Alex:
Sie trug eine schwarze Jeans und ein einfaches weißes T-Shirt. Emma hatte das Talent selbst in den schlichtesten Klamotten die komplette Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, inklusive meiner. Ich konnte nichts gegen das Lächeln tun, was sich bei ihrem Anblick in mein Gesicht stahl. Mittlerweile hatte ich mich fast an ihre Wirkung auf mich gewöhnt. Es war sinnlos dagegen anzukämpfen.
Knarzend zog sie den gegenüberstehenden Stuhl nach hinten um sich zu setzen. Als ich das Bedauern in ihren Augen sah erstarb mein Lächeln augenblicklich. Fuck, war etwas passiert? Wollte sie deshalb so dringend mit mir reden? Ich suchte in ihrem Gesicht nach irgendwelchen Anzeichen, die mir eine Antwort geben könnten, fand jedoch nichts. Emmas Miene wirkte wie versteinert. "Hey", begrüßte sie mich. Ihre sonst so aufgeweckte Stimme klang müde und leer. Langsam wurde das dumpfe Gefühl in meinem Magen immer spürbarer. Irgendetwas stimmte hier ganz und nicht.
"Hey", erwiderte ich und verschränkte meine Arme. Nachdem sie mich einige Sekunden einfach nur stumm musterte, hielt ich die Ungewissheit nicht mehr aus. "Du wolltest schnellstmöglich mit mir reden?" Abwartend zog ich eine Augenbraue hoch und suchte in ihrer steinernen Fassade nach irgendeiner Gefühlsregung. Die Emma, die ich kannte war eigentlich ein offenes Buch, doch gerade wurde ich einfach nicht schlau aus ihr. Mit jeder Sekunde der Ungewissheit wurde ich angespannter. Verdammt, ging es ihr gut? Hatte ich etwas übersehen? Wenn sie nicht langsam den Mund aufmachte, würde ich noch...
"Ja. Das wollte ich. Es geht nicht mehr mit uns." Ihre Worte ließen jeden Gedanken in meinem Kopf zu Staub zerfallen. Warte, was? Machte sie gerade Schluss? Obwohl wir nicht einmal zusammen waren? Nur mit Mühe konnte ich verhindern, dass mir die Kinnlade herunterklappte. Nein, ich musste mich verhört haben. Ich war derjenige der Herzen brach. Mir wurde nie ein Korb gegeben. NIE. Und nie hatte mir irgendein Mädchen etwas bedeutet. Mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Fuck.
Sie seufzte schwer. "Ich meine, da war in gewissen Situationen eine körperliche Anziehung zwischen uns. Ich bin mit Nate zusammen und daher muss das aufhören. Ich liebe ihn und keine Ahnung was ich mir in diesen dämlichen Momenten gedacht habe... Nein, eigentlich habe ich gar nicht nachgedacht, aber auf jeden Fall will ich meine Beziehung auf keinen Fall wegen sowas gefährden. Du verhältst dich komisch. Gestern zum Beispiel bist du einfach gegangen. Nate macht sich auch seine Gedanken darüber. Was ich damit sagen möchte: Ich kann keine Zeit zu zweit mehr mit dir verbringen. Vielleicht gibt es eine andere Person, die mich privat trainieren kann. Ich weiß es nicht, aber das ist nicht gut und hiermit möchte ich es endgültig beenden."
"In diesen dämlichen Momenten" Es fühlte sich so an, als hätte sie mir mit voller Wucht ins Gesicht geschlagen. Die Einzige, die ich je wirklich wollte, wollte mich nicht. Eine eigenartig schmerzhafte Leere breitete sich in mir aus. Was für eine Ironie des Schicksals. Nie war ich in der Lage irgendetwas für eine Frau zu empfinden. Als ich Emma traf, war es, als würde ich endlich aus einem tiefen Schlaf erwachen, auch wenn ich eine Weile gebraucht hatte um zu begreifen, was sie mir wirklich bedeutete. Und jetzt das. Fast hätte ich laut aufgelacht. Viele Frauen, die mir bereits die Pest an den Hals gewünscht hatten, nur um eine Woche später wieder bereitwillig in meinem Bett zu landen, würden wohl sagen, dass das Karma ist. Und vielleicht war es das wirklich. Ich hatte diese eine Person gefunden und sie liebte meinen Bruder. Und als wäre das nicht schon genug wollte sie nichts mit mir zu tun haben. Ich war ihr persönlicher Störfaktor. Willkommen in der Hölle.
Sie räusperte sich. "Möchtest du etwas dazu sagen?"
Verdammte Scheiße. Natürlich wollte ich etwas dazu sagen. Das war falsch. Fuck, es war so falsch, dass es mich innerlich zerriss. Doch eigentlich gab es nur eine Antwort, die ich wirklich brauchte. Auch wenn mich allein die Frage mehr Mut kostete, als jeder verdammte Einsatz, den ich bisher geleitet hatte. Das erste Mal in meinem Leben hatte ich eine verfluchte Scheißangst um mein Herz.
"Das heißt du fühlst bei mir nichts?" Meine Worte verschlugen Emma für einen Moment die Sprache. In ihren Augen tobte ein Sturm. Adrenalin pumpte durch meinen Körper. Fuck, ich hasste die Macht, die sie über mich hatte.
Als sie mich ansah setzte mein Herz einen Schlag aus. "Ja, ich fühle bei dir nichts. Das waren nur ein paar Küsse, die nie hätten passieren dürfen." Die Welt blieb stehen. Das Blut gefror in meinen Adern. Ihre Stimme klang so ruhig und fest, als hätte sie nicht den geringsten Schimmer, was ihre Worte bei mir anrichteten. Ich war nicht mehr in der Lage zu atmen. Sie hätte mir genauso gut eigenhändig das Herz aus der Brust reißen können. Es hätte keinen Unterschied gemacht. Plötzlich fühlte ich mich einfach nur leer. Emma Haydn hatte mir offiziell das Herz gebrochen. Traurigerweise war ich nicht einmal in diesem Moment in der Lage sie zu hassen.
"Okay", ich zuckte betont gleichgültig mit den Schultern. "Ich frage einen Kollegen ob er dein Training übernehmen kann." Ich hielt es keine Sekunde länger in Emmas Gegenwart aus. Ich musste hier weg.
"Alles klar, vielen Dank. Freut mich, dass wir das so einfach klären konnten." Ihr erfreuter Unterton und das fast schon erleichtert wirkende Lächeln auf ihren Lippen ließen Übelkeit in mir aufsteigen. Fuck. Nur mit Mühe konnte ich mich davon abhalten den Tisch zwischen uns in Sperrholz zu verwandeln. Das war genug. "Klar. Kein Problem. Man sieht sich."
Als ich ging, ließ ich mein Herz bei ihr. Von nun an würde ich es nicht mehr brauchen.
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Genetic
Teen FictionEmma Haydn hat einen Traum: Sie will unbedingt das berüchtigte Polizeistudium der Sonderklasse absolvieren. Auf ihrem Weg an die Spitze darf sie sich nicht ablenken lassen - schon gar nicht von ihrem neuen, unverschämt attraktiven Einsatzleiter. Un...