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XIX - Lost In Despair

29th of June
"Papa, ich kann nicht, okay? Das passt wirklich nicht in meinen Zeitplan.", argumentierte ich ruhig, während ich gestresst mit einer Hand meinen Rucksack durchsuchte und mit der anderen mein Smartphone ans Ohr hielt. "Dein Zeitplan, Manu? Wirklich? Dein kleiner Bruder hat Geburtstag und das passt nicht in deinen Zeitplan?" "Halbbruder.", war das einzige, was mir nach seinen Worten in den Kopf kam. Trotzdem versuchte ich meine Zunge zu zügeln und das Wort nicht auszusprechen. Ich wusste genau, dass das meinem Vater nicht gefallen würde. Schließlich hatte er mir schon oft gepredigt, dass das 'Halb' vor Bruder ihn nicht weniger zu meinem Bruder machen würde. Ich sah das ein wenig anders, vielleicht auch, weil ich die Dinge gerne so benannte, wie sie wirklich waren. "Manu, hallo? Bist du noch dran?", kam es weiter von meinem Vater, während ich immer noch in meinem Rucksack herumkramte und nebenbei einmal tief ausatmete. "Ja, bin ich.", entgegnete ich ihm trocken, bevor ich den Rucksack aus meiner Hand fallen ließ und mich wieder aufrecht aufsetzte, "Es tut mir leid, okay? Aber das Festival ist einen Tag vor Dylans Geburtstag und du weißt wie viel Kraft und Zeit ich dort hinein gesteckt habe. Also will ich es auch völlig auskosten und mich nicht früh am Morgen in einen Zug nach Texas setzen müssen." Genervt seufzte mein Vater nur, während sich für einen kurzen Moment alles in mir zusammenzog, da ich seine Enttäuschung schon aus der endlosen Stille heraushören konnte. "Ich kann dich zu nichts zwingen, Manu.", hörte ich aus dem anderen Ende der Leitung, "Aber du solltest wirklich über deine Prioritäten nachdenken. Schließlich hast du mir gerade gesagt, dass du lieber feiern willst, anstatt deinem kleinen Bruder eine Freude zu machen." Ungläubig blickte ich starr gegen die nächste Wand vor mir und konnte kaum fassen, dass er nur das aus meiner Aussage gehört hatte. "Als würde es für Dylan irgendeinen Unterschied machen!", rief ich wutentbrannt in den Hörer, nur um zu merken, dass mein Vater schon längst aufgelegt hatte. Wütend tritt ich gegen meinen Rucksack, sodass er ein paar Meter weiter durch den leeren Klassenraum geschleudert wurde, den ich rasch betreten hatte, um dieses Telefonat zu führen. Seufzend blieb ich auf dem kleinen Tisch sitzen und legte mein Gesicht in meine Hände, um mich langsam wieder zu beruhigen.

Doch als plötzlich die Tür geöffnet wurde, setzte ich mich mit einem Mal wieder gerade hin, während mein Blick zur Tür huschte und mein Puls ein wenig schneller wurde. "Ich habe dich schon überall gesucht.", kam es mit einem etwas vorwurfsvollen Unterton von Ethan, was mich die Augen verdrehen ließ, "Die Schülerzeitung ist fällig, mein lieber." Nickend nahm ich den Entwurf von Ethan entgegen und versuchte mich so gut es ging, darauf zu konzentrieren. Leicht schüttelte ich nur mit den Kopf, als ich sah, dass die Titelstory schon wieder von mir handelte. Dieses Mal hatte sie zwar wenig mit Patrick zu tun, aber es nervte mich trotzdem, da es um den angeblichen heimlichen Verehrer ging, der mir jetzt schon zwei Kuscheltiere geschenkt hatte. Mit bösem Blick schaute ich zu Ethan hoch, der mir daraufhin sofort einen Schritt näher kam. "Manu, das ist das, was die Leute gerade interessiert, okay? Ich kann ja nichts dafür, dass jeder dein Leben so interessant findet.", argumentierte er sofort, was mich wieder einmal mit den Augen rollen ließ, "Und dieses Mal kannst du wirklich nichts dagegen sagen. Schließlich ist das alles die Wahrheit, nicht wahr? Es gibt viele Zeugen, die gesehen haben, wie du die Geschenke gefunden hast." Sofort seufzte ich ein weiteres Mal und ließ mir das durch den Kopf gehen. Leider hatte Ethan aber recht. Viele hatten gesehen, wie das Häschen aus meinem Spind gefallen war und wie ich Patrick davon erzählt hatte. Der Artikel schien sachlich darüber zu informieren, was gesehen wurde und wenn ich das jetzt nicht genehmigen würde, konnte man mir unterstellen, dass ich es einfach nicht mochte, wenn über mich geschrieben wurde und ich damit die Pressefreiheit einschränkte. "Musst du mir es wirklich so schwer machen? Ich schwöre hoch und heilig, dass das dieses Mal nur eine einfache Berichterstattung von Tatsachen ist. Kein Klatsch und Tratsch. Ich nehme mir deine Kritik doch zu Herzen und außerdem hat die gleiche Autorin auch den netten Aufklärungsartikel über euch geschrieben." Interessiert hob ich eine Augenbraue, als er meinte, dass er sich meine Kritik zu Herzen nähme. Für mich klang das eher nach Ironie. "Es ist genehmigt." "Och, komm schon. Warte, was? Genehmigt?", fragte er gleich nochmal ungläubig nach. "Ja, genehmigt. Und nun lass mich meine Arbeit machen, okay? Ich muss gleich eine Durchsage für das Festival machen." Sofort nickte er eifrig und ließ mich endlich alleine.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt