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XXXIII - Lost In Lies

28th of July - The Day
Gefühlslos beobachtete ich, wie die Menschenmasse vor dem Eingang immer größer wurde, während ich mich an der riesigen Laterne hinter mir anlehnte und desinteressiert meine Arme vor der Brust verschränkte. Nur stumpf konnte ich die vielen aufgeregten Stimmen wahrnehmen, die darauf warteten, dass das langeersehnte Festival endlich begann. Und obwohl das wohl meine Aufgabe gewesen wäre, konnte ich genaustens Ayla beobachten, die freudestrahlend auf die Schüler zu ging und ihnen versicherte, dass es bald losgehen würde. Falsch grinsend schien sie aufgeregt über den Platz zu laufen, während ihr glitzerndes, kurzes Kleid Aufmerksamkeit erregte, die sie in vollsten Zügen genoss. Passend dazu hatte sie sich todschicke, glitzernde Sticker ins Gesicht geklebt, die ihren heutigen Look vollständig wirken ließen. Etwas zu freundlich strahlten ihre Augen, als sie dem DJ signalisierte, dass er beginnen konnte und danach grinsend ihren hohen Pferdeschwanz nachzog, der mich ein bisschen zu sehr an Ariana Grande erinnerte. Seufzend konnte ich erkennen, wie ihr Blick kontrollierend über den ganzen Platz wich und schließlich unzufrieden auf mir stehen blieb. Wäre es mir plötzlich nicht so egal, was sie von mir dachte, hätte ich wahrscheinlich gefügig meinen Kopf zu Boden bewegt, doch stattdessen starrte ich mit einem genervten Glitzern in den Augen standfest zurück. "Manuel.", nannte sie seufzend meinen Namen, während sie auf mich zukam und dabei ihr Kleid zurecht zog, "Du könntest wenigstens etwas lächeln. Schließlich ist das heute unser großer Tag." "Unser oder dein Tag?", zischte ich gleich desinteressiert, was sie genervt schnaufen ließ. "Ist das jetzt wirklich der richtige Zeitpunkt für das nächste Drama?", hakte sie mit einem strengen Ton nach und kam mir noch einen Schritt näher, sodass ich schon fast zurückweichen wollte, aber feststellen musste, dass ich keinen Platz hatte, "Ich weiß wirklich nicht, was heute mit dir los ist, aber du solltest dich zusammenreißen." Und nachdem sie ihren drohenden Satz beendet hatte, drehte sie sich einfach wieder um und begab sich gleich zum Kartencheck, um das Festival langsam beginnen zu lassen.

Schulterzuckend blieb ich stattdessen einfach nur stehen und überließ ihr das Rampenlicht, während ich mich kleiner machte und hoffte, dass mich niemand ansprechen würde, obwohl ich genau wusste, dass das so gut wie unmöglich war. Mir war bewusst, dass ich gestern ohne weitere Erklärung nicht in der Schule gewesen war, genauso wenig wie im Restaurant. Mir war bewusst, wie viele verpasste Anrufe und ungelesene Nachrichten mein Smartphone momentan schmückte. Und ich wusste auch ganz genau, dass sie nach mir suchten. Dass sie Antworten wollten. Antworten, die ich ihnen nicht geben konnte, weil ich sie selbst nicht wusste.
Ich wusste nicht, wie es ihr ginge oder wie es mir dabei ginge. Schließlich war ich in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag stundenlang dort gewesen, nur um zu hören, dass sie bis jetzt noch keinen Besuch empfangen durfte. Durchgehend hatten sie mir versichert, dass es ihr gut ginge, es aber trotzdem noch zu früh wäre, während ich mich still und heimlich fragte, ob sie mich überhaupt sehen wollte.
Obwohl alle denken, dass es besser für mich wäre, Zuhause zu bleiben und ein wenig zu schlafen, schien das der Ort zu sein, an dem ich am wenigstens sein wollte. Und das lag nicht mal daran, dass meine Nachbarin mindestens jede Stunde klingelte und nach mir sah. Es lag auch nicht daran, dass sie gegen meinen Willen unsere Küche genutzt hatte, um mir etwas zu kochen, das ich sowieso nicht essen würde. Viel mehr lag es an dieser ätzenden Stille, die mich mit jeder einsamen Sekunde noch weiter zu zerdrücken schien. Es lag daran, dass sie nicht da war. Dass ich zurückgelassen wurde und wieder alles an mir lag, während ich die Gedanken an mein Versprechen verdrängte und genau wusste, dass sie das nicht gewollt hätte.

"Okay und hiermit öffne ich die Tore und sage: Viel Spaß bei der besten Zeit eures Lebens und dem unglaublichsten Festival des Jahrzehnts!", über dramatisierte Ayla die Situation und öffnete die Tore, sodass die Schüler sofort damit begannen, ihre gekauften Karten checken zu lassen und endlich das Festival betraten. Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Musik sofort durch meine Ohren dröhnte und meinen schmerzenden, schweren Kopf noch schwerer werden ließ. Voller Euphorie und Vorfreude füllte sich das Festival mit jeder vergangenen Sekunde, während die Umgebung immer lauter wurde und ein paar Schüler anfingen, die Tanzfläche einzunehmen. Für eine kurze Sekunde schien mein Mundwinkel ein wenig in die Höhe zu steigen, bis ich Aylas laute Stimme hinter mir vernahm, die einem ziemlich bekannten Namen rief, was mich leicht erschaudern ließ. "Patrick, hey!"
Seufzend fiel mein Blick auf den Braunhaarigen, der ziemlich genervt versuchte an dem Mädchen vorbeizusehen, das sich gnadenlos in seinen Weg gestellt hatte. Lächelnd klimperte sie mit ihren Wimpern und versuchte wahrscheinlich wieder ihm näher zu kommen, was meinem Herz einen Stich verpasste. Aber trotzdem blieb mein Blick starr auf dem Braunhaarigen stehen, der nach etwas zu suchen schien und dabei besser denn je aussah. Wahrscheinlich hatte auch er sich extra für das Festival aufgestylt. "Du weißt doch bestimmt wo Manuel ist, oder?", erkundigte er sich gleich hilfesuchend bei ihr, weswegen sie nur abschätzend an ihm herunterblickte. "Er treibt sich hier bestimmt irgendwo herum.", erwähnte sie nebenbei und nahm dann seine Hand in ihre, weshalb ich nur mit den Augen rollte, "Schau dir lieber mit mir diesen coolen Stand an. Man kann hier sogar etwas gewinnen." "Nein, danke.", zischte er genervt und befreite sich aus ihrem Griff. "Was ist denn los mit dir? Ich dachte, wir wären wieder Freunde?!" "Und das war eine ziemlich schlechte Idee.", erwiderte er ihr etwas harscher, bevor er noch einmal tief durchatmete, "Ich weiß genau, was du Manu für Müll erzählt hast, verstehst du? Und es ist okay, es war schließlich mein Fehler. Ich hätte nicht wieder dein Freund werden sollen." Verletzt blickte das Mädchen zu Boden, während die Musik noch lauter zu werden schien und ich fast Probleme bekam, sie zu verstehen. "Wie du willst, keine Freunde. Aber du wirst das bald bereuen, Patrick. Das alles.", kam es gehässig von ihr, bevor ich erkennen konnte, wie sie den Sportler stehen ließ und wütend noch einmal ihren Zopf richtete.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt