Georgios hatte die beiden aus den Augenwinkeln beobachtet und kam jetzt mit dem Anführer seines Teams zu ihnen. Spiros machte Tom mit seinem Vereinskollegen und Cousin Michael bekannt. Die beiden wollten einen Trainingskampf absolvieren.
„Die brauchen das," grinste Georgios und schüttelte den Kopf.
Tom war gespannt, wie sein neuer Freund angesichts eines gleichwertigen Gegners aussehen würde. Michael war einen halben Kopf größer als Spiros und ein oder zwei Jahre älter. Beide waren ähnlich durchtrainiert und muskulös, Michael vielleicht eine Idee schwerer.
Spiros legte die Boxhandschuhe ab und erklärte Tom den Ablauf des Trainigskampfes. Georgios bekam eine Uhr, um die Rundenzeit von jeweils fünf Minuten zu stoppen. Die erste Runde war Ringen, die zweite Boxen, und die dritte eine Kombination aus beidem. Beim Ringen gab es keinen Schultersieg, sondern einen Punkt, wenn einer der Gegner abklopfte. Georgios sollte mitzählen, aber der Kampf würde weitergehen. Beim Boxen würden die Niederschläge gezählt. Wie die dritte Runde ablaufen sollte, konnte Tom sich gar nicht vorstellen: mit den schweren Boxhandschuhen konnte man nicht gut ringen, ohne würde man beim Boxen Verletzungen riskieren.
Der Ringkampf wurde verbissen geführt. Zweimal musste Spiros abklopfen, weil Michael ihm mit einem Würgegriff die Luft nahm. Spiros seinerseits zwang Michael aufzugeben, indem er seinen Arm schmerzhaft verdrehte. Toms Respekt wuchs mit jeder Minute. Beide waren gute Ringer und schenkten sich nichts. Am Ende stand es 2 : 1.
Georgios kannte die beiden Jungen gut, wenn er auch ihre sportlichen Ambitionen nicht im Ansatz teilte. Spiros war ein entfernter Cousin, der wiederum mit Michael verwandt und befreundet war. Tom nahm an, dass Georgios sie schon häufiger trainieren gesehen hatte und fragte ihn, was in der dritten Runde passieren würde.
„Es ist eigentlich nicht einfach eine Kombination aus Ringen und Boxen. Sie machen Pankration, wie damals in Olympia. In einigen Boxclubs wird das manchmal trainiert. Es ist alles erlaubt, was im Ringen und im Boxen erlaubt ist, dazu Tritte wie im Karate, kennst Du das?"
„Das kommt aus Japan, stimmt's? Und da darf man treten?"
„Treten und mit der Handkante schlagen. Pankration hatte in der Antike überhaupt keine Regeln, aber das wäre natürlich ein bisschen unpassend. Soll sich ja niemand schwer verletzen. Aber härter als Ringen und Boxen zusammen ist das auch so."
Inzwischen waren die Jungen beim Boxen angekommen, und Tom wurde klar, dass Spiros nur ein wenig mit ihm gespielt hatte. Jeder ging im Verlauf der fünf Minuten einmal zu Boden, was eine kurze Pause zur Folge hatte, während der Georgios die Uhr anhielt. Etliche der Fußballspieler stießen zu ihnen und saßen im großen Kreis um die Kämpfenden herum. Auch die Mädchen waren etwas näher gekommen.
Nach der Boxrunde saßen die beiden keuchend im Sand. Sie zogen die Handschuhe aus, und Michael redete auf seinen Gegner ein. Offensichtlich hatte er einen Verbesserungsvorschlag für Spiros' Deckung, denn er machte ihm einige Posen vor, die der anschließend wiederholte. Dann war die Zeit der dritten Runde gekommen.
Beide belauerten sich zunächst wie Ringer, bis Spiros, der einen Punkt gutzumachen hatte, nach Michael schlug. Als der zurückwich, sprang er ihn an und zwang ihn zu Boden. Nun folgte ein Ringkampf, aber immer, wenn einer der beiden in einer vorteilhaften Position war, boxte er auf den anderen ein. Der Kampf wogte hin und her, mal hatte der eine, dann der andere die Oberhand. Plötzlich drehte sich Spiros auf Michaels Rücken, legte ihm den rechten Arm von hinten um den Hals, zog mit dem anderen Arm den Griff zu, fixierte seinen Körper, indem er seine Beine um ihn schlang und die Füße verschränkte. Obwohl Michael versuchte, sich zu befreien und nach ihm schlug, musste er schließlich abklopfen. Danach sah es eher wie ein normaler Ringkampf aus, und am Ende stand es unentschieden.
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Die richtigen Leute Band 1: Die grüne Leuchtschrift
Historical Fiction„Die grüne Leuchtschrift" ist der erste von 20 Bänden meiner Buchreihe „Die richtigen Leute". Tom, ein 15-jähriger Deutscher, verbringt die Sommerferien im Jahr 1969 in Griechenland, wo eine Militärdiktatur herrscht. Kaum angekommen, lernt er im Hau...