XV - Lost In Lightness
23rd of June
Mit einem leichten Grinsen auf den Lippen lauschte ich den wunderschönen Stimmen des Chores, während meine schmalen Finger über die Tasten des Klavier glitten und ich mich völlig in den süßen Tönen verlor. Für einen kurzen Moment verstummten die vielen einzigartigen Stimmen, die alle diesen Song zu etwas Ganzem machten und nur noch der Ton meines Musikinstrumentes war zu hören. Mein kleines Solo übernahm meinen ganzen Körper, sodass dieser sich schon langsam zum Takt mit bewegte und ich mit vollster Leidenschaft weiterspielte, bis die Stimmen wieder einstiegen und sich der Song langsam zum Ende neigte. "Das war unglaublich! Genau so soll es sein.", schwärmte Leni, als wieder Stille im Raum eintrat und mein Grinsen nur noch breiter wurde, "Besonders von dir, Manu. Du warst heute wieder voll dabei. Das ist schön, zu hören." Grinsend nickte ich und die anderen fingen an, kurz zu klatschen. "Ihr wart doch genauso unglaublich!", erwiderte ich nur, was den meisten ein ehrliches Lächeln auf die Lippen zauberte. "Ich denke, für heute reicht es dann auch mit den Proben für unsere baldige Darbietung. Wie wäre es mit einem kleinen Song zum Spaß? Hat jemand einen Vorschlag?"Tief atmete ich einmal ein und wieder aus und fühlte mich total unbeschwert, während ich den anderen dabei zuhörte, wie sie einen Song auswählten. Heute war einer der ersten Tage gewesen, an dem ich mich wieder voll und ganz aufs Klavierspielen konzentrieren konnte. Dort waren keine Geldprobleme, kein Streit mit Patrick, keine Sorge um meine Mutter oder die nervigen Anrufe meines Vaters. Seit langem war dort nur mein Klavier und ich und wahrscheinlich übte sich das auch auf mein Talent aus, denn so gut wie heute hatte dieser Song noch nie bei uns geklungen, obwohl wir ihn schon seit Wochen übten. In den letzten Tagen hatte ich mich viel entspannter gefühlt, was wahrscheinlich daran lag, dass Patricks und meine neue Regelung schon viel besser klappte als vorher. Wir fragten uns gegenseitig, ob wir etwas wollten und waren nicht daran gebunden, an einem bestimmten Tag dies und jenes zu tun. Wir verbrachten viel mehr Zeit miteinander, weil wir es so wollten und nicht weil wir das Gefühl hatten, wir mussten es für unser Gewissen oder sonst irgendwen tun. Obwohl unsere "Beziehung" immer noch das heißeste Thema der Schule war, hatten wir gelernt, dem kein Futter mehr zu geben. Schließlich hatte es doch eigentlich niemanden zu interessieren, was jetzt wirklich zwischen uns war oder nicht und seitdem wir diesem Gedanken folgten, hatten wir kaum mehr Angst davor, dass diese ganze Fake-Dating Geschichte herauskommt. Außerdem fiel es mir nun viel leichter, zu lügen. Egal, ob das eher eine gute oder schlechte Sache war. Jetzt wusste ich aber, dass ich es aus einem guten Grund tat und nicht nur, um meine Geldprobleme zu lösen. Ich half Patrick wirklich damit, auch wenn es nur darum ging an seiner Seite zu sein. Und auch Ivy fühlte sich in meiner Nähe sehr wohl und fragte ihren Bruder oft, wann ich mal wieder zu Besuch käme. Erst vor ein paar Tagen war ich bei den beiden Zuhause gewesen. Dieses Mal zum Glück ohne der Direktorin über den Weg zu laufen, da sie wohl sehr beschäftigt gewesen war, so wurde mir das zumindest zugetragen.
Die größte Last war aber von meinen Schultern gefallen, als meine Mutter mir erzählt hatte, sie würde sich wieder für einen Job bewerben. Die letzten Tage hatten wir damit verbracht, verschiedenste Anzeigen zu durchforsten und bei manchen Betrieben anzurufen. Noch war nichts dabei herausgekommen, aber trotzdem verlor ich die Hoffnung nicht. So hatte ich mich schon lange nicht mehr gefühlt. Erst jetzt, nachdem mir Mutter wieder viele Haushaltsaufgaben abnahm, verstand ich so richtig, was aus mir in den letzten Monaten geworden ist und wie viel mehr Zeit ich eigentlich hätte haben können. Es war unglaublich, wie oft ich nun etwas unternehmen konnte, ohne nicht gleich in vollsten Stress wegen der Schule zu verfallen oder nebenbei noch an die Wäsche von Zuhause zu denken, die noch nicht gemacht war. Es fühlte sich so an, als wäre ich für das erste Mal, seitdem mein Vater uns verlassen hatte, wieder ein Teenager.Trotz allem war es aber nicht genauso wie vorher. Mama, Papa und ich, unbeschwert und fröhlich, in unserer kleinen Wohnung. So würde es wohl niemals mehr werden und das hatte ich verstanden. Und natürlich war mir auch bewusst, dass meine Mutter nicht einfach plötzlich geheilt war. Schließlich musste sie immer noch mindestens zwei Mal die Woche ihren Psychiater sehen und ihre Tabletten jeden Tag einnehmen. Aber solange das dafür sorgte, dass sie wieder lachen konnte, war das mehr als genug für mich. Solange das dafür sorgte, dass sie endlich wieder meine Mutter sein durfte.
"Manu, kannst du 'Listen To Your Heart' spielen?", fragte Leni mich plötzlich und holte mich aus meinen Gedanken, nachdem sie sich wohl endlich entschieden hatten. "Der von Roxette? Euer ernst?", lachte ich leise und konnte die Empörung der anderen nur förmlich spüren. "Hallo? Das ist einer der besten Liebessongs aller Zeiten!" Leise seufzte ich nur so vor mich hin, aber nickte dann schließlich und begann den Song anzustimmen.
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Lost In Lies | Kürbistumor
FanfictionSchülersprecher, bester Schüler seines Jahrgangs und dazu auch noch verdammt talentiert. Für Manuel könnte es nicht besser laufen, wenn da bloß nicht diese Geldprobleme wären, die ihm wahrscheinlich bald seinen Schulplatz kosten werden. "Ich kann a...