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Alex ging ein paar Meter rückwärts, ohne den Blick von mir abzuwenden. Ich straffte meinen Rücken und versuchte mich zu konzentrieren. Ich hatte es gerade schonmal irgendwie geschafft. Ich konnte das. Mein Trainer sprintete auf mich zu. Für einige Sekunden konnte ich seinen Arm halten und ihn in die Knie zwingen, dann landete ich plötzlich mit dem Rücken auf der Matte.

Alex hielt sich halb auf mir gestützt. Ich konnte seine Wärme spüren und sofort breitete sich ein aufgeregtes Kribbeln in meinem ganzen Körper aus. Für ein paar Sekunden sahen wir uns nur in die Augen. Die Außenwelt verschwamm. Es gab nur noch ihn und mich.

„Aaah!"Ein lauter Schmerzschrei riss mich aus meiner Trance.

War das gerade ein romantischer Moment zwischen uns? Das hatte ich mir doch nicht eingebildet.

Schnell rappelten wir uns auf. „Gar nicht übel.", Alex musterte mich. „Bleib nach dem Unterricht noch kurz da. Dein medizinischer Test fehlt noch." Ich nickte nur perplex.

Welcher medizinische Test? Ich wusste gar nicht, dass man sowas machen musste.

Ein schriller Pfiff erfüllte erneut die Halle und alle Blicke richteten sich wieder auf unseren Trainer alias Mr. Perfekt. „Die Zeit ist um. Wer es nicht geschafft hat, übt zu Hause weiter. Bis Morgen."

Mina stupste mich in die Seite. „Wow, ich habe dich ein bisschen beobachtet und du warst echt der Hammer.", sagte sie beeindruckt. „Gehen wir zusammen nach Hause?"

„Ich würde gerne, aber ich muss noch ein paar medizinische Tests machen.", erwiderte ich. „Was denn für Tests?" Ich zuckte nur mit den Schultern. Sie wusste also auch nichts davon. Komisch.

„Kommst du?", rief Eddi von der andern Hallenhälfte und Mina nickte. „Okay, dann bis morgen Emma." Ich winkte den beiden noch kurz, dann folgte ich auch schon Alex ins Krankenzimmer.

„Setz dich." Er deutete auf den Stuhl und ich folgte seiner Anweisung. „Was sind das denn für Tests?", ich versuchte die Frage beiläufig klingen zu lassen, was mir jedoch nicht so recht gelingen wollte.

Alex hatte das Misstrauen in meiner Stimme gehört und sah mir nun direkt in die Augen. „Keine Sorge, nichts weiter Wildes. Das wird nur zur Absicherung gemacht. Dir wird Blut abgenommen und das wird analysiert. Mehr ist es nicht." Ich hatte immer noch ein ungutes Gefühl, aber nach ein paar Sekunden Blickkontakt nickte ich. „Okay."

Eine Schwester betrat lächelnd den Raum und zog einen Stauschlauch fest um meinen Oberarm. „Hallo Emma, ich bin Jade. Das geht ganz schnell. Ist nur ein kleiner Pieks." Während sie nach meinen Venen tastete beobachtet ich Alex.

Er lehnte betont lässig in der Ecke des Untersuchungsraums, doch sein angespannter Gesichtsausdruck verriet, dass er nicht so locker war, wie er vorzugeben versuchte. Nach der Blutentnahme, sowie etlichen Fragen über meinen körperlichen Zustand, sowie meine Familiengeschichte, verließen Alex und ich den Raum.

„Sag mal," ich sah zu ihm hoch und schluckte meine Unsicherheit runter, „Warum siehst mich immer mit diesem Blick an?"

„Welcher Blick?" Er lächelte mich an. Plötzlich fühlte ich mich, wie ein Eis in der Sonne. Wow, wenn er lächelte sah er noch besser aus. Ich hätte nicht für möglich gehalten, dass das überhaupt möglich ist.

„Naja, dieser ... dieser... ich kann ihn nicht beschreiben. Dieser Blick eben."

„Keine Ahnung was du meinst.", jetzt sah er mir direkt in die Augen. „Nur, Emma, ..."

Das Knallen der Hallentür unterbrach Alex. Sofort versteifte sich seine Haltung. „Egal, vergiss es."

Ohne ein weiteres Wort verließ mein Trainer das Gebäude. Die Frau, die die Halle betreten hatte, warf mir einen verwirrten Blick zu. Ein schweres Gefühl breitete sich auf meiner Brust aus.

Während ich die Halle verließ bekam ich den Ton mit dem Alex meinen Namen gesagt hatte nicht mehr aus dem Kopf. Irgendetwas lag in seiner Stimme. Was wollte er mir nur sagen bevor die Frau uns unterbrochen hatte? Ich stieg auf mein Fahrrad, doch sogar der kühle Fahrtwind half mir nicht einen klaren Kopf zu bekommen.

Als ich zu Hause ankam, lief mir Nate bereits entgegen.

Nachdem ich ihm ausführlich von meinem ersten Tag berichtet hatte, zeigte die kleine Digitaluhr in unserer Küche bereits 17:00 Uhr an. Mein bester Freund grinste mich an.

„Das freut mich. Ich habe auch nichts anderes von dir erwartet." Er räusperte sich und die Leichtigkeit wich aus seinen Augen. „Ich habe übrigens meinem Bruder geantwortet. Wir treffen uns diesen Freitag. Ich habe ihm geschrieben, dass ich erstmal gern meine beste Freundin, als seelische Unterstützung bei mir hätte. Also, na ja, kannst du mich vielleicht begleiten?"

„Wow, das ist doch super! Ja, auf jeden Fall." Ich strahlte den dunkelhaarigen Jungen an. 

„Ich bin stolz auf dich."

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