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X - Lost In Confrontation

9th of June
"Und ich sage dir, er ist einfach so auf die Fresse geflogen. Das hättest du sehen müssen!", kam es unüberhörbar von Michael, bevor er noch einmal lauthals lachte, "Noch nie war ein Football Training so spaßig gewesen." "Echt jetzt? Und wie hat Oliver reagiert?" "Naja, er war natürlich nicht begeistert. Besonders darüber, dass wir ihn ausgelacht haben. Also hat er das Trainingsgerät umgeschmissen und ist in die Kabine geflüchtet.", erzählte Michael weiter vom letzten Footballtraining, das vorgestern stattgefunden hatte. "Dass der Coach das einfach so durchgehen lässt." "Naja, so ist diese Schule halt." Seufzend zuckte ich mit den Schultern und schrieb weiter an meinem Finanzplan für diesen Monat. Momentan hatte ich nicht wirklich viel Zeit, also musste ich wohl auf die Pause ausweichen. Auch wenn es meiner Mutter in letzter Zeit viel besser ging, da sie endlich ihre verschriebenen Tabletten regelmäßig nahm, wollte ich solche Aufgaben nicht an sie abgeben. Schließlich hatte ich uns das ganze letzte halbe Jahr alleine versorgt und das hatte nur funktioniert, weil ich einen genauen Überblick über unsere Einnahmen und Ausgaben habe.
"Du, sag mal, Manu.", fing Micha erst an, was mich interessiert von meinen Unterlagen zu ihm blicken ließ, "Was ist eigentlich mit Patrick los?" "Wie meinst du das? Er ist doch wieder da." Genervt schaute er mir tief in die Augen, was mich unseren Augenkontakt unterbrechen ließ. "Das meinte ich doch nicht. Ich wollte eigentlich wissen, was zwischen euch los ist.", erklärte er sich, was mich leicht seufzen ließ. Es war wieder soweit und ich durfte ein weiteres Mal anfangen, zu lügen. In letzter Zeit wusste ich aber meist nicht mehr, wann ich eigentlich noch die Wahrheit sprach. "Was willst du denn von mir hören? Es ist kompliziert, okay?", antwortete ich ihm ziemlich stumpf, sodass es eigentlich klar war, dass ich der Frage aus dem Weg ginge. Seufzend blickte ich wieder auf meine Notizen zurück und versuchte, dort stillschweigend weiterzumachen. "Ich würde eigentlich nur gern die Wahrheit hören.", ließ Micha nicht nach, während sich alle Muskeln in meinen Körper unangenehm anspannten, als ich seine Worte verstanden hatte, "Ich weiß, das ist echt blöd für dich. Schließlich weißt du, dass ich deinen Freund nicht besonders leiden kann. Aber das heißt nicht, dass du nicht mit mir über ihn sprechen kannst. Besonders wenn es kompliziert wird oder er dich verletzt." Beruhigend schloss ich für einen kurzen Moment die Augen, damit ich nicht gleich anfing, loszuheulen. Schließlich erklärte mir mein bester Freund gerade, dass er trotz seiner starken Bewertung gegenüber Patrick für mich da sein würde. Dass ich mit ihm über alles reden könne. Dass er für mich seine Prinzipien beiseite schiebe. Und was tat ich? Ich log ihn an. Dieses ganze Gespräch und dieses gesamte Thema war voller Lügen. Er versuchte sich einzuschränken und Patrick so gut es geht zu akzeptieren, während diese Beziehung zu Patrick nicht einmal existierte.

Ich konnte es einfach nicht mehr übers Herz bringen, jetzt noch weiter zu lügen und das machte mich innerlich fertig. Aufgelöst legte ich meinen Collegeblock weg und drehte mich langsam zu Michael hin, um endlich die Wahrheit zu sagen. Auch wenn dies das letzte war, das ich wollte. Diese Lügerei würde mich irgendwann umbringen und eigentlich wusste ich innerlich doch ganz genau, dass diese ganze Sache mit Patrick vorbei war. Wenn es das nächste Mal dazu kam, dass wir redeten, dann würde der Braunhaarige alles abbrechen. Es würde vorbei sein und es war nun an der Zeit, das zu realisieren und klaren Tisch zu machen. Auch wenn das bedeutete, dass ich die Schule nächsten Monat verlassen müsste. "Micha, es gibt da wa-", fing ich langsam an, doch wurde plötzlich von Leni unterbrochen, die mich genau in diesem Moment von hinten angetippt hatte. "Hey, du. Ich will wirklich nicht stören, aber ich wollte eigentlich nur fragen, ob wir die Chorprobe für heute Nachmittag auf die Mittagspause schieben könnten? Ich habe dir eigentlich geschrieben, aber du warst wohl beschäftigt." Perplex starrte ich das Mädchen an, während mein Kopf wieder anfing, zu arbeiten und ich diese blöden Schuldgefühle rasch wegdrücken konnte. "Ähm...ja klar. Ich bin sofort auf dem Weg.", entgegnete ich ihr, weswegen sie einmal freudig in die Luft sprang und mich leicht umarmte. "Danke, Manu! Die anderen sind auch dabei. Also treffen wir uns in einer viertel Stunde, okay? Der Rest der Mittagspause muss eigentlich noch reichen." Leicht nickte ich, während sie wieder verschwand und ich sofort begann, meine Sachen zu packen, ohne Michael nochmal anzusehen. "Und was wolltest du jetzt sagen?" Leise seufzte ich noch einmal, bevor ich meine Sachen fertig gepackt hatte und mich zu Micha umdrehte, der immer noch erwartend auf dem anderen Ende der Bank saß. "Tut mir leid, Micha. Lass uns darüber doch ein anderes Mal sprechen. Ich muss vor der Probe nochmal zu meinem Spind.", antwortete ich ihm entschuldigend, bevor ich aufstand und einfach los lief, ohne auf seine Antwort zu warten. Zu meinem Unglück hörte ich aber seine Schritte hinter mir, die mich zu verfolgen schienen. Und als ich das Schulgebäude betreten hatte, konnte ich hören wie er zwischen den Schülern versuchte, meinen Namen zu rufen.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt