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Nate:

"Take me home, Country Roads" dröhnte in voller Lautstärke aus meinem Autoradio. 
"Jetzt bin ich in Urlaubsstimmung!", rief Emma grinsend und deutete im nächsten Moment begeistert aus dem Fenster. 
"Sieh dir mal die Aussicht an. Wow!" 
Der Anblick war wirklich unglaublich. Ich hatte bereits zuvor Bilder von der Clifton Suspension Bridge gesehen, doch jetzt, da wir wirklich selbst darauf fuhren, merkte ich erst wie verdammt hoch diese wirklich war. Der klare Flusslauf direkt unter uns und die dichten Wälder, welche das Gewässer säumten, waren lange nichts gegen den Ausblick, den wir nun auf ganz Bristol hatten. 
"Ich gebe zu, der Kurzausflug hierher war eine verflucht gute Idee.", sagte ich und konnte das Grinsen, was sich bei Emmas Anblick auf meine Lippen stahl, nicht unterdrücken.
Das Leuchten in ihren Augen raubte mir förmlich den Atem.
Daran würde ich mich wohl nie gewöhnen. 
In den letzten Wochen wirkte meine Freundin immer häufiger gedankenverloren. Ich wollte es zwar nicht zulassen, doch ihre ständige geistige Abwesenheit gab mir ein ungutes Gefühl. 
Woran dachte sie? Warum war sie so in ihren Gedanken gefangen? 
Mit Emmas Vorschlag einen romantischen Trip nach Bristol zu machen, verschwand der größte Teil meiner Sorgen wieder.  
Sie allein hatte diese Idee um ungestört Zeit mit mir zu verbringen.
Was wollte ich mehr? Wie viele Beweise brauchte ich noch?
Es ist alles okay bei uns. Ich muss diese dämlichen Verlustängste nur endlich loswerden.
Ich war schon so viele Jahre zuvor in Emma verliebt gewesen, während sie immer nur ihren besten Freund in mir gesehen hatte. Anscheinend kann ich unterbewusst immer noch nicht wirklich glauben, dass sie tatsächlich mich gewählt hat. Und zwar nicht nur als Freund.
Emma liebt mich.
Schon wieder brannte dieses dämliche Grinsen auf meinen Lippen, was ich einfach nicht abschütteln konnte. 

"Da vorne ist unsere Unterkunft."
 Emma deutete auf ein gelbliches Gebäude mit der Aufschrift "Mercure Bristol Brigstow Hotel". Keine 10 Minuten später betraten wir ein kleines, charmantes Zimmer, was für die nächste Nacht allein uns gehörte. 
"Keine schlechte Wahl, Em.", sagte ich anerkennend. 
"Ich weiß." Als sie sich von mir wegdrehte um das Zimmer genauer in Augenschein zu nehmen, schlang ich meine Arme um ihre Taille und warf sie aufs Bett. 
"Du Spinner!" Ihr Lachen klang unkontrolliert. So mochte ich es am Liebsten. 
Es war der wahre Grund, warum ich es so sehr liebte sie zu ärgern. 
"Das hättest du nicht sagen sollen.", erwiderte ich schmunzelnd. 
Im nächsten Moment sprang ich in das erstaunlich weiche Bett und landete auf meiner ächzenden Freundin. 
"Wie kann man nur so ein Fettklops sein?" Ihr vorwurfsvoller Ton ließ mein Grinsen nur noch breiter werden.
"Führst du Selbstgespräche?" Um Emma nicht weiter zu zerquetschen rollte ich mich halb auf die Seite und stütze mich über ihr ab. 
Das weiße Kissen war fast vollständig bedeckt von ihren langen, braunen Haaren.
Ein leichter Hauch Vanille stieg mir in die Nase. Das musste ihr neues Shampoo sein.
Wie von selbst blieb mein Blick an ihrem Mund hängen. 
Wie verdammt konnten Lippen so perfekt sein? 
Was machte sie nur mit mir? 
Allein bei der Vorstellung sie jetzt zu küssen jagten Tausend Stromstöße durch meinen Körper. Bevor ich mein Vorhaben in die Tat umsetzten konnte, setzte Emma sich jedoch hastig auf. 
"Gewöhn dich bloß nicht zu sehr ans Bett du Faulpelz. Ich habe für heute viel geplant."
Mit einem widerstrebenden Grummeln ließ ich sie aufstehen. 
Na toll. Von mir aus hätten wir auch den ganzen Tag in diesem viel zu weichen Bett verbringen können. 

