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Mina wartete bereits auf einer Bank vor der Turnhalle auf mich. Als sie mich sah sprang sie auf und kam begeistert auf mich zu.

„Und? Was wollte er? Was läuft denn da bei euch beiden?", sie stocherte mit ihrem Ellbogen in meine Seite und ihr zweideutiges Augenbrauengewackel tat seinen Rest.

Ich verdrehte die Augen. „Nichts." Ich würde ihr zu gern von allem erzählen, doch ich konnte einfach nicht. „Und warum siehst du dann so glücklich aus?" Mein breites Strahlen seit dem Gespräch mit Alex vorhin war Mina also nicht entgangen.

„Ach, er hat mich nur nochmal für meine Leistungen gelobt. Das geht runter wie Öl."

Meine Wangen begannen zu glühen. Lügen zählte definitiv nicht zu meinen Stärken, doch meine Freundin schien mein eigenartiges Benehmen nicht weiter zu hinterfragen.

Stattdessen zog mich das blonde Mädchen begeistert in den nächsten Secondhandladen, der ihr ins Auge fiel. Zwei Stunden und 5 Geschäfte später saßen wir mit Tüten bepackt und schmerzenden Füßen auf einer kleinen Mauer im Stadtpark.

Immer wieder wanderte mein Blick auf meine Armbanduhr. Es war bereits fast 18 Uhr. Noch 2 lange Stunden bis es endlich los ging.

„Okay, genug geshoppt für heute. Ich bin völlig fertig. Möchtest du noch mit zu mir zum Essen kommen?"

Normalerweise hätte ich auf jeden Fall zugestimmt, aber wenn ich unpünktlich zu meinem ersten Einsatz kommen würde wäre das mehr als peinlich. Daher schüttelte ich dankend den Kopf.

„Gern ein anderes Mal, doch heute kocht mein Bruder für mich."

Wie jedes Mal, wenn ich unehrlich war, bahnte sich dieses ungute Gefühl einen Weg in meine Magenregion. Wie viele Lügen wohl noch nötig sein würden?

Nachdem wir uns verabschiedet hatten stieg ich auf mein Fahrrad und fuhr nach Hause.

Dort angekommen verbrachte ich meine restliche Zeit damit mich durch meinen Kleiderschrank zu wühlen. Was zieht man auf Verbrecherjagd an? Auf jeden Fall etwas Unauffälliges, aber ich sollte mich auch gut bewegen können.

Etliche Outfits später trug ich eine schwarze Leggins kombiniert mit einem ausgewaschenen hellblauen T-Shirt. Na ja, gab Schöneres, doch es erfüllte seinen Zweck.

„Biep biep biep" Den Wecker hatte ich mir nach dem Gespräch mit Alex gestellt.

Mit hastigen Fingern wischte ich über mein Handydisplay.

Es war so weit.

„Bis später Elias." Ich schloss meinen Bruder in eine flüchtige Umarmung.

„Bis dann, viel Spaß bei Nate.", nuschelte mein Bruder mit vollem Mund.

Dann schlug mir auch schon die kühle Abendluft entgegen.

Mit zittrigen Fingern schloss ich mein Fahrradschloss auf. Mir war nicht kalt, doch das Adrenalin ließ mich schlottern, wie Espenlaub. Diese verdammte Aufregung.

Ich sah in den Himmel. Ja, das mochte auf Außenstehende immer ein wenig eigenartig wirken, doch es half mir mich zu beruhigen. Irgendwo dort oben waren meine Eltern. Der Gedanke, dass sie nie gegangen waren, hinterließ dieses vertraute Gefühl der Geborgenheit in mir. Ich spürte, wie mein aufgedrehtes Herz ruhiger wurde, meine zitternden Muskeln sich entspannten und mein Atem sich verlangsamte.

„Danke.", flüsterte ich Richtung Himmel. Dann stieg ich auf mein Fahrrad. 10 Minuten später stand ich an unserem vereinbarten Treffpunkt. Von Alex war noch keine Spur. Daher sicherte ich mein Fahrrad an einem Baum und ließ mich auf eine Bank sinken.

3 Blicke auf die Uhr später sah ich einen blonden Haarschopf in der Ferne.

Die Vorfreude siegte über meine Unsicherheit und ich sprang enthusiastisch auf um ihm entgegen zu laufen. Je näher ich kam, desto deutlicher wurde das charmante Lächeln meiner Verabredung.

Mein Herz begann zu flattern und ich versuchte diese völlig übertriebene körperliche Reaktion auf meine Aufregung zu schieben.

„Hi", sagte ich strahlend, als ich vor ihm stand. „Ich bin so aufgeregt. Danke, dass du mich mitnimmst." Alex grinste mich an und strich mir, als wäre es das Normalste auf der Welt, eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Die Hautstellen, die seine Finger berührt hatten, begannen angenehm zu kribbeln.

Kurz sahen wir uns in die Augen. Sein Blick wirkte gedankenverloren und dennoch intensiv. So als wäre er mit seinen Augen in mein Innerstes eingetaucht.

Der Moment war genauso schnell wieder vorbei, wie er gekommen war.

Alex straffte seine Schultern. „Klar, ist meine Aufgabe, als dein Trainer. Komm mit."

Nach einer Weile kamen wir bei einem alten Wohnhaus an. Die Fassade war brüchig und zahlreiche schwarze Flecken bedeckten die ursprünglich braune Wandfarbe. Die Fenster waren abgedunkelt und ein dumpfes Basswummern schallte uns entgegen.

„Das ist es." Ich musterte das heruntergekommene Gebäude genauer. „Können wir da jetzt einfach so reingehen? Ich meine da sind offensichtliche viele Leute drin."

Alex kramte eine Flasche aus seiner Tasche.

„Wir müssen uns nur realistisch tarnen. Wir sind ab jetzt ein Paar, was Party machen möchte. Du darfst auf keinen Fall aus deiner Rolle fallen. Sonst kommen wir da vielleicht nicht mehr raus. Diese Männer sind zu allem bereit. Wir müssen in die oberste Etage. Laut meinem Kontaktmann sollen dort die Drogen versteckt sein." Er spritzte einen Teil des Flascheninhalts auf sein T-Shirt. Erst jetzt stieg mir der beißende Geruch des Alkohols in die Nase.

„Ah, jetzt verstehe ich. Du möchtest, dass wir so riechen, als wären wir besoffen."

Alex reichte mir die Flasche und ich tat es ihm gleich. „Gut erkannt. Also dann." Er streckte mir seinen Arm hin und ich hakte mich lächelnd unter. Ich atmete noch einmal tief durch, dann drückte ich den Klingelknopf.

Eigentlich müsste ich gerade vor Angst zittern, aber da Alex bei mir war, hatte ich das Gefühl mich könne nichts aus der Bahn werfen.

Mit einem Knarzen ging die Tür auf.

Vor uns stand ein mittelalter, kleiner Mann. Seine pickelige, aufgekratzte Haut und seine lückenhaften gelbbräunlichen Zähne deuteten daraufhin, dass er zu den Konsumenten gehörte.

„Oho, schöne junge Frau, hallo hallo.", kicherte der Junkie. Er schien nicht mehr ganz nüchtern zu sein. Das war meine Chance. „Hi, lässt du mich bitte rein? Ich möchte mit dir feiern.", erwiderte ich mit meinem süßesten Lächeln.

„Ja, Holla die Waldfee, klaro. Aber erst nach der Kontrolle." Er schlug die Türe ins Scharnier und trat bei Seite. Hinter ihm kam ein großer, muskulöser Mann zum Vorschein, der zu meinem Bedauern deutlich nüchterner wirkte. 

"Leibesvisite." Mit diesem Wort winkte er uns heran und tastete uns gründlich ab. Eine unangenehme Gänsehaut überzog meinen Körper. 
Nachdem er sicher gestellt hatte, dass keiner von uns eine Waffe oder Ähnliches bei sich trug, machte er uns den Weg zum Inneren des Hauses frei.

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