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Ich war bereits eine Stunde vor meinem Weckerklingeln hellwach, also gab ich mich geschlagen und stand auf. Ich hatte bereits die ganze Nacht Angst zu verschlafen und an meinem ersten Tag zu spät zu kommen, daher entschied sich mein Unterbewusstsein dazu spätestens alle 30 Minuten aufzuwachen.

Seufzend stellte ich fest, dass sich dunkle Augenringe in meinem Gesicht gebildet hatten. Ich glaube, Maja würde ausrasten. Ich setzte mich auf mein Bett und versuchte ruhig zu atmen um die Aufregung in meinem Bauch zu verdrängen. Leider ließ das Resultat meiner Bemühungen zu wünschen übrig.

Schließlich gab ich auf und schlüpfte in die ordentlich drapierten Sachen auf meinem kleinen Hocker.

Maja hatte wirklich ein gutes Gespür für Mode. Mein Outfit war gleichzeitig schick, sowie schlicht. Es war nicht zu wenig und nicht zu viel. Die weiße lockere Bluse passte perfekt zu der engen, aber nicht zu engen, dunklen Jeans. Innerlich schickte ich nochmal einen Dank an Maja.

Nachdem ich meine Haare gekämmt und versucht hatte meine Augenringe abzudecken, ging ich in die Küche. Auf dem Tisch fand ich einen Teller voller Pfannkuchen und einen kleinen Zettel. Ich nahm das Stück Papier in die Hand und las mir die mit einem blauen Kugelschreiber darauf gekrakelten Worte durch.


Guten Morgen Emma,

ich bin bei Maja. Hoffe du hast heute den besten ersten Unitag aller Zeiten.

Hier eine kleine Stärkung für dich.

Elias.


Lächelnd legte ich den Zettel wieder auf den Tisch. Womit hatte ich nur so einen lieben Bruder verdient. Ich sah zu den Pfannkuchen herüber. Ich war so aufgeregt, dass ich jetzt keinen Bissen herunterbekam. Daher kramte ich eine Dose aus meinem Schrank und legte die duftenden Teigwaren hinein.

Das Behältnis verschwand daraufhin in meinem ausgefransten Rucksack.

Als ich auf die Uhr sah hatte ich noch eine dreiviertel Stunde Zeit. Der Sekundenzeiger bewegte sich quälend langsam über das Ziffernblatt. Kann der sich nicht mal ein bisschen mehr beeilen? Ich packte meinen Rucksack fertig und las mir nochmal etwas über die aktuellsten Verbrechen und Einsätze durch. Ein bisschen informiert zu sein konnte ja nicht schaden.

Als der kleine Zeiger auf die 7 zeigte, schulterte ich meinen Rucksack und schob mein Fahrrad Richtung Straße. Die aufgeregten Schmetterlinge in meinem Bauch waren mittlerweile zu Nilpferden mutiert. Ich atmete nochmal tief durch und trat dann in die Pedale.

Der angenehm kühle Fahrtwind schlug mir entgegen, während dunkle Baumsilhouetten immer wieder die goldene Morgensonne zerschnitten.

Als ich mich dem Unigelände näherte, sah ich bereits ein paar Fahrräder in den Ständern stehen oder an Bäumen lehnen.

Okay, bloß nicht die Nerven verlieren. Heute hatten alle aus meinem Kurs ihren ersten Tag. Die sind genauso aufgeregt wie ich. Ich stellte mein Fahrrad neben einen grünen Drahtesel, bei dem bereits Rost am Gestell hinaufklettert. Die abgeblätterte Farbe sah mich flehend an. Ich ignorierte das arme grüne Rad und lief zum Haupteingang. Ich musste in Raum F31.

Dieses Gelände war riesig und meine Orientierung ließ um ehrlich zu sein zu wünschen übrig.

Ich bemerkte am anderen Ende des Empfangssaals einen großen rothaarigen Jungen, der genauso verloren aussah, wie ich mich fühle. Ich gab mir einen Ruck und ging zu ihm. „Hey, suchst du auch Raum F31?",fragte ich und lächelte angespannt.

Er sah mich mit einem zunächst überraschten Blick an, der sich dann zu einem dankbaren Lächeln wandelte. „Jap, bitte sag das du weißt wo wir hin müssen." Ich zuckte nur mit den Schultern. Zusammen herumirren war immerhin besser, als allein.

Nach etwa 10 Minuten ziellosem Herumlaufen hatten wir glücklicherweise endlich den richtigen Raum gefunden. Mittlerweile wusste ich, dass mein Mitschüler Eddi hieß, 20 Jahre alt war und bis letztes Jahr BWL studiert hatte, was ihm dann allerdings doch zu trocken war. Jetzt war er hier.

