23.

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Der Schultag war echt anstrengend und ich bin echt froh, dass er endlich zuende ist. Schweigend begleite ich Minna zum Bahnhof, so wie die letzten Tage auch schon.
Zum Glück sind wir alleine und es rennen keine kreischenden Grundschüler um uns herum.
"Du weißt schon, dass du das nicht machen musst", sagt sie und ich zucke nur mit den Schultern.
"Ich mache es aber gern."
Sie lächelt und das wärmt mir das Herz.
Dann schweigen wir. Ich sehe auf die Uhr und stelle fest, dass Minnas Zug erst in einer halben Stunde kommt.
Unsere Lehrerin hat uns heute eher gehen lassen und trotz der Kälte draußen, stehen Minna und ich jetzt hier am Bahnsteig.
Auf einmal bemerke ich, wie sie anfängt nervös mit ihren Fingern zu spielen und ich sehe zu ihr hoch.
"Alles in Ordnung?", frage ich und hoffe auf ein Ja.
"Ich...ja...aber...", sie stockt und sieht sich um. Wir sind alleine, jedoch zögert Minna kurz.
"Ich habe nachgedacht."
Erstaunt ziehe ich die Augenbrauen in die Höhe.
"Über was?", frage ich vorsichtig, dabei weiß ich es schon längst.
"Über uns...was sonst?", sie verdreht lächelnd die Augen, da es ja eigentlich klar ist.
Ich nicke und frage zögernd: "Und zu welchem Schluss bist du gekommen?"
Mein Herz klopft so stark, dass ich es in jedem Teil meines Körpers spüre.
"Ich...", Minna zögert, "...ich wäre gerne deine Freundin. Also...so...nicht bloß freundschaftlich..."
Ein unsicheres Lächeln liegt auf ihren Lippen und ich muss erstmal verarbeiten, was sie gesagt hat.
Minna will mit mir zusammen sein.
Oh.Mein.Gott.
Yes.
Ich strahle sie an und falle ihr schließlich um den Hals.
Vorsichtig tippt Minna mir mit der Hand auf die Schultern und ich lasse sie wieder los.
"Aber können wir...können wir das erstmal für uns behalten. Ich...ich weiß nicht so recht, wie die anderen darauf reagieren würden."
Mit den anderen meint sie natürlich unsere Klassenkameraden und ich nicke.
"Kein Problem. Ich bin auch dafür es erstmal nicht an die große Glocke zu hängen. Das hat Zeit."
Minna nickt zustimmend und ich grinse immer noch wie blöd.
"Aber äh...", beginne ich, als mir meine Familie einfällt.
Minna sieht mich fragend an und ich lache verlegen.
"Meine Family weiß Bescheid", sage ich schulterzuckend und sie reißt die Augen auf.
"Du hast...du hast denen von uns...", sie deutet zwischen uns hin und her, "...erzählt?"
Ich wiege den Kopf zur Seite: "Nicht so ganz. Also ich habe denen gesagt, dass ich bisexuell bin und da sie schließlich nicht strohdoof sind, konnten sie eins und eins zusammenzählen."
Minna sieht mich unsicher an und nur Sekunden später kommt ihr Zug und so können wir nicht weiterreden, sondern umarmen uns nur zum Abschied.
"Tschüss", flüstere ich und Minna winkt mir zu, als sie einsteigt.
Ich beobachte noch, wie sie sich einen Platz sucht und drehe dann um, um nach Hause zu gehen.

Mein Herz beruhigt sich gerade ein wenig, als ich zu Hause ankomme. Zum Glück ist es noch sehr früh und so bin ich noch eine Weile allein...
Dachte ich zumindest. Aber als ich die Wohnungstür aufschließe, höre ich das Radio laufen. Ich lege meine Sachen ab und schaue zur Küchentür rein. Dort steht meine Mutter und hat mich nicht bemerkt oder sie ignoriert mich. Ich nehme mir aus dem Schrank ein Glas, welches ich mit Saft fülle und lasse mich dann auf meinem Platz nieder.
Auf dem Tisch stehen Nudeln und Bolognese und ich will mir schon was auf den Teller tun, da nimmt meine Mom mir die Kelle aus der Hand und sagt: "Wir warten noch auf deinen Bruder."
Ich schnaufe und hoffe, dass sich ihre Stimmung noch verbessert. So ist sie ja nicht auszuhalten.
Zum Glück warten wir nur knapp fünf Minuten, ehe ich Alex im Treppenhaus höre.
Irgendwann haben wir es geschafft und können uns endlich zum Essen am Tisch niederlassen.
Meine Mom hört auf, mich missbilligend anzusehen, als Alex sie in ein Gespräch verwickelt, wofür ich ihm unendlich dankbar bin.

Als wir fertig sind, verlässt Mom die Küche, ohne einen Ton zu sagen und Alex sieht mich verwundert an.
"Okay, was hast du getan?", will er wissen und sein Blick ist eindeutig verwirrt.
Ich schnaufe.
Während ich das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine stecke, sage ich: "Du erinnerst dich doch sicher noch an die Sache?"
Alex lacht: "Ally, bei dir gibt es viele Sachen."
Ich verdrehe die Augen.
"Die Sache mit den Mädchen."
"Mädchen?"
Mann, stellt der sich blöd an.
"Ja, die Sache, dass ich bi bin. Stell' dich nicht so an", raune ich und knuffe ihn in den Oberarm. Er nickt.
"Ach, die Sache."
Ich nicke.
"Ich hab's ihnen gesagt."
Alex starrt mich mit offenem Mund an und wieder nicke ich.
"Deswegen ist sie so angepisst?"
Nochmal nicke ich nur.
"Puh", Alex fährt sich mit der Hand durch die Haare und schnauft.
"Was hat Dad dazu gesagt? Ist der jetzt auch so drauf?", fragt er und ich muss schmunzeln.
"Der hat es eindeutig besser aufgenommen."
Alex nickt und ich überlege, ob ich ihm von Minna und mir erzählen soll. Doch dann fällt mir ein, dass wir das ja vorerst niemandem sagen wollen.
"Crazy", sagt Alex nur und verlässt die Küche. Der Tisch ist jetzt zum Glück abgeräumt und ich kann auch verschwinden.

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