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XI - Lost In Thoughts

9th of June
"Was machst du denn hier?", kam es erschrocken von Dado, als ich mir mit schwitzenden Händen die kleine Kellnerschürze umband und verzweifelt versuchte, einen Schleife zu binden. Genervt riss sie mir die Bänder aus der Hand und machte mir nach nur wenigen Sekunden eine stramme Schleife. "Wieso springst du Freitags wieder ein? Aus dieser Phase bist du doch rausgewachsen." Leise seufzte ich einmal und schüttelte nur kurz mit dem Kopf, bevor ich meine Freundin einfach stehen ließ, um am Tisch 5 endlich die Bestellungen aufzunehmen. In sekundenschnelle wurde aus meinem kalten und gestressten Gesichtsausdruck ein warmes, freundliches Lächeln, das ich definitiv für diesen Job gebrauchen konnte. Als Kellner war es deine Pflicht, dafür zu sorgen, dass der Gast sich in deiner Gegenwart wohl fühlte, also durfte deine Laune definitiv nicht das Gegenteil versprechen. Für mich war das vorher immer sehr befremdlich gewesen. Ich meine, wieso sollte ich lügen und mich völlig verstellen, nur damit sich jemand anderes besser fühlte? Warum sollte ich jemand sein, der ich nicht war, nur damit am Ende mehr Geld dabei herumkam? Ich glaube, nach der Sache mit Patrick hatte ich das erste Mal verstanden, was genau das eigentlich bedeutete. "Kann ich Ihnen vielleicht noch etwas Gutes tun?"

Mit einem Grinsen auf den Lippen nickte ich den letzten Gästen noch einmal freundlich zu und gab die Bestellungen schließlich an einen Kollegen weiter, um endlich in meinen langersehnten Feierabend zu gehen. Sofort fiel meine Fassade und ich atmete einmal tief ein und wieder aus, während ich bemerkte, wie Dado ein weiteres Mal auf mich zu kam. Aus der Puste setzte sie sich nur still schweigend neben mich, was mich aber irgendwie noch nervöser machte. Nervöser als ihre Fragerei. "Ich habe Mikes Schicht übernommen, damit er heute seine Exfreundin zurückgewinnen kann. Zumindest ist das sein Plan.", redete ich in die Stille hinein, während ich im Augenwinkel erkennen konnte, dass sie seufzend ihren Kopf schüttelte. "Als würde dich Mikes Liebesleben mehr interessieren als deine Pflichten. Du kannst mich nicht belügen, Manu." Niedergeschlagen schaute ich sie von der Seite an, was sie auch zu mir blicken ließ. "Da bist du dann wohl die einzige Person."
Angestrengt drehte sie sich weiter in meine Richtung und schien mir noch stärker in die Seele schauen zu können, als eh schon. "Also geht es hier wirklich um die Sache mit Patrick. Was ist passiert? Ist es wirklich das Lügen, was dich so runter zieht?", kam es führsorglich von ihr, was mich etwas nachdenklich machte. "Wahrscheinlich schon. Aber eigentlich war Patrick derjenige, der heute alles beendet hat nach der Sache am Wochenende.", gab ich etwas betrübt zu und versuchte ihr dabei nicht in die Augen zu sehen. Schließlich hatte ich ihr gar nicht erzählt, was am Wochenende geschehen war, geschweige denn von dem Streit mit Patrick. Ich hatte in letzter Zeit einfach keine Lust gehabt, darüber zu reden oder überhaupt über irgendetwas zu reden und das durfte ich jetzt zu spüren bekommen. "Die Sache am Wochenende?" "Tut mir leid, dass ich dir nichts gesagt habe, aber ich wollte wirklich nicht darüber reden. Jetzt siehst du ja, was daraus geworden ist.", stellte ich vorerst klar, bevor ich die Geschehnisse der letzten Tage nochmal wiederholte, "Patrick hatte nach der Party am Freitag etwas komisches zu mir gesagt, weswegen ich dann keine Lust hatte am Samstag zu ihm zu fahren, wie eigentlich abgemacht. Also habe ich seine Nachrichten ignoriert und das ganze Wochenende nichts von mir hören lassen. Und jetzt ist er sauer." Bedacht ließ ich die Sache mit meiner Mutter sofort aus, weil das nicht von Bedeutung hierfür war. Außerdem wusste davon niemand auch nur ein Wort. So war es einfach besser.

"Was hat er denn komisches gesagt?", hakte sie weiter nach, ohne mich auch nur einmal zu verurteilen, wofür ich so unglaublich dankbar war. "Ach, es war eigentlich ganz dumm. Er war einfach nur überrascht davon gewesen, dass ich auf der Party so viel Spaß gehabt hatte. Für ihn war ich nur dieser pflichtbewusste, langweilige Junge, der nicht weiß, wie man feiert und mich hatte das irgendwie in dem Moment gekränkt." Seufzend schaute sie mich nur weiter an und ich wusste nicht so ganz, was das zu bedeuten hatte. "Bevor du etwas sagst: Ich weiß, es war dumm, ihn zu ignorieren. Aber ich halte diese heftigen Regeln wirklich nicht auch noch aus. Ich kann nicht immer springen, wenn er es will. Das ist einfach nicht möglich."
"Ach, Manu. Hast du ihm das gesagt?", fragte sie weiter, während ich überlegte und mich an unser letztes Gespräch zurückerinnerte. "Ja! Also... naja, vielleicht auch nicht. Ich war sauer bei unserem letzten Gespräch und habe es vielleicht etwas anders formuliert." Genervt blickte sie mich von der Seite an und versuchte mir zu signalisieren, dass das doch echt nicht mein Ernst sein konnte. "Wirklich, Manu. Ich denke, dass du echt viel falsch gemacht hast und nicht so unglaublich stur sein solltest!", fing sie an zu reden, was mich schuldig auf meine ineinander verschränkten Hände blicken ließ, "Aber ich verstehe, woher das kommt. Vielleicht sind diese ganzen Regeln wirklich etwas zu viel für dich. Schließlich belügst du schon deine Freunde und Familie, um für ihn den festen Freund zu spielen. Deswegen solltet ihr einfach mal ruhig miteinander reden, ohne dass jemand ausrastet."

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt