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Mein Weckerklingeln war metallisch und schrill. Wäre dieses Geräusch eine Person, dann definitiv meine ehemalige Mathelehrerin. Ich setzte mich im Bett auf und rieb mir die Augen. Es war viel zu hell.

Ich stellte den kleinen grünen Wecker auf meinem Nachtschränkchen aus und zwang mich dazu aufzustehen. Die letzten Tage waren wie im Flug vergangen und heute flog Rosi schon wieder nach Paris. Einen Tag bevor mein Studium begann.

Ich hatte mich schon wieder so sehr daran gewöhnt, dass sie da war. Wie sollte ich den morgigen Tag nur ohne meine beste Freundin durchstehen?

Ich spürte wie ich immer deprimierter wurde und versuchte daher mein Spiegelbild anzulächeln. Irgendwo hatte ich mal gehört, dass das helfen soll. Der Versuch misslang kläglich. Wenn ich immer so beim Lächeln aussah, dann würde ich ab jetzt jeglichen Drang meine Mundwinkel gen Himmel zu bewegen unterdrücken.

Ich zog mich an, schlürfte in die Küche und biss gequält in mein Nutellatoast. Einige aufmunternde Worte und Sticheleien wegen meiner Kleiderwahl schafften es unerwarteterweise doch noch mich zum Lachen zu bringen.

Die restlichen gemeinsamen Stunden verbrachten Rosi und ich quatschend auf meinem Bett. Das würde ich so sehr vermissen. Aus Minuten wurden Stunden und die Zeit ihres Rückfluges kam erschreckend schnell näher.

Als Rosi ihre Koffer wie ein Tetrisprofi in Elias' Auto stopfte bildete sich ein Kloß in meinem Hals, der sich nicht mehr wegräuspern ließ.

Wir quetschten uns in den kleinen Klapperkasten. Ich klammerte mich an jede einzelne Sekunde der Autofahrt, doch auch diese war trotz kurzem Stau viel zu schnell vorbei. Ich hasste es mich immer wieder verabschieden zu müssen.

Wir irrten durch das riesige, weiße Labyrinth namens Flughafen bis wir letztendlich an der Gepäckkontrolle herauskamen.

Elias stellte Rosis Gepäck ab und umschlang sie etwas unbeholfen mit seinen langen Armen. „Lass dich bald mal wieder blicken." Meine beste Freundin nickte und umarmte einen nach dem anderen, bis sie bei mir angekommen war. „Du wirst mir so sehr fehlen.", krächzte ich. „Du mir auch." Ich sah, wie sie mit den Tränen kämpfte und wusste ganz genau, dass ich genauso aussah.

Als ich sie umarmte spürte ich wie Rosi sich unter meinen Armen anspannte. „Zu fest", ächzte der Blauschopf heiser.

„Oh sorry."

„Wenn es dein Plan ist meine Rippen zu brechen damit ich hier bleibe, dann bist du auf jeden Fall nah dran." Jetzt heulte und lachte ich gleichzeitig.

„Danke. Versprichst du mir, dass du bald mal wieder herkommst? Sonst muss ich womöglich doch auf die Rippen zurückgreifen." Meine beste Freundin nickte grinsend.

„Klar, ohne mich wird das doch hier nichts."

Rosi drehte sich ein letztes Mal um, um uns zuzuwinken und tauchte dann in die Menschenmenge ein. Wir standen alle noch ein Weilchen da und sahen ihr hinterher. Sie würde mir wirklich sehr fehlen. Ich konnte spüren, dass die anderen ähnlichen Gedanken hinterher hingen.

Während der Rückfahrt beobachtete ich an meinem Fenster vorbei rauschende Autos und Menschen, während ich mich fragte, wie wohl ihr Leben aussah und wo sie hinwollten.

Maja plante schon seit meiner Studienzusage, wie sie mich auf meinen ersten Unitag vorbereiten wollte. „Der erste Eindruck zählt. Das ist total wichtig, Emma." Keine Ahnung, wie oft der Lockenkopf diese Sätze in der letzten Zeit wiederholt hatte. Ich hatte nach dem 8. Mal aufgehört mitzuzählen.

Gerade eben stand sie im Bad, während sie verschiedenste Gesichtsmasken für uns zusammenmischte. Da würde ich wohl nicht drumherum kommen. Maja kam mit verschiedensten Cremetöpfchen und Schüsseln aus der Tür und schob mich in mein Zimmer, während ich mich wunderte wie es möglich war, dass ein kleiner Mensch mit nur 2 Armen so viel tragen konnte.

Ernsthaft, ich hatte keine Ahnung.

Während Elias' Freundin meine Haut reinigte und begann eine dunkle schleimige Masse auf mein Gesicht aufzutragen, philosophierte sie darüber was ich morgen am Besten anziehen sollte. „Sportlich passt natürlich zu deinem Studium, wahrscheinlich wirst du dich dort gegen ziemlich viele Jungs beweisen müssen. Möchtest du lieber hart und gefährlich aussehen oder doch lieber seriös und elegant? Ich finde ja elegant steht dir besser. Wobei..."

Ich versank irgendwann in meinen eigenen Gedanken und überließ Maja willenlos meinen Körper. Ich freute mich auf Morgen. Das war das, was ich schon immer wollte; worauf ich immer hingearbeitet hatte. Ich wusste, dass es nicht leicht werden würde sich gegen so viele Jungs im Training durchzusetzen, aber ich konnte das. Das hoffte ich zumindest.

3 Stunden später dämmerte es draußen bereits. Maja sah mich zufrieden an. „Du wirst sie morgen sowas von umhauen. Du siehst toll aus." Sie grinste mich stolz an und ich erwiderte ihr Lächeln dankbar.

„Danke Maja, das wäre echt nicht nötig gewesen." Das hübsche Mädchen winkte ab und schob mich vor den Spiegel. „Und was sagst du?"

Ihre Stimme quietschte vor Aufregung. Ich betrachtete mich eingehend im Spiegel. Meine Haut strahlte regelrecht.

Keine Ahnung was sie in diese Tinkturen gemischt hatte, aber das Zeug musste echt gut gewesen sein. Meine Haare hatten durch die verschiedenen Öle und Kuren einen gesunden Glanz und fielen sanft über meine Schultern.

„Wow! Bist du meine gute Fee oder so?" Maja lachte. „Wer weiß." Sie deutete auf den kleinen Hocker unter meinem Schreibtisch. „Das sind deine Sachen für morgen. Jetzt kann nichts mehr schief gehen."

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