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IX – Lost In Loyalty

8th of June
"Beziehungsaus beim Schülersprecher und heißem Sportler?", las ich laut vor und blickte danach sofort mit hochgezogener Augenbraue von der großen Zeitung in die Augen von Ethan, der mich nur verschwitzt anlächelte, "Ist das euer ernst?" "Ach, komm schon. Du weißt genau, dass das momentan das Gesprächsthema Nummer 1 ist. Es interessiert die Leute, also liefern wir." Genervt seufzte ich einmal laut und ließ meinen Blick kurz durch den Raum schweifen, in dem die Schüler der Schülerzeitung gerade fleißig an ihren Computern arbeiten sollten. In der Realität sah das natürlich ganz anders aus. Ich wusste genau, dass sie in Wirklichkeit nur so taten und eigentlich mindestens mit einem Ohr unserem Gespräch lauschten. Menschen liebten nun einmal den Klatsch und Tratsch, besonders Schüler in einer Highschool. Für sie war das alles gefundenes Fressen, um endlich über die nächste Person ablästern zu können. Schließlich waren ihre eigenen Leben nun einmal zu langweilig. "Ihr liefert dann aber hoffentlich keine Fake-News. Aus guter Quelle kann ich sagen, dass uns kein Beziehungsaus bevorsteht.", entgegnete ich ihm, was ihn nur interessiert die Augen verengen ließ. "Ach, wirklich? Warum musstest du dann Oliver fragen, wo Patrick steckt, wenn eure Beziehung so gut läuft und ihr über alles redet?" Wütend verschränkte ich die Arme vor der Brust und konnte kaum glauben, dass ich schon wieder über mein Privatleben ausgefragt wurde. Es war wirklich eine dumme Idee gewesen, den Idioten Oliver zu fragen, der insgeheim bestimmt alle seine Freunde verraten würde, wenn man ihm nur die richtige Summe versprach. "Komischerweise habt ihr auch noch nie erzählt, wie eure Beziehung zustande kam. Wie wäre es mit einem öffentlichen Statement?", hakte Ethan weiter nach und hielt mir plötzlich sein Handy ins Gesicht. Kopfschüttelnd drückte ich sein Smartphone aus meinem Gesicht und funkelte ihn sauer an. "Ethan, ihr seid eine Schülerzeitung und nicht die New York Times, also bitte verschone mich damit.", stellte ich klar, weswegen er nur die Augen verdrehte, "Und die Themen der Schülerzeitung für diese Woche werden nur genehmigt, wenn die Artikel der Wahrheit entsprechen. Ohne Fake News, ohne Gerüchte." Empört stöhnte der Junge auf und schien nicht mit meiner Entscheidung zufrieden zu sein. "Das ist definitiv ein Verstoß gegen die Meinungsfreiheit!" "Ich bitte dich. Meinungsfreiheit beinhaltet ganz bestimmt keine falsche Nachrichtenkundgabe. Du klingst ja schon wie Donald Trump.", rechtfertigte ich meine Entscheidung, was ihn angeekelt das Gesicht verziehen ließ. Mit einem motivierenden Klopfer auf seine Schulter verabschiedete ich mich also und verließ seufzend den Raum.

Patrick war die letzten drei Tage komplett von Erdboden verschluckt gewesen und viel zu oft hatte ich daran gedacht, ihn nochmals zu besuchen. Es hatte mich unglaublich sauer gemacht, wie er alle meine Nachrichten gelesen hatte, aber sich zu stolz war, um darauf zu antworten. Aber schließlich hatte ich wohl genau das verdient, als ich ihm das gleiche am Wochenende angetan hatte. Trotzdem sah ich es nicht ein, mich zu entschuldigen oder etwas dergleichen anzufangen. Langsam fand ich nämlich, dass er ganz bestimmt etwas übertrieb. Schließlich hatte ihn nicht sein fester Freund am Wochenende versetzt, sondern einfach nur irgendein dahergelaufener Junge, den er kein bisschen kannte.
Zu meiner Überraschung war der braunhaarige Schönling aber heute wieder im Schulgebäude gesehen worden, zumindest hatte ich das gehört. Bis jetzt hatte ich nämlich zum Glück nur Kurse gehabt, die Patrick nicht belegt hat. Ich wollte ihn trotz allem immer noch nicht sehen. Zu groß war die Angst, dass Patrick alles abbrechen würde und ich am Ende des Monats von der Schule flöge. Außerdem war mir die Aktion von Montag immer noch sehr unangenehm, obwohl ich nicht einmal wusste, ob Patrick es erfahren hatte. Und ich wusste auch immer noch nicht, wer dieses Mädchen überhaupt gewesen war. Ich hatte sie noch nie gesehen und Patrick hatte sie genauso nie erwähnt.

"Manuel? Darf ich dich einmal in mein Büro bitten?", ertönte plötzlich die Stimme von Patricks Mutter neben mir, die mich aus meinen Gedanken geholt hatte. Erschrocken blickte ich in ihre Augen, die genau die gleiche Farbe wie Patricks Augen hatten, während ich mich ein wenig ertappt fühlte. So als hätte sie hören können, dass ich an ihren Sohn gedacht hatte. "Natürlich", erwiderte ich mit fester Stimme, obwohl meine Knie anfingen, zu zittern und ich innerlich betete, dass sie mich nicht am Montag vor ihrem Haus gesehen hatte. Genauso wie mein Vater es jetzt tun würde, was ziemlich unwirklich für mich war, da ich sonst mit fester Überzeugung Atheist war. Der nächste Grund für meinen Vater, mich letztendlich zu enterben.
Zögernd folgte ich ihr und setzte mich wieder auf den schicken Designerstuhl, auf den ich vor ungefähr zwei Wochen schon einmal gesessen hatte und darum gebangt hatte, meinen Platz auf dieser Schule zu verlieren. Und jetzt war es irgendwie schon wieder so, nur auf eine ganz andere Art und Weise. Dieses Mal wäre es meine eigene Schuld, wenn ich Patricks Geld und damit diese Schule verlieren würde.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt