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Emma

Mein Vater hat früher immer gesagt: 
"Ist das Vertrauen erst einmal verletzt, kann selbst das ehrlichste Wort in dir Zweifel auslösen."
Wie recht er doch hatte. 
Auf dieser Welt existierte nichts Aufrichtigeres, als die Liebe, die ich für Alex empfand und doch konnte er mir nicht glauben. 
Frustriert ließ ich mich auf mein Bett sinken.  
Der Gedanke an Alex führte mich an einen dunklen Ort voller Trauer, Hilflosigkeit und Enttäuschung. Ich wollte einfach nicht glauben, dass ich ihn wirklich verloren hatte.
Außerdem war ich sauer, dass ich seine Worte selbst in meinen Träumen nicht hatte vergessen können. Sie hatten sich förmlich in mein Gedächtnis und meinen ganzen Körper eingebrannt.
"You, you love it how I move you..." Ariana Grandes Stimme durchbrach die Stille.
Ein Bild von Rosi flackerte auf meinem Handydisplay auf.
Seufzend griff ich nach dem schrecklich nervtötenden Gerät und tippte auf den grünen Hörer.
"Hey, schön von dir zu hören, Rosinchen. Wie geht's?"
"Hallöchen Em. Mir geht's super. Gerade sitze ich am Küchentisch, esse den besten Zupfkuchen auf der Welt und gucke mir dabei einen riesigen Strauß Rosen an, den ich von Markus bekommen habe. Er ist so ein Schatz." Ich konnte die Herzen in ihren Augen förmlich vor mir sehen. So sehr ich versuchte mich für Rosi zu freuen, konnte ich dennoch nicht leugnen, dass ich sie beneidete. Ich ignorierte das Stechen in meiner Brust und versuchte zu lächeln.
"Oh, wie schön. Er hat ja auch den besten Fang gemacht."
Rosi kicherte aufgeregt und wirkte dabei so glücklich, dass der kalte Klumpen, der mal mein Herz war ein paar Grad wärmer wurde. 
"Oh ja, das hat er. Wir wollen übermorgen spontan nach Kroatien fliegen. Für ganze 2 Wochen! Wir haben da so ein Last-Minute-Hotel gefunden. Oh mein Gott, ich freue mich so sehr!"
Ich war froh, dass Rosi mal ein bisschen abschalten konnte und Markus war wirklich ein netter Kerl. Die beiden machten sich glücklich. 

