht ihr denn da?", fragt Maureen und winkt uns zu sich hoch.
Minna und ich sehen uns kurz an, dann nicken wir und gehen wieder rein.
Das Gefühl in mir ist schön. Ich fühle mich irgendwie federleicht. Dank Minna...

What We Could BeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt