Die fremde Stimme holte mich zurück in die Realität. „Fuck" Hastig stieß ich Alex von mir. „Was haben wir getan?" Panisch versuchte ich meine zerwühlten Haare zu ordnen. Alex' Blick wirkte noch immer verhangen. „Shit", stieß er hervor. Seine Stimme klang rauer, als sonst. „Emma, ich..." „Schon gut.", unterbrach ich ihn.
In den blauen Augen meines Gegenübers lag nun eine Ernsthaftigkeit, die ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. „Das alles ist nie passiert."
Ich schluckte das bleierne Gefühl der Enttäuschung herunter. Wir hatten uns mitreißen lassen. Es gab keinen Grund so zu empfinden. Also nickte ich und trat einen Schritt zurück. „Gut, schon vergessen. Dann sehen wir uns Samstag."
Die Erleichterung in seinem Gesicht fühlte sich an wie ein Schlag in die Magengrube. Verdammt, warum war ich heute so sensibel? Ich verstand mich selbst nicht mehr. Einfach lächeln, Emma. Reiß dich zusammen. Das aufgesetzte Grinsen brannte auf meinen Lippen. Es fühlte sich wie eine künstliche Maske an, die auf meinem Gesicht festgewachsen war. Seit wann stand ich nicht mehr zu meinen eigenen Gefühlen?
„Alex?" Die Stimme klang nun verunsicherter als zuvor. Ich straffte meine Schultern und öffnete die Tür. Vor mir stand eine junge Frau in einem kurzen Sommerkleid. Sie sah mich erstaunt an und für einen kurzen Augenblick huschte Eifersucht über ihr hübsches Gesicht. Ich musste keine Hellseherin sein um zu wissen, dass sie auf Alex stand. Zwanghaft hielt ich das falsche Lächeln auf meinen Lippen aufrecht.
Es ist mir egal. Es ist mir egal. Ich wiederholte die Worte immer und immer wieder, wie ein Mantra in meinem Kopf. „Entschuldigen Sie, ich hatte nur noch eine kurze Frage zur letzten Unterrichtseinheit." Meine Stimme klang so ruhig und fest, dass es mich selbst überraschte. „Ach so. Na ja, viele haben am Anfang Schwierigkeiten." Mit einem höflichen Nicken schob sie mich zur Seite um in Alex' Büro eintreten zu können.
Ich zwang mich ohne einen weiteren Blick zu den beiden wegzugehen. Scheiße, das hätte nie passieren dürfen. Dennoch konnte ich die Hitze in mir bei dem Gedanken an die letzten Minuten nicht unterdrücken. Das musste enden. Ich durfte mich auf gar keinen Fall so zu Alex hingezogen fühlen. Nur eine Person war jetzt im Stande dazu mich abzulenken. Kurze Zeit später saß ich auf Nates Bett. „Jetzt zeig schon her.", quengelte ich.
„Es ist noch nicht fertig. Sei nicht so ungeduldig." Nate sah mich über den alten Zeichenblock hinweg an. Der Bleistift in seiner Hand flog federleicht über das Papier. Es wirkte fast so, als würde er es streicheln. „Nur noch der letzte Schliff." Mein bester Freund warf mir einen prüfenden Blick zu bevor er mir zufrieden die Zeichnung überreichte. „Wow" Begeisterte starrte ich auf die Bleistiftskizze in meiner Hand.
„Und? Habe ich dich gut getroffen?", fragte Nate. „Soll das ein Witz sein? Das ist der Wahnsinn!" Er hatte mich und diesen gesamten Moment auf eine Art und Weise eingefangen, wie nur er es konnte. „Ich habe überlegt ob ich Elias zu seiner Geburtstagsfeier am Freitag eine Zeichnung von ihm und Maja schenke.", murmelte mein bester Freund. „Das ist eine fantastische Idee.", erwiderte ich begeistert.
„Was hast du eigentlich für ihn?" Nate sah mich neugierig an. „Lass dich überraschen", trällerte ich und wurde im nächsten Moment von einem Kissen getroffen.
Im Gegensatz zu meinem besten Freund mochte Elias Überraschungen sehr wohl. Nur wenige Tage später standen Maja und ich in der Küche um den legendärsten Geburtstagskuchen aller Zeiten zu backen. Mein Bruder liebte seit Klein auf die Serie „Avatar- Herr der Elemente", weshalb wir uns für eine Motivtorte passend zu dieser Thematik entschieden hatten. Die Umsetzung gestaltete sich schwieriger als gedacht, trotz dessen waren wir relativ zufrieden mit dem Endergebnis. Gerade als Maja die letzte Kerze auf dem Kuchen anzündete betrat Elias den Raum.
„Happy Birthday to you, happy Birthday to you...." Maja und ich sangen krumm und schief. Dennoch breitete sich ein glückliches Grinsen auf dem Gesicht meines Bruders aus. „Vielen Dank!" Er zog uns in eine innige Umarmung. „Du musst dir etwas wünschen", quietschte Maja aufgeregt. Einen tiefen Atemzug später hatte Elias alle Geburtstagskerzen ausgepustet.
Bewaffnet mit einem Stück Kuchen setzten wir uns auf das Sofa um uns ein Erinnerungsvideo der letzten Jahre anzusehen, was Maja für ihren Freund zusammengeschnitten hatte. Nach 20 Minuten wurde der Bildschirm dunkel und die Worte „Ich liebe dich" erschienen. Damit war der Film zu Ende. Gerührt zog Elias Maja an sich. „Danke Maus. Ich liebe dich so sehr." Die beiden hatten so ein Glück miteinander. Ein angenehme Wärme breitete sich in mir aus.
„Und was schenkst du deinem unfassbar tollen, anbetungswürdigen Bruder, Schwesterherz?", wollte Elias grinsend wissen. Vielleicht genoss er seinen Geburtstag etwas zu sehr. Ich verkniff mir jedes Kommentar und überreichte ihm ein Notizheft. „Alles Gute." Die Seiten waren gefüllt mit meiner Schrift. Es war der längste Brief, den ich je an ihn geschrieben hatte. Mein ganzes Herz steckte in diesem kleinen Buch. „Danke Em."Elias zog mich in eine lange Umarmung.
Wenige Stunden später waren fast alle Partygäste eingetroffen. Ich kannte nur einen Bruchteil. Viele hatten noch ein paar ihrer Freunde mitgebracht, die vermutlich nicht einmal meinem Bruder etwas sagen dürften. Eine Feier dieser Art passte zu ihm. Er liebte neue Menschen und große Partys. „Bowle?" Ein junger Mann, den ich noch nie zuvor gesehen hatte, streckte mir einen gut gefüllten roten Plastikbecher entgegen. Dankend nahm ich das rote Gefäß an und trank ein paar Schlucke. Mhh, die war Elias echt gut gelungen. Sehr lecker. Morgen früh musste ich zwar fit für den Einsatz mit Alex sein, doch eins, zwei Drinks konnten nicht schaden.
Allein bei dem Gedanken an die morgige Mission wurde mir ganz mulmig zumute. Seit dem kleinen Ausrutscher in Alex' Büro hatten wir uns nicht mehr gesehen. Das könnte seltsam werden.
Ein Tippen auf meine Schulter unterbrach meine Grübeleien. „Lust zu tanzen?" Der Bowle-Typ hatte sich neben mir an die Kücheninsel gelehnt und musterte mich interessiert. Er sah nicht schlecht aus. Sein Haar fiel wirr in sein Gesicht und verlieh ihm einen jungenhaften Charme. Irgendetwas in seinem Blick hielt mich jedoch davon ab zuzusagen. Bestimmt schüttelte ich den Kopf. „Nein. Danke." Die Erwiderung des Fremden ging in der lauten Musik unter, da ich mich bereits von ihm abgewandt hatte um zu meinem besten Freund zu gehen.
„Hey, du siehst toll aus.", begrüßte mich dieser. „Vielen Dank. Das kann ich nur zurück geben.", antwortete ich strahlend. Nate trug eine dunkle Jeans, sowie ein schwarzes T-Shirt, was ihm ohne Frage sehr gut stand. Die Blicke der umstehenden Mädchen waren kaum zu übersehen. Seine braunen Augen wirkten unruhiger, als sonst. „Ist alles okay bei dir?", fragte ich besorgt.
„Können wir vielleicht kurz reden? Ich wollte dir schon die ganzen letzten Wochen etwas sagen. Solange der Tequila wirkt macht es das etwas einfacher." Den letzten Satz murmelte Nate so leise, dass er ihn vermutlich eher zu sich selbst, als zu mir sagte.
„Klar", rief ich über die Musik hinweg. „Wollen wir dazu vielleicht rausgehen? Dann müssen wir uns nicht anschreien." Mein Gegenüber nickte und folgte mir vor die Tür. Glücklicherweise waren wir hier tatsächlich vollkommen ungestört. Als ich in Nates Gesicht sah erkannte ich eine Anspannung, wie ich sie noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Meine Nackenhaare stellten sich auf. Oh Gott, was konnte so schlimm sein, dass es so eine Überwindung für ihn war es mir zu sagen?
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Genetic
Teen FictionEmma Haydn hat einen Traum: Sie will unbedingt das berüchtigte Polizeistudium der Sonderklasse absolvieren. Auf ihrem Weg an die Spitze darf sie sich nicht ablenken lassen - schon gar nicht von ihrem neuen, unverschämt attraktiven Einsatzleiter. Un...