Alle schaffen es mit der Person zusammen zu sein, die sie lieben außer du! Sieh sie dir an: Maja und Elias; Rosi und Markus... sie sind glücklich! Sie haben sich nicht so extrem daneben benommen, dass der andere jetzt nichts mehr mit ihnen zu tun haben möchte. Warum musst du so eine Person sein, die immer alles Gute zerstört?
Die fiese Stimme in meinem Kopf wollte mich einfach nicht in Ruhe lassen. Überall musste sie ihren Senf dazu geben. Wer mochte überhaupt Senf? Senf war ekelig. Ich war Team Ketchup und das hatte ganz klare Gründe.
Ich versuchte den Schmerz in meiner Brust, nein in meinem ganzen Körper, wegzuatmen.
Nach ein paar Sekunden hatte ich mich wieder gefangen.
"Das hast du dir verdient. Du arbeitest echt zu viel. Ich bin froh, dass Markus dich mal dazu zwingt eine Pause zu machen. Das wird sicherlich toll."
"Apropos viel arbeiten, du klingst fertig. Geht's dir gut?"
Natürlich merkte meine beste Freundin sofort, dass etwas nicht stimmte. Keine Ahnung, wie sie das immer anstellte.
Ich holte tief Luft und sammelte mich. Dann brach alles unkontrolliert aus mir heraus. 
Es fühlte sich an, als hätte ich die ganze Zeit unter Strom gestanden, der sich nun auf einen Schlag entlud. 
"Scheiße, Emma.", murmelte Rosi nachdem ich ihr alles im kleinsten Detail über das Gespräch mit Alex erzählt hatte. 
Ich rutschte unruhig auf der Bettkante hin und her und schluckte mühsam den Kloß in meinem Hals herunter.
"Ich hab das alles nur mir selbst zu verdanken.", fing ich nach einer Weile an. Meine Stimme klang rau und zu leise, aber etwas anderes bekam ich gerade nicht zustande.
"Dass Alex mich nicht mehr will, ist allein meine Schuld. Ich habe ihn für immer verloren. Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich gerade selbst hasse."
"Und jetzt nimmst du das einfach so hin oder was? Gibst auf, als wäre es Nichts? Das ist nicht die Emma, die ich kenne."
Bei ihren Worten zuckte ich zusammen. Dann spürte ich, wie das unheilvolle Brennen zurück in meine Augen trat.
"Was soll ich denn bitte deiner Meinung nach tun? Ich habe ihm meine Liebe gestanden, aber er kann mir einfach nicht glauben. Es ist zu spät. Alex hat es mir ins Gesicht gesagt, Rosi. Du hast seinen Blick nicht gesehen. Er hat kein Vertrauen mehr in mich."
Meine Stimme zitterte und ich wischte mir über die Augen.
"Dann beweis es ihm verdammt nochmal. Ihr seid füreinander bestimmt. Das hast du doch selbst gesagt. Du hast das nicht alles durchgemacht um jetzt aufzugeben."
Die Entschlossenheit in ihrer Stimme setzte die Scherben meiner zerbrochenen Hoffnung Stück für Stück wieder zusammen.  
"Aber stell dir mal vor Markus hätte das getan, was ich getan habe.", erwiderte ich rau. 
Rosi schnalzte abwertend mit der Zunge.
"Ja und? Sowas kann passieren. Niemand ist perfekt. Nicht er. Nicht ich. Nicht du. Das wichtige ist, dass die Liebe echt ist und man versucht für den anderen jeden Tag die beste Version seiner Selbst zu sein. Fehler werden immer passieren, aber eine so intensive emotionale Verbindung ist etwas Besonderes. Zeig ihm, wie sehr du ihn liebst. Beweis ihm, dass du es ernst meinst!"
Eine Gänsehaut hatte sich über meinen ganzen Körper ausgebreitet.
Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Sie hatte völlig Recht.
Ich hatte nichts getan um ihm meine Liebe wirklich zu beweisen.
Meine Hoffnung stieg wie ein Phoenix aus der Asche.
Die ganze Zeit hatte ich Alex abgewiesen und jetzt, da er das Gleiche tat, steckte ich direkt den Kopf in den Sand? Oh nein! Auf keinen Fall!
Ich liebte diesen Menschen so sehr, dass es mich fast umbrachte.
Ich war es uns schuldig für eine gemeinsame Zukunft zu kämpfen.  
Auch wenn das meinen endgültigen Untergang bedeuten sollte. 
"Du hast Recht. Oh Gott, danke. Den Arschtritt habe ich gebraucht."
"Sag ich doch." Ich konnte das süffisante Grinsen meiner besten Freundin bildlich vor mir sehen.
Aber wie bewies man überhaupt seine aufrichtigen Gefühle für jemanden?
Die aufsteigende Euphorie erhielt einen kleine Dämpfer.
Ich hatte sowas noch nie gemacht.
Wie überzeugte man einen anderen Menschen davon, dass man ihn liebte?
"Da gibt es nur noch ein kleines Problem.", murmelte ich. "Ich habe ihm persönlich und so offen, wie nie meine Gefühle gestanden und es hat nicht das Geringste bewirkt. Alex lässt mich gar nicht an sich ran. Wie soll ich es denn schaffen, dass er mir wirklich glaubt?" Ich seufzte. Mein Herz schmerzte bei der Erinnerung an sein distanziertes Verhalten.
Auf der anderen Seite der Leitung herrschte Schweigen.
Rosi schien genauso fieberhaft zu überlegen, wie ich. 
Es musste ein grandioser Liebesbeweis sein damit kein Zweifel an meinen Gefühlen blieb. Plötzlich keimte ein Gedanke in meinem Kopf auf.
"Oh. Mein. Gott. Ich glaube ich habe eine Idee."


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