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Seit dem ersten Schuss war ich ein heulendes Häufchen Elend gewesen. Es fühlte sich an, als wäre ich im freien Fall. Ein grellender Schrei zerschnitt die Luft. Der Tod war mir so nah, dass ich bereits seinen Atem in meinem Nacken spüren konnte.
Mein Körper zitterte mittlerweile so unkontrolliert, dass meine Knöchel schmerzhaft auf die Metalloberfläche der Liege aufschlugen. Ein weiteres Schussgeräusch ertönte so laut, dass es direkt neben mir sein musste. Meine Ohren dröhnten. Ich kniff meine Augen so stark zusammen, dass sich ein unangenehmes Ziehen auf meinen Lidern ausbreitete.
Das war einer dieser Momente in denen man spürte, dass das Leben danach niemals wieder wie vorher sein würde. 
Ich ballte meine Hände zu Fäusten und versuchte die Ängste, die in mir tobten, beiseitezuschieben. Ich musste stark sein.
Ich durfte mich nicht vor der Realität verstecken...nicht jetzt.
Noch ein zittriger Atemzug, ein letzter Augenblick in dem ich mir gestattete den Sturm in mir zu bekämpfen, dann schlug ich die Augen auf. 

Mein Blick traf auf eisblaue Augen, die so viel Schmerz und Entsetzen in sich trugen, dass es mir die Sprache verschlug. 
Eine Person mit schwarzer Skimaske und Gewehr stand über mich gebeugt und starrte mich mit einer Intensität an, die eine Schockwelle durch meinen Körper sandte. 
"Bitte töte mich nicht.", flüsterte ich so rau, dass meine Stimme den Worten kaum Klang verlieh. 
Das schien zu reichen um den Unbekannten aus seiner Starre zu reißen. 
Sanft, aber bestimmt schob er seine Arme unter meinen Rücken und Kniekehlen. 
Im nächsten Moment spürte ich seine harte Brust an meinem Körper. 
Ich trug noch immer nur Unterwäsche, weshalb ich mir der angenehmen Körperwärme des Vermummten nur allzu bewusst war. 
Er roch nach einer Mischung aus Nadelwald und frischer Frühlingsluft. 
Mein Herz begann, wie wild gegen meine Rippen zu hämmern.
Dieser Geruch fühlte sich an, wie ein schmerzhaftes Dejavu. 
Ich spürte, wie sich seine Muskeln unter der Berührung meines Körpers anspannten. 
Wortlos fing er an zu rennen und in dem Moment begriff ich, dass ich soeben gerettet wurde.
Diese Person hatte mir gerade mein Leben geschenkt.
Stumme Tränen rannen in kleinen Bächen über meine Wangen. 
"Danke."
Dieses Wort erschien mir viel zu schwach.
Es existierten keine Worte in unserer Sprache, die genug gewesen wären. 
Mein Retter kommentierte meinen Gefühlausbruch lediglich mit einem stummen Nicken.
Er schien noch immer hochkonzentriert zu sein. 
Seine Bewegungen glichen denen eines Tigers auf der Jagd.

Entfernt sah ich rote Spritzer auf dreckigem Beton.
Hieß das, dass Steve tot war? 
Die Vorstellung bedrückte mich eigenartigerweise mehr, als es mich erleichterte.
Währenddessen geriet die Welt um mich herum immer mehr ins Wanken.
Wir waren an einem kargen Treppenaufgang angekommen.
Die Anlage, in der ich gefangen gehalten wurde, war allem Anschein nach deutlich größer, als ich erwartet hatte.
Der Skimasken-Typ sprintete mit einer Leichtigkeit die Treppen hoch, als wäre ich ein Fliegengewicht.
Ich spürte, wie das Muskelrelaxanzmittel, was Steve mir gespritzt hatte langsam wieder nachlies.
Noch hatte ich zwar keine richtige Kontrolle über meinen Körper, doch das typische Kribbeln, was sich immer so ähnlich anfühlte, als wären meine Gliedmaßen eingeschlafen, setzte bereits ein. 
Das war ein gutes Zeichen.
Jetzt würde alles gut werden.
Ich würde Elias wiedersehen... Rosi, Mina, Maja, Eddi, Nate...
Ich würde die Chance haben jeden Einzelnen von ihnen in den Arm zu nehmen. 
Die Erleichterung sickerte in Form von angenehmer Wärme durch meinen Körper und ließ jede meiner Zellen vor Glück schreien.
Ich hatte die Hoffnung bereits aufgegeben. 
Ich hatte bereits abgeschlossen.
Und jetzt war ich hier.
Der Unbekannte öffnete eine schwere Metalltür und dahinter war sie.
Die Sonne.
Der Wind.
Die Freiheit.
Ein ungläubiges Lachen brach unkontrolliert aus mir heraus.
Eine Welle von Glück, Dankbarkeit und Erleichterung brach über mir zusammen und trieben mir Tränen der Rührung in die Augen.
Es ist vorbei. 
Ich dachte die Worte immer und immer wieder, teste, wie sie sich auf meiner Zunge anfühlten.
All das war unglaublich. 
So unglaublich, dass ich es selbst kaum fassen konnte.
Entfernte Geräusche von Autos jagten mir eine Gänsehaut über den Körper.
Ich war wieder unter Menschen.
Der Gedanke war so wundervoll, dass ich am liebsten sofort wieder in Tränen ausgebrochen wäre.
Nach ein paar Minuten steuerten wir zielsicher auf ein kleines, weißes Gebäude zu. 
"Wo sind wir?"
Die blauen Augen meines Retters sahen kurz auf mich hinab, doch er ignorierte meine Frage.
Mit einem leichten Tritt stieß er die Tür auf und legte meinen Körper dann vorsichtig auf eine weiche Liege.
"Geht es dir gut?" Seine Stimme wirkte nicht nur schwer beherrscht, sondern auch so gedämpft, als würde er seine Zähne aufeinander pressen. 
Im nächsten Moment breitete er eine weiche Decke über meinem Körper aus.
"Ja. Er hat mir irgendwas Betäubendes gespritzt, doch meine Arme und Beine wachen schon langsam wieder auf. Wie hast du mich gefunden?"
Der Blick meines Gegenübers löste ein nervöses Kribbeln in meiner Magenregion aus. 
Diese Augen hatten etwas so faszinierendes an sich, dass ich es nicht schaffte meinen Blick abzuwenden. 
Sie starrten mich so an, als...als... wäre ich ein Wunder. 
Mehrere Herzschläge lang sahen wir uns nur an. Keiner sagte ein Wort.
Eine seltsame Spannung hatte sich im Raum ausgebreitet.
Etwas so Bedeutungsschweres lag in der Luft, dass ich mich kaum traute zu atmen.
Mein Retter stöhnte frustriert auf.
"Fuck, Emma." Seine raue Stimme jagte mir einen Schauer über den Rücken.
Plötzlich war Atmen zu einer unmöglichen Aufgabe geworden.
Irgendetwas stimmte hier nicht.
Mit einem frustrierten Stöhnen zog er sich die Maske vom Gesicht.

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