Ich war erleichtert, dass ich von Anfang an jemanden mit Freundschaftspotential gefunden hatte.

Als wir die Räumlichkeit betraten, saßen bereits 2 Jungs und ein Mädchen in der dritten Reihe. Ich lächelte ihnen zu, was nicht erwidert wurde. Die Dreiergruppe musterte mich emotionslos. Ich merkte wie mir heißes Blut in die Wangen schoss. Ganz ruhig, jetzt nicht rot werden. Sei cool.

„Setzen wir uns in die erste Reihe?" Eddi sah mich mit vor Spannung glänzenden Augen an. Nickend stimmte ich zu und wir nahmen Platz.

Die Nilpferde in meinem Bauch spielten mittlerweile Fußball. Ich war froh, dass ich immerhin Eddi hatte. Er wirkte wie ein leichtes Beruhigungsmittel.

Der Vorlesungssaal füllte sich immer mehr. Auf meiner linken Seite saß jetzt ein kleiner, braunhaariger Teenager, der für seine Größe deutlich zu viele Muskeln aufgebaut hatte. Seine Körperform erinnerte ein bisschen an einen quadratischen Kasten und seine perfekt geformte Frisur deutete darauf hin, dass er heute morgen mindestens 1 Stunde mit einem Föhn bewaffnet versucht hatte jedes einzelne Haar in diesen nach oben stehenden, hervorgewölbten Umriss zu zwängen.

Nach 10 endlosen Minuten betrat ein großer, schlaksiger Mann den Raum.

Sein grauer Vollbart und der altertümliche Anzug den er trug, ließen darauf schließen, dass es sich um den besagten Professor Morris handelte.

Mit langen Schritten näherte er sich dem Lehrerpult und stellte seine braune Stofftasche auf den Stuhl dahinter.

Plötzlich breitete sich im Raum eine solche Stille aus, dass ich Angst hatte die anderen würden mein Herz schlagen hören. Der bärtige Mann räusperte sich.

„Guten Morgen und herzlich willkommen an unserer Universität. Ich bin Professor Morris und wir werden uns innerhalb der nächsten 3 Jahre noch des Öfteren über den Weg laufen. Wir starten heute mit einer Einführungsstunde in der wir alle organisatorischen Feinheiten für die nächste Zeit klären und Sie sich einmal vorstellen."

Als er sich auf seinen alten Holzstuhl setzte, ächzte dieser wehleidig.

Sein Blick streifte einmal über jeden einzelnen von uns. „Wie ich sehe seid ihr ein frauenstarker Kurs." Ich sah mich akribisch um, konnte jedoch außer mir nur 3 weitere Mädchen entdecken.

Der Professor schien unsere verwirrten Gesichter zu bemerken.

„Für unsere Verhältnisse natürlich. Es gab schon viele Kurse, die lediglich aus Männern bestanden. Ich freue mich auch mal ein paar Damen empfangen zu dürfen. Also dann, beginnen wir mit der Vorstellungsrunde."

Der alte Mann schob sich eine golden umrahmte Brille auf die Nase um kurz darauf darüber hinwegzugucken.

„Ladys first."

Ich spürte plötzlich alle Blicke auf mir, einschließlich dem von Professor Morris. Meine Haut brannte förmlich unter den urteilenden Augen meiner Mitschüler und ich spürte die Hitze des Adrenalins in mir aufsteigen. Das war jetzt also der Moment für den ersten Eindruck. Ich durfte das auf keinen Fall vermasseln.

Ich räusperte mich einmal. „Guten Morgen, ich bin Emma Haydn, bin 18 Jahre alt und freue mich sehr auf die kommenden 3 Jahre mit euch." Ich lächelte einmal in die Runde. Das war doch gar nicht so schlecht, nichts Aufregendes oder sonderlich Spannendes, aber solide.

Die Augen meines Professors musterten mich freundlich über seinen Brillenrand hinweg. „Vielen Dank Mrs. Haydn." Er deutete auf eine Studentin 2 Reihen hinter mir. „Fahren Sie bitte fort."

Nach dem anschließenden Vortrag unseres Professors über den Aufbau und die Organisation dieses Semesters war die Stunde bereits vorbei.

Mittlerweile war meine Anspannung von Glücksgefühlen verdrängt worden. Es ging jetzt wirklich so richtig los. Nach diesen 3 Jahren würde mein Leben komplett anders aussehen. Ich würde meinem Ziel Tag für Tag ein Stückchen näher kommen. Und heute war Tag 1.

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