23 Griechische Installateure

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Schwankend tuckerte die Barkasse auf den kleinen Hafen zu. An einem Ende lagen bunte Fischerboote, während am anderen einige Segel- und Motoryachten vertäut waren. Allmählich wurden aus den Figürchen, die sich auf dem Platz am Hafen bewegten, Menschen, die scheinbar ziellos durcheinanderliefen: Frauen mit Einkaufskörben, viele von ihnen schwarz gekleidet und mit einem ebensolchen Kopftuch, Fischer, die an der Kaimauer ihre Netze flickten oder in Grüppchen herumstanden und schwatzten, Kinder, die Fangen spielten, ein paar Touristen.

Um den Platz am Hafen reihten sich Tavernen an kleine Läden, dahinter drängten sich weiße, kubische Häuschen. Tom erkannte nur eine etwas größere Straße, die ins Hinterland führte, während alle anderen Gassen des Ortes zu schmal für Autos waren, von denen außer einem alten Bus und ein paar Dreirädern keine zu sehen waren.

Nach der kurzen Fahrt in dem schwankenden Bötchen kletterten sie auf den Kai, gingen ein paar Schritte zu einem steinernen Poller und setzten sich. Ihre Seereise hatte zwar fast den ganzen Tag gedauert, dennoch war sie wie im Flug vergangen. Die Großstadt mit ihrer Hektik, ihrem Gestank, ihren Massen von Menschen und Fahrzeugen, lag weit hinter ihnen.

Sie fanden sich in einer völlig gegensätzlichen Welt wieder, mit einer ganz eigenen Geräuschkulisse, mit einem Geruch nach Fisch und Meer, mit einem Licht, das sogar durch die dunklen Brillen noch blendete. Fetzen von Musik und Gesprächen drangen zu ihnen. Der Sound dieses Örtchens war anachronistisch, wieaus einer Welt vor der Erfindung der modernen Technologien, die irgendwie falsche Geräusche produzierten.

Bis plötzlich eine aggressive Ansprache über einen blechern klingenden Lautsprecher ertönte. Sie ging von einem Mann aus, der an der Hafenpromenade neben einem motorisierten Dreirad stand und seine Melonen anpries. Damit bewies er, dass sie an einem anderen Ort, aber nicht in einer anderen Zeit waren.

Christina hatte ihnen den Weg zum Haus der Tante genau beschrieben, denn niemand würde sie am Hafen abholen können. Tante Kyra lebte, seit ihr Mann gestorben war, allein in ihrer kleinen Pension und verließ den ganzen Sommer über das Haus nicht, denn schließlich könnte ja einer ihrer Gäste einen Wunsch haben. Selbst die Einkäufe erledigten Nachbarskinder.

Am östlichen Hafenrand entdeckten sie die Apotheke, neben der eine Gasse in das Häusergewirr führte. An der zweiten Kreuzung sollten sie nach rechts abbiegen und auf diesem Weg bleiben. „Nennt man es eigentlich auch 'Kreuzung', wenn sich nur zwei schmale Gassen treffen," fragte sich Tom.

Kaum hatten sie den offenen Hafenplatz verlassen, wurden sie von den Gässchen verschlungen, die so eng waren, dass niemals Sonnenlicht einfallen konnte. Sie waren mit Natursteinen plattiert, deren Zwischenräume weiß gestrichen waren. Die viereckigen Häuschen waren schneeweiß und wiesen nur wenige, kleine Fenster auf. Der stetige Wind machte die Hitze von über 30 Grad erträglich.

Wie von Christina beschrieben, stieg der Weg nach einiger Zeit an, um dann wieder abzufallen, und schon tauchte auf der rechten Seite ihr Ziel auf, das sie an der Weinrebe erkannten, die sich um die blaue Tür rankte. Eigentlich sollte das Haus direkt am Wasser liegen, doch davon war nichts zu bemerken. Sie klopften an die Tür und betraten die Diele. Sofort umgab sie eine Kühle, die ihnen erst klarmachte, wie heiß es draußen war. In der Luft lag ein angenehm süßlicher, ganz leichter Duft von Lavendel und Oregano.

Etwas verloren standen sie in dem engen Flur mit einem blanken Steinfußboden, der außer mit einem großen Spiegel nur mit einer Glasvitrine möbliert war, in der sich allerlei Tässchen, Gläser, Porzellanfigürchen und ähnlich hübsch-hässliche Gegenstände befanden. Über der Vitrine hing das grobkörnige Bild eines älteren Mannes mit wettergegerbtem Gesicht und strähnigen Haaren, dessen Augen die Besucher direkt anzuschauen schienen.

Die richtigen Leute Band 1: Die grüne LeuchtschriftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt