"Weißt du was gestern mit Alex los war?" Nate versuchte krampfhaft seinen Tonfall beiläufig klingen zu lassen, und scheiterte. Na toll. Möglichst lässig zuckte ich mit den Schultern und murmelte "Keine Ahnung, er ist doch DEIN Bruder". Es war scheiße zu lügen, doch die Wahrheit war noch viel schlimmer. Seine Worte wollten mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen. "Ich habe eh keine Lust mehr zu spielen." Verdammter Alex! Ich wusste selbst nicht warum er so reagiert hatte - oder warum mich das alles so beschäftigte.
Gerade stellte ich die letzen Reste der Torte in den Kühlschrank. Vom ursprünlichen "Death Note"- Design war nicht mehr viel übrig. Mittlerweile starrte mich nur noch ein Bruchteil von Light Yagamis Kopf an. "Jetzt guck doch nicht so vorwurfsvoll. Ich habe dich schließlich nicht allein gegessen." Gut, zurückgehalten hatte ich mich auch nicht, aber wenn jemand diesen Blick verdient hätte, dann wäre es Maja und nicht ich. Bevor sich meine Konversation mit der Torte vertiefen konnte, schlug ich den Kühlschrank hastig zu und ging zurück ins Wohnzimmer.
"Endlich fertig. Ich hasse aufräumen. Nur einen Tag nach dem eigenen Geburtstag sollte sowas verboten sein." Mit einem Augenrollen ließ Nate sich auf das Sofa fallen und zog mich auf seinen Schoß. "Tut mir leid, du hast Recht mit dem was du über Alex gesagt hast. Er ist mein Bruder. Nur er hat dich so angesehen... und keine Ahnung. Ich verstehe ihn manchmal einfach nicht." Wem sagst du das. Seufzend ließ ich mich gegen Nates Brust sinken. "Ich weiß auch nicht warum er so früh gegangen ist, aber es hat sicherlich nichts mit dir zu tun. Er ist immerhin Einsatzleiter. Da kann immer mal etwas dazwischen kommen worüber er nicht reden darf." "Du bist Schuld!", schrie mein Unterbewusstsein und nur mit viel Mühe konnte ich das "Halt die Klappe", was mir bereits auf der Zunge lag, herunterschlucken.
"Stimmt." Nate schlang seine Arme um meine Taille und zog mich enger an sich. "Ich bin zur Zeit so glücklich, dass ich alles auf die Goldwaage lege. Es ist einfach zu schön um wahr zu sein." Seine Stimme klang gedämpft, da er sein Gesicht in meinen Haaren vergraben hatte. "Mach dir nicht so viele Gedanken.", antwortete ich leise und nahm mir in diesem Moment vor meinen Rat an Nate auch selbst zu befolgen.
"Das ist doch jetzt nicht dein Ernst?" Rosis schockierte Stimme dröhnte aus meinen Handylautsprechern. Vor ziemlich genau zwei Stunden hatten wir angefangen zu telefonieren. Als sie gefragt hatte, ob es mit Nate gut laufen würde, war alles aus mir herausgebrochen. Und mit alles meine ich wirklich ALLES. Während meines minutenlangen Monologes hatte ein kleiner Teil von mir gehofft, dass die plötzliche Stille auf der anderen Seite der Leitung einer fehlerhaften Verbindung geschuldet war (Die Franzosen sollen ja angeblich so viel streiken. Warum also nicht auch ihre Telefonanbieter?); wurde jedoch nur wenige Sekunden nach dem Ende meiner Erzählung eines Besseren belehrt. "Da lasse ich dich mal ein paar Wochen allein und schon verdrehst du zwei Brüdern die Köpfe. Ts ts ts, sehr unanständig!" Der amüsierte Unterton in Rosis Stimme war kaum zu überhören.
"Das ist nicht witzig!", quängelte ich und ließ mich rückwärts auf mein Bett plumpsen. "Sorry, du hast Recht. Also Em, das ist kein Grund jetzt durchzudrehen. Du hast nichts Verbotenes getan. Du wolltest es Nate sogar sagen, aber er wollte es nicht hören. Also entspann dich. Alles ist gut." Obwohl Rosi es eh nicht sehen konnte, schüttelte ich energisch den Kopf. "Vielleicht brauchst du einfach ein klärendes Gespräch um das mit Alex auch gedanklich abschließen zu können. Du solltest schnellstmöglich mit ihm reden. Dann könnt ihr beide die ganze Sache endgültig abhaken und du und Nate reitet gemeinsam in den Sonnenuntergang.", fuhr meine beste Freundin fort. "endgültig abhaken", die Worte formten einen unsichtbaren Dolch, der mich mitten ins Herz traf. Überwältigt von meinen eigenen Gefühlen, schloss ich für einen Moment meine Augen. Der Schmerz war nicht real. Der Dolch existierte nicht. Er war eingebildet, ein Hirngespinst meines masorchistischen Kopfes. Ein klarer Abschluss war das Richtige. Es gab keinen anderen Weg; das wusste ich besser als jeder andere.
"Du hast Recht. Ich rede mit ihm." Meine Stimme klang eigenartig hohl. "Sehr gut! Und jetzt hör auf Trübsal zu blasen. Sei lieber dankbar, dass du gestern die Chance hattest so geilen Kuchen zu essen, du Klops!"
Nachdem wir aufgelegt hatten schrieb ich eine Nachricht an Alex. Bisher bestand unser Chat allein aus Standorten und Uhrzeiten, die für unsere gemeinsamen Einsätze von Bedeutung gewesen waren. Mit klopfendem Herzen drückte ich auf 'Senden'. In Sekundenschnelle bildete sich die kleine, grüne Sprechblase: "Hi Alex, ich muss so schnell, wie möglich mit dir reden. Hast du heute Zeit?" Nach einer gefühlten Ewigkeit wurden aus einem Häkchen zwei. Eine weitere Stunde, in der ich immer wieder vergeblich auf das Display meines Handys starrte, verstrich. "Ping" Der leise Signalton ließ mich erschrocken über meinem Unterrichtsmaterial zusammenfahren. Hastig gab ich meinen Code ein und öffnete Alex' Chat: "Um 6 im Café Mélange." Ein ungutes Gefühl breitete sich in meiner Magenregion aus. Verdammt, jetzt musste ich es wirklich durchziehen.
Als ich eine Stunde später die Tür hinter mir ins Schloss fallen ließ, schrie mein Herz so laut, dass ich es kaum ertragen konnte. Die Stimme der Vernunft war jedoch lauter.
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Genetic
Teen FictionEmma Haydn hat einen Traum: Sie will unbedingt das berüchtigte Polizeistudium der Sonderklasse absolvieren. Auf ihrem Weg an die Spitze darf sie sich nicht ablenken lassen - schon gar nicht von ihrem neuen, unverschämt attraktiven Einsatzleiter. Un...