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Ein lautes Klirren riss mich aus dem Schlaf.

Durch meine Tür hörte ich das raue Brummen meines Bruders. Mein Bett knarzte als ich mich aufsetzte. Ein Wunder, dass dieses alte Teil nicht schon längst unter mir zusammen gebrochen ist.

Ich stand auf und schlüpfte schnell in meine schwarze Jeans und zog mir einen weiten Pullover über. Der Spiegel zeigte mir ein blasses Mädchen mit strubbeligen braunen Haaren. Ihre blauen Augen starrten mich skeptisch an, während ich versuchte meine Haare zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zu bändigen.

Als ich in die Küche kam grinste mich mein Bruder an. „Guten Morgen Schwesterchen." Seine blonden Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab. Die dunklen Ringe unter seinen grauen Augen wurden durch seine blasse Haut nur noch mehr betont. Durch seine schlanke Statur wirkte er fast zerbrechlich. Wäre da nicht dieses schelmische Grinsen in seinem Gesicht.

„Morgen" Meine Stimme klang wie Sandpapier. Es war definitiv noch zu früh für mich.

Ich ließ mich auf den Stuhl gegenüber von Elias fallen. Dieser warf mir ein Brötchen zu. „Wann musst du heute los?" Ich sah ihn fragend an, während ich das Nutella aufschraubte und großzügig auf meinem Brötchen verteilte.

Auf einmal sah er gedankenverloren aus. „Maja und ich treffen uns in einer Stunde. Die Prüfung beginnt in anderthalb." Ich warf ihm einen prüfenden Blick zu.

Mein Bruder studierte Medizin im 5. Semester und heute begann seine Prüfungsphase. Elias war schon immer sehr ehrgeizig, das hatte er von unserem Vater.

Immer wenn ich an unsere Eltern dachte machte sich dieser altbekannte schmerzvolle Druck auf auf meinem Brustkorb bemerkbar. Schnell schob ich die düsteren Gedanken weg, bevor sie mich in ein dunkles Loch ziehen konnten aus dem ich so schnell nicht mehr herauskommen würde.

„Sehr aufgeregt?", fragte ich schnell. Elias seufzte. „Das ist noch untertrieben. Ich drehe innerlich halb durch, Emma. Ich hab kaum ein Auge zu bekommen."

Eine tiefe Furche bildete sich auf seiner Stirn. Der Wunsch meinen Bruder in den Arm zu nehmen überkam mich mit so einer Intensität, dass es mir fast die Luft aus den Lungen presste.

Ich schlang meine Arme um ihn und drückte meinen Kopf gegen sein Schlüsselbein. Elias saß da wie ein Stock. Mit so viel Zuneigung konnte er noch nie gut umgehen. Seine steife Reaktion brachte mich zum Grinsen. Mein Bruder tätschelte mir kurz unbeholfen den Kopf, bevor er mich wegschob.

„Und du? Dein Sporttest ist heute." Ich verdrehte die Augen. „Danke für die Erinnerung, ich weiß. Schon ein bisschen. Ich möchte mir gar nicht vorstellen was passiert, wenn ich nicht bestehe.", sagte ich und fühlte mich plötzlich hellwach.

Das Polizeistudium war mir enorm wichtig. Es war schon immer mein Traum irgendwann in einer Spezialeinheit zu arbeiten. Ich weiß, ungewöhnlich für ein Mädchen, doch so war ich schon immer. Ich hatte keinen Plan B für den Fall, dass ich nicht angenommen werden würde.

Mein Bruder sah mich mit so viel Wärme an, dass ich wegschauen musste. „Du musst dir keine Sorgen machen Emma. Wenn jemand diesen Test schafft, dann du." Elias warf einen Blick auf seine Uhr. „Na dann, ich werde mich mal duschen gehen und mit viel zu viel Parfum eindieseln."

Mein großer Bruder fuhr sich durch die Haare. Das machte er immer wenn er aufgeregt war. „Tu das", sagte ich lächelnd und nahm einen großen Bissen meines Schokobrötchens.

Elias stand auf, warf mir noch kurz einen letzten Blick zu und verschwand dann aus der Küche. Nachdem ich aufgegessen hatte, wusch ich ab und sagte mir innerlich tausende Male, dass ich heute bestehen würde bis ich es irgendwann selber glaubte.

Das Ringen unserer Türklingel riss mich aus meinen Gedanken. „Maja ist da!", rief ich über die Schulter, während ich unsere Haustür öffnete. Das hübsche blonde Mädchen begrüßte mich mit einem breiten Lächeln im Gesicht und schloss mich in eine kurze Umarmung.

Ihr typischer zarter Rosenduft umhüllte mich. Maja ist der personifizierte Frühling. Ich drückte kurz ihre Schulter bevor ich sie hereinwinkte. „Hey, schön dich zu sehen.", sagte ich strahlend. Elias und Maja waren mittlerweile schon 3 Jahre zusammen und mit Abstand das süßeste Paar, was ich kannte.

Maja musste man einfach gern haben. Ihre goldenen Haare waren schulterlang und umspielten in großen Locken ihr zartes Gesicht. Die niedlichen Sommersprossen auf ihrer Nase kräuselten sich mit jedem Lächeln und ihre Augenfarbe erinnerte an Bernstein.

Elias hastete zu uns, während er die letzten Knöpfe seines hellblauen Hemdes schloss. Als er Maja neben mir entdeckte, konnte ich die Liebe in seinem Blick förmlich spüren. „Schön, dass du da bist.", raunte er und drückte ihr einen kurzen Kuss auf die Lippen.

Seine Freundin strich liebevoll den Stoff seines Hemdes glatt. Die beiden sahen sich immer noch genau auf die gleiche Art und Weise an, wie beim ersten Kennenlernen in der Vorlesung von Professor Smith. „Immer gern. Mir rutscht das Herz in die Hose beim Gedanken an die Klausur heute."
Majas Lippen waren zu einer harten Linie zusammengepresst. Der harte Ausdruck der Blondine stand im kompletten Gegensatz zu ihrer zarten Erscheinung.

„Also dann, ihr schafft das schon. Ich wünsche euch viel Erfolg.", sagte ich und lächelte den beiden zu. „Danke Emma! Und dir wünsche ich einfach nur viel Spaß, Erfolg wirst du bei deiner Aufnahmeprüfung heute sowieso haben.", antwortete Maja und drückte kurz meine Hand. „Also dann, wir müssen los. Das Letzte, was ich gebrauchen kann ist, dass wir auch noch zu spät kommen.", merkte Elias an und schob seine Freundin sanft aus der Wohnung.

„Ich drück dir ganz fest die Daumen, Schwesterchen. Ich ruf dich nachher an." Mein großer Bruder winkte mir noch einmal knapp über die Schulter zu, während er und Maja in den kleinen heruntergekommenen Polo, der in unserer Einfahrt stand, einstiegen.

Nachdem die Motorgeräusche außer Hörweite waren, ging ich ins Bad und versuchte mich so gut es ging herzurichten, um einen möglichst seriösen Eindruck bei den Prüfern zu hinterlassen. Heute musste alles perfekt sein.

Zufrieden betrachtete ich mein Werk im Spiegel. Meine lange braune Mähne war zu einem ordentlichen Dutt zusammengebunden, meine Iris wirkte noch blauer durch die langen, getuschten Wimpern, die meine Augen umrahmten und das samtige weiße Sportoberteil für das ich mich entschieden hatte, schmiegte sich seidig leicht an meine Haut. Ich war bereit.

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