Keine halbe Stunde später hatte Emma mich zu einem restaurierten Schiff aus dem Jahr 1845 gelotst, was nun als Museum diente. Ich wusste genau, wie langweilig sie sowas in Wahrheit fand. Ich hingegen liebte geschichtsträchtige Orte. Schon immer. Gegenden, die mich die Anwesenheit alter, ursprünglicher Seelen förmlichen spüren ließen, übten die größte Faszination auf mich aus. Dieses Schiff war so ein Ort.
"Em, das hättest du nicht machen müssen. Ich weiß, dass du dich langweilen wirst."
"Das stimmt doch gar nicht", protestierte meine Freundin sofort. "Ich möchte lernen mich auch ein bisschen mehr für deine Leidenschaften zu begeistern. Das ist übrigens die Brunel's SS Great Britain. Sie war mal das größte Passagierschiff der Welt."
Aus dem Nichts stieg plötzlich so viel Zuneigung in mir auf, dass mir ganz warm wurde. 
"Du bist wirklich unglaublich." Mit einem Ruck zog ich Emma an mich und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. 
"Ich weiß.", erwiderte sie strahlend. "Und jetzt lass uns endlich reingehen."
Die nächsten Stunden schlenderten wir durch riesige, prunkvolle Säle; kleine Kajüten und enge Schiffgänge, die von rostigen Rohren gesäumt waren. 
Die Masten an Deck erstreckten sich, wie Mammutbäume in den Himmel. 
Während sich vorrangig Kinder um das große, hölzerne Steuerrad tummelten, stellten wir uns lieber an die Reling und genossen die Aussicht.
Direkt unter uns befand sich die riesige Schiffsschraube, die nun schon seit Jahrhunderten stillstand. Das war ein Ort mit Zauber. Nur zu leicht hätte ich mich hier für viele weitere Stunden verlieren können, doch Emma hatte andere Pläne für uns. 

"Mist, schon so spät. Wir müssen los.", fluchte sie leise und zog mich im nächsten Moment bereits energisch hinter sich her. 
"Ähm, okay? Und wohin?"
Statt mir eine Antwort zu geben, führte sie mich zu einem, nur wenige Querstraßen entfernten, Gebäudekomplex mit der Beschilderung "Bristol Museum and Art Gallery". 
"Erst Geschichte und jetzt Kunst? Womit habe ich dich nur verdient?"
Ich sprach eher mit mir selbst, als mit Emma. Dennoch entging mir das niedliche Lächeln nicht, was sich bei meinen genuschelten Worten auf ihre Lippen stahl und mein Herz sofort schneller schlagen ließ. Sie machte mich verrückt. Wie war es möglich so schön zu sein? 
"Noch freust du dich. Aber warte ab bis du siehst wofür ich uns angemeldet habe." Mit diesen Worten zog Em mich in den Eingangssaal.
Jetzt hatte sie meine Neugierde geweckt. 
Überall standen weiße Leinwände und Farben. Erst im zweiten Moment bemerkte ich die ganzen Menschen, welche sich bereits paarweise pro Arbeitsplatz aufgeteilt hatten. 
"Ah, und somit sind wir vollständig." 
Von der anderen Seite des Saals erklang eine tiefe Stimme, gefolgt von einem enthusiastischen Klatschen. "Bitte stellt euch an den freien Malplatz. Sehr gut, jetzt da alle anwesend sind können wir beginnen. Wichtig ist, dass ihr euch alle entspannt. Es gibt hier kein Richtig und kein Falsch. Lasst euren Geist fließen und bringt alles, was ihr fühlt auf die weiße Leinwand vor euch. Malt miteinander, nicht gegeneinander. Legt los."

In welcher Sekte waren wir denn hier gelandet? Emma knuffte mich spielerisch in die Seite. 
"Jetzt guck nicht so skeptisch. Das ist Team-Painting. Wird sicherlich lustig. Ich ruiniere das Bild und du rettest es irgendwie." 
"Bei deinen Malkünsten könnte selbst Monet nicht mehr viel retten.", erwiderte ich grinsend und tunkte meinen Pinsel in die blaue Farbe. 
"Dann gib dir Mühe."
Und die gab ich mir tatsächlich. Erstaunlicherweise harmonierten wir künstlerisch besser als gedacht. Eine knappe Stunde später erstreckte sich ein Meer aus bunten Blumen auf der zuvor weißen Leinwand. Ich hatte bisher immer nur allein gemalt, doch dieses Bild zusammen mit Emma zu zeichnen hatte überraschenderweise sehr viel Spaß gemacht. 
Zeitweise musste ich so sehr lachen, dass mir bereits Tränen in die Augen schossen. 
"Sehr schöne Arbeit. Talentierte junge Menschen.", kommentierte der Veranstaltungsleiter unser Endprodukt. 

"Also ich finde da haben wir uns jetzt echt eine Belohnung verdient. Hast du auch so einen Hunger?"
Das "Ja" wurde von meinem knurrende Magen übertönt.
"Die Antwort war ja mal mehr als deutlich.", kicherte meine Freundin und brachte mich damit viel zu sehr aus der Fassung.
Mittlerweile war es schon lange dunkel. 
Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befand sich ein kleines Lokal namens "Wilsons Restaurant". Die hölzerne Einrichtung verlieh dem Gasthaus einen urigen Charme und der leckere Essensgeruch, der uns beim Betreten des Gebäudes entgegenschlug tat sein Übriges. 
"Ich bin dafür, dass wir hier essen.", sagten wir beide gleichzeitig. Perfekt.
Zufrieden setzte ich mich an einen der Tische.
"Tja, wir kennen uns schon so gut, dass wir langsam zu einer Person werden.", kommentierte Em, während sie in der Speisekarte herumblätterte. 

 Kurze Zeit später waren unsere Bäuche voll und die Teller leer. 
"Das war die beste Spinatlasagne, die ich je gegessen habe." Emmas Lächeln ließ ein aufgeregtes Kribbeln in mir aufsteigen. 
"Das war einer der besten Tage, die ich bisher erleben durfte." 
Die Worte hatten meine Lippen verlassen, bevor ich sie aufhalten konnte. Doch wahrer hätten sie nicht sein können. 
Als wir das Hotelzimmer betraten war es bereits 2:00 Uhr morgens.


 

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