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XX - Lost In Freedom

30th of June
Entspannt nahm ich meine Noten von dem Klavier, um sie kurz zu sortieren und sie dann rasch in meinem Rucksack verschwinden zu lassen. Etwas genervt zischte ich auf, als sich der Stoff von dem Rucksack im Reißverschluss verfangen hatte und der Reißverschluss dadurch hakte. "Lass mich mal, Manu.", kam es von Leni, die mir, ohne auf meine Antwort zu warten, meinen Rucksack aus der Hand riss, um vorsichtig den Stoff aus dem Reißverschluss zu ziehen. Zufrieden grinste sie, als sie es nur in wenigen Sekunden geschafft hatte und schließlich schnell den Reißverschluss zu zog. "Danke.", sagte ich knapp, als sie mir meinen Rucksack übergab und ich einmal erleichtert ausatmete.
"Ich wollte dir übrigens noch sagen, dass ich auf jeden Fall beim Festival dabei bin!", sprach sie freudig, während ich meinen Rucksack über die Schulter warf und ihr gleich danach meine Aufmerksamkeit schenkte, "Es wird bestimmt unglaublich! Wir alle wissen doch, wie hart du immer arbeitest, Manu. Ich bin wirklich sehr gespannt." "Ich habe auf jeden Fall mein bestes gegeben, also erwartet auch viel. Aber ich darf eben nicht zu viel verraten. Wenn Misses Mayer das herausbekommt, wäre ich am Ende.", lachte ich leise, was sie gleich etwas auffällig zu mir schauen ließ. "Apropos Familie Mayer... Was Patrick gestern gemacht hat, war ja wirklich über süß." "Über süß? Das war einfach nur peinlich." Leicht rollte sie mit den Augen, während ich eine Augenbraue in die Höhe zog und kaum glauben konnte, dass die meisten das wirklich so gut fanden. Eigentlich hatte ich erwartet, dass ich nun von allen schief angeschaut werden würde, nachdem Patrick über die Lautsprecher verkündet hatte, dass ich wohl so etwas wie sein Eigentum war. Aber anscheinend hatte es ihnen sehr gefallen, da ich nur lieb angelächelt oder darauf angesprochen wurde. Besonders die Mädchen wollten mir unbedingt mitteilen, wie viel Glück ich doch hatte und wie romantisch mein Freund war. Manche haben mich sogar damit vollgelabert, wie ihr Freund so etwas niemals tun würde. Die einzige Person, die mir eventuell eine bösen Seitenblick geschenkt hatte, war eben Ayla, aber das war wohl nichts Neues.

"Ach, Manu. Du hast einfach nicht genug Gefühl dafür! Das war doch unglaublich romantisch.", argumentierte Leni grinsend weiter. "Wohl eher besitzergreifend." Ungläubig blickte sie mir in die Augen und kam mir einen Schritt näher. "Er hat vor der ganzen Schule zu dir gestanden! Und außerdem wollte er dir wahrscheinlich nur helfen. Schließlich ist diese ganze heimliche Verehrer Sache doch nervig, wenn du in einer festen, glücklichen Beziehung bist." Leicht verengten sich meine Augen und es lag mir auf der Zunge zu fragen, ob ich denn wirklich in einer "festen, glücklichen Beziehung" wäre, aber ich wusste natürlich, dass ich damit nicht anfangen könnte.

"Ähm... kann ich kurz stören.", ertönte plötzlich eine unbekannte Stimme hinter Leni, weswegen sie sich sofort zu ihr umdrehte und ich leicht an Leni vorbeischaute, um das Mädchen zu erkennen, dass ich vor ein paar Tagen umgerannt hatte. Kurz erinnerte ich mich daran zurück, wie sie ins Restaurant gekommen war, um nur etwas zu trinken und ich noch lange mit Dado darüber philosophiert hatte, wieso sie wohl dort war. Schüchtern strich sie sich einer ihrer langen, brauen Locken aus dem Gesicht, während wir beide darauf warteten, dass sie weitersprach. "Ich wollte nur kurz mit Manuel alleine sprechen, wenn das okay ist." Kurz fiel mein Blick auf Leni, die sich mit verwirrenden Blick zu mir gedreht hatte und ich nur mit den Schulter zuckte. Auch, wenn das mit dem Restaurant etwas ungewöhnlich gewesen war, war sie immer noch eine Schülerin dieser Schule. Das bedeutete also, dass ich auch ihr Schülersprecher war und für sie da sein sollte, falls sie Fragen hatte. Schließlich könnte das Gespräch, das sie verlangte, von der Schule handeln oder speziell vom Festival, das ich erst gestern richtig angekündigt hätte. Das wäre alles nicht sehr abwegig. Aber trotzdem verließ mich der Gedanke nicht, dass es mehr als das war. "Gut, ich fahre dann nach Hause. Wir sehen uns nächste Woche, Manu.", verabschiedete Leni sich von mir und schloss mich danach in eine kurze Umarmung, bevor sie den Raum verließ, um uns alleine zu lassen.
"Okay, kann ich dir irgendwie helfen? In welchem Jahrgang bist du überhaupt?", hakte ich also ganz sachlich nach und versuchte den Schülersprecher in mir herauszulassen. "Oh...ähm, ich bin sophomore. Ich gehe also in die Zehnte, eine Klassenstufe unter dir.", entgegnete sie mir und lachte danach einmal kurz unbehaglich, "Aber das hier hat nichts mit der Schule zu tun." Perplex starrte ich sie an und konnte kaum glauben, dass ich es gewusst hatte. "Hat es etwas damit zutun, dass ich dich letztens angerempelt habe? Das tut mir wirklich leid, okay? Ich war in letzter Zeit sehr gestresst und..." "Das ist es nicht!", rief sie einmal ganz laut während meines Satzes, weswegen ich ihn mittendrinnen abbrach. "Das ist es nicht.", wiederholte sie ihre Antwort noch einmal ruhiger, nachdem sie gemerkt hatte, dass das etwas komisch geklungen haben musste, "Ich wollte mich ganz ehrlich nur entschuldigen, weil... naja... ich es war. Also mit den Geschenken und so. Es tut mir leid." Etwas überfordert atmete ich einmal tief ein und wieder aus, während ich darüber nachdachte, wie ich ihr darauf antworten sollte. Schließlich hatte sie mir gerade schon unterschwellig gesagt, dass sie mich mochte, wenn sie eben mein heimlicher Verehrer war. "Fühl dich auch zu nichts verpflichtet! Es war eine dumme Idee, dir so meine Gefühle zu zeigen, während du einen Freund hast.", redete sie weiter, was mich leicht schlucken ließ, "Deswegen erwarte ich auch nichts. Du bist schließlich mit Patrick zusammen und ich habe erst gestern durch seine Durchsage verstanden, dass mein Verhalten nicht okay und wahrscheinlich über griffig war. Aber bitte, erzähl es niemanden, okay? Am Ende wird Patrick nur sauer und..."

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt