7 Vier Tage bis Vollmond

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Am nächsten Mittag machte sich Tom auf den Weg zur Wohnung der Geschwister, die nur zwei Querstraßen entfernt war. Als Georgios ihm öffnete, dachte er, in einem Donald-Duck-Comic gelandet zu sein. Georgios trug wieder die Matrosenuniform vom Vortag, heute aber weiße Leinenschuhe, Sophia einen blauen Faltenrock und eine weiße Bluse. Auf den ersten Blick wirkte sie ziemlich ernst und ein wenig schüchtern. Die schwarzen, glatten Haare waren in der Mitte gescheitelt und fielen ihr bis auf die Schultern. Eine schwarze Hornbrille dominierte ihr schmales, blasses Gesicht. Sie war etwas kleiner als Tom und im Gegensatz zu ihrem Bruder fast dünn.

Wenige Augenblicke später kamen auch ihre Freundinnen Dora und Maria, zwei lebhafte Mädchen, die anders als Sophia ununterbrochen plapperten. Sie hatten eine große, geflochtene Strohtasche mit ihren Strandutensilien dabei. Nach der gegenseitigen Vorstellung bestiegen die fünf Jungen und Mädchen den Bus nach Athen.

Was für die griechischen Jugendlichen eine alltägliche Busfahrt war, geriet für Tom zu einem weiteren Abenteuer. Die blau-weißen Athener Stadtbusse hatten etliche Jahre auf dem Buckel, und die harten Holzsitze waren unbequem. Viele Busse hatten Schlagseite nach hinten rechts, was wohl damit zusammenhing, dass in den Spitzenzeiten Trauben von Menschen in dem offenen hinteren Eingang hingen. Dort befand sich auch der Sitz des Schaffners, der den Fahrgästen kleine dünne Papierstreifen als Fahrkarten verkaufte, für die man mit Lepta-Münzen bezahlte, die merkwürdig leicht waren und in der Mitte ein Loch hatten.

Im Kopf rechnete Tom den Fahrpreis um und kam auf eine Summe von weniger als 20 Pfennig für eine Busfahrt, die fast eine Stunde dauerte. Als sie am Eingang zum Strandbad in Vouliagmeni wieder nur einige der Alumünzen berappen mussten, wurde ihm allmählich klar, dass er mit den 400 Mark, die er für die vier Wochen mitgenommen hatte, in Griechenland offensichtlich über ein kleines Vermögen verfügte.

Das Bad hatte einen etwa 2 Kilometer langen Strand aus grobem Sand, und 20 Meter oberhalb Wasserlinie reihten sich strohgedeckte Schirme aneinander. Unter einigen wenigen lagen oder saßen Menschen, wobei Tom auffiel, dass die Frauen fast alle vollständig bekleidet waren. Es war gegen zwei Uhr, und die meisten Griechen hatten den Strand verlassen, um zuhause auszuruhen und der schlimmsten Hitze zu entfliehen. Im Wasser, das nur ganz leicht gekräuselt war, tummelten sich einige Kinder, am westlichen Ende des Strandes spielten ein paar Jungen Fußball.

Die Mädchen steuerten einen der freien Strohpilze an und breiteten Badetücher aus, auf denen sie sich niederließen. Georgios kramte eine Tüte Gebäck aus der großen Tasche, und eins der Mädchen lief zu einem Verkaufsstand, um eine Flasche Limonade zu kaufen. Während sie auf den harten, süßen Keksen herumkauten, begannen Sophia und ihre Freundinnen ein Gespräch auf Griechisch, während Georgios Tom auf Englisch nach dem gestrigen Abend ausfragte.

Gerade erwähnte Tom, dass sein neuer Freund Nikos versprochen hatte, zu ihnen zu stoßen, als der auch schon am Eingang des Bades auftauchte. Er rannte zu der Gruppe unter dem Sonnenschirm. Georgios musste sich mit einem kurzen „Jassu" begnügen, während die Mädchen ausführlich begrüßt wurden. Tom beobachtete mit Interesse, dass Nikos jeder tief in die Augen sah und einige witzige Bemerkungen machte, vielleicht auch Komplimente, denn Sophia wurde ein wenig rot und hatte anscheinend Schwierigkeiten, ihn anzusehen.

Nikos begrüßte ihn auf Griechisch, wobei Tom mehrmals das Wort „philos" zu erkennen meinte. Als er merkte, dass er Griechisch gesprochen hatte, wiederholte er seine Begrüßung auf Englisch, wodurch Tom erahnen konnte, dass das Wort „philos" so etwas wie Freund hieß. Nikos zog die leicht angeschmutzte Hose und sein Hemd aus und stopfte sie in seine Umhängetasche aus Segeltuch. Anstelle einer Badehose trug er Shorts, die einmal schwarz gewesen waren, aber durch das häufige Baden in Salzwasser ziemlich ausgeblichen waren.

Die richtigen Leute Band 1: Die grüne LeuchtschriftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt