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V - Lost In Curiosity

1st of June
Mit einem selbstsicheren Grinsen auf den Lippen hielt ich freudig meine Hand hoch, während zwischen meinem Zeigefinger und dem Ringfinger stolze fünf Euro eingeklemmt waren. Dado rollte nur mit den Augen und konnte kaum fassen, dass ich es mal wieder geschafft hatte von dem griesgrämigen Mann an Tisch 3, Trinkgeld zu bekommen. Er war ein echter Stammgast und aß viel zu oft hier, sodass man schon munkelte, er wäre einsam und verloren in seiner Freizeit. Und auch sein Charakter ließ auf eine Einsamkeit, verbunden mit einer weitgehenden Verbitterung, schließen, sodass man wirklich das breiteste Lächeln und den ehrlichsten Charm auspacken musste, um überhaupt einen Cent Trinkgeld zu sehen. Dado und ich hatten es uns schon lange zu unserer Challenge gemacht, das Portemonnaie dieses Mannes für uns weiter zu öffnen und das hier war sogar schon das zweite Mal, dass ich es geschafft hatte. Dado hingegen, scheiterte immer wieder kläglich. "Wie machst du das bloß immer? Der schreit schon, wenn ich ihm zwei Meter zu Nahe komme.", beschwerte sie sich bei mir, während ich mein verdientes Geld ruckartig in meine Tasche stopfte. "Denkst du wirklich, ich verrate dir alle meine Tricks?" Empört blickte sie mir in die Augen und wollte gerade etwas erwidern, als neue Kundschaft aufkam und ich grinsend auf den jungen Mann deutete, der gerade mit seinen zwei Kindern das Restaurant betrat. Dado wurde heute dazu eingeteilt, die Kundschaft höflich an einen freien Tisch zu begleiten und ihnen die Speisekarte zu bringen. Für mich klang das eher nach einem teuren Schnösel-Restaurant, aber wenn man wusste in welchem Gebiet wir hier waren, ergab das sowieso keinen Sinn mehr. Dafür fehlten uns wirklich die unfairen Reservierungen oder eine hässliche Eisskulptur. Theresa aber, fand diese Idee einfach nur schön und hatte darauf bestanden, weil sie es liebte, wenn Dinge geregelt und organisiert abliefen. Deswegen bekam man auch schon einen mahnenden Blick, wenn man pünktlich da war und nicht eine Viertelstunde vor Arbeitsbeginn.

Und wenn man schon von Pünktlichkeit sprach, stellte ich mit einem kurzen Blick auf die Uhr fest, dass nun auf die Sekunde genau meine Pause begann. Energiegeladen betrat ich unseren Mitarbeiterraum und sorgte dafür, dass Mike meinen Platz einnahm und nicht mehr wie ein Verrückter auf eine Nachricht von seiner Exfreundin wartete. Kurz trank ich einen riesigen Schluck Wasser und nahm danach schnell meine Schulsachen heraus, um für die Englischklausur zu lernen. Die meisten meiner Kollegen, wie auch Dado, verstanden nicht wie ich während meiner Pause meine Zeit mit Lernen verschwenden konnte, aber das lag wahrscheinlich daran, dass sie auch nicht wussten, wie es war auf eine Elite-Schule zu gehen. Genervt stöhnte ich auf, als mein Smartphone plötzlich einen Ton von sich gab und ich sofort vergaß, was in dem Absatz stand, den ich gerade gründlich gelesen hatte. Mit einem Mal fischte ich mein Handy aus meiner Jackentasche und atmete erschrocken auf, als ich meine Erinnerung durchlas, die ich mir glücklicherweise gestellt hatte. "Patrick Mayer bespaßen.", stand dort auf meinem Bildschirm, weswegen ich mit einem Mal aufstand und meine Sachen wegräumte. Heute war unser erstes außerschulisches Treffen als 'Fake-Boyfriends' und obwohl ich ihm vorgeschlagen hatte, mich bei der Arbeit zu besuchen, war ich nun nicht mehr so überzeugt davon, Patrick zu zeigen, wo ich ständig arbeitete. Dieser Junge war bestimmt heimlich reicher als Bill Gates und hatte dafür nichts getan, was stark darauf deutete, dass er so ein Restaurant und schon gar nicht dieses Viertel, jemals betreten hatte. Mir fiel sofort auf, dass das ein blöder Fehler gewesen war und hörte dabei seine dummen Sprüche jetzt schon, die mich manchmal zur Weißglut trieben. Vielleicht war es aber auch gut für ihn, mal rauszukommen, besonders nachdem ich dieses komische Gespräch zwischen ihm und seiner Mutter beobachten durfte. Am nächsten Tag war er wieder ganz normal gewesen, so als wäre nichts passiert und so, als würde er nicht wissen, dass ich bemerkt hatte, wie komisch das alles gewesen war. Er konnte ganz plötzlich wieder dumme Sprüche klopfen, einen Football weit werfen und sich wie ein reicher Idiot verhalten und manchmal wusste ich nicht, was ich schlimmer fand. Trotz allem hatten wir kein Wort mehr darüber gewechselt und es wäre wahrscheinlich am besten, wenn ich mich da raushalte, so wie ich es sonst immer tat. Die Hauptsache war, dass ich die Schulgebühren hierdurch bezahlen konnte und glücklicherweise heute schon die Zahlung für den Juni erhalten hatte.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt