16 Marmorsäule

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Sie küssten sich wieder und wieder. Sie streichelten sich immer leidenschaftlicher, und Tom bemerkte, dass es in seiner Hose eng wurde. Als seine Finger sich ganz ohne sein Zutun am Verschluss von Sophias BH zu schaffen machten, zischte sie ein kurzes, aber keinen Widerspruch duldendes „Tz tz" durch die Zähne. Toms Finger gehorchten ihm widerwillig und verzichteten darauf, unzüchtig zu werden.

In seiner Hose pochte es gewaltig, und als sie einen weiteren, tiefen Zungenkuss austauschten, bemerkte er mit Panik, dass sich Feuchtigkeit ausbreitete. Er fühlte, dass er rot wurde, und hoffte nur, dass weder sein Kopf in der Dunkelheit zu leuchten begann, noch seine Hose das Geheimnis ihres Innenlebens preisgeben würde. Ausgerechnet jetzt ertönte aus dem Dämmerlicht ein halblautes „Hey". Nikos' Stimme riss die beiden unsanft aus ihrer Umarmung.

Viel zu schnell kamen die Jungen näher. Georgios plusterte sich ein wenig auf und holte gerade Luft, um zu einer Predigt anzusetzen, als Nikos ihm zuvorkam und in aller Ausführlichkeit von dem unglaublich spannenden Laden berichtete, den sie unterwegs völlig unvorhergesehen entdeckt hatten.

Geschickt band er Sophias Bruder ein, indem er alle möglichen exotischen Gegenstände erwähnte, zu denen Georgios natürlich etwas sagen musste. So nahm er ihm jede Gelegenheit, Sophia und Tom zurechtzuweisen. Georgios schien sich damit abzufinden, dass sein Auftrag als Aufpasser gescheitert war.

Schließlich versuchte er, seines Amtes wenigstens noch ansatzweise zu walten, indem er die Gruppe zum Aufbruch drängte. Er hatte versprochen, seine Schwester bis Mitternacht nach Hause zu bringen, und er wollte wenigstens diesen Teil seines Versprechens einlösen.

Sollte er seinen Eltern Sophias Verfehlung verraten, die er durchaus wahrgenommen hatte, und sei es nur durch den Umstand, dass Toms Hemd ihm plötzlich bis zu den Knien reichte? Und trug der nicht eben noch eine Brille? Er entschied sich, nicht zu petzen, denn er hielt es nicht für ausgeschlossen, dass seine Strafe härter ausfallen könnte als Sophias.

Für den Rest des Abends wollte er aber besonders gut aufpassen, und so nahm er seine Schwester an die Hand und lief los. Auch Nikos nahm Toms Hand. Der Brauch, dass junge Männer in Griechenland oft Hand in Hand spazierengingen, hatte Tom anfangs sehr befremdet. Inzwischen fand er es ganz normal und in keiner Weise anstößig. Er war sich allerdings darüber im Klaren, dass er – zurück in Deutschland – sein Verhalten umgehend wieder ändern musste.

Tom und Nikos folgten den Geschwistern, die ein intensives Gespräch auf Griechisch führten, mit ein paar Metern Abstand. So blieb es Tom erspart, Georgios' Vorhaltungen zu verstehen. Nikos sah seinen deutschen Freund mit blitzenden Augen an.

„Keine Geheimnisse," erinnerte er ihn an sein Versprechen.

Toms Kopf fühlte sich immer noch heiß an, und er war froh, dass Sophia sein Hemd derangiert hatte, sodass es die Region der Peinlichkeit verdeckte. Seine Hose müsste triefen, dachte er, und das Glücksgefühl über die knappe Stunde mit seiner neuen Freundin wurde hin und wieder davon getrübt, dass dieses Bild vor seinem Auge entstand.

„Ich erzähle Dir alles, versprochen, aber nicht jetzt."

Einfühlsam sah Nikos Tom an, wenngleich seine nach wie vor Blitze werfenden Augen eine andere Sprache sprachen. Mit dem Verständnis eines echten Freundes sagte er:

„Ja, ja, schon gut. Der kleine Bruder soll ja auch nichts merken."

Tom nickte zustimmend, wobei er darauf achtete, den Kopf langsam zu senken, denn hätte er mit dem Kopf eher ruckartig, und zuerst nach oben genickt, hätte es das Gegenteil bedeutet, wie er inzwischen gelernt hatte. Er war froh, dass Nikos nicht auf einem sofortigen Report bestand, denn er hätte kein gutes Gefühl dabei gehabt, seine Erlebnisse auszuplaudern, wenn seine neue Liebe nur drei Armlängen entfernt war.

Die richtigen Leute Band 1: Die grüne LeuchtschriftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt