XVII - Lost In Future Plans
24th of June
Gebannt verfolgte ich die wilden Partylichter, die durch den Raum tanzten und von einer Sekunde auf die andere den Platz wie auch die Farbe wechselten. Mal beleuchteten sie die riesige Fensterwand hinter mir, die einen ordentlichen Ausblick auf den kilometerlangen Garten verschaffte. Noch nie in meinem Leben hatte ich so einen Garten gesehen. Erst einmal konnte ich mir vorstellen, dass man aus dem Garten drei Fußballfelder bauen konnte und außerdem war ich mir nicht mehr wirklich sicher, ob das was ich sah, alles war. Wahrscheinlich konnte man noch irgendwo ein riesiges Labyrinth vorfinden, wenn man noch ein paar Schritte weiter lief. Und dann spiegelte dieser Garten eine unglaubliche Perfektion wider. Jede Hecke, jeder Baum, jeder kleinster Strauch, vielleicht sogar jeder Grashalm schien symmetrisch geschnitten zu sein. Dort war einfach kein Blatt, das eventuell herausstach und das Gesamtbild veränderte. Auf der einen Seite sah das ziemlich atemberaubend aus, aber auf der anderen Seite raubte es wohl im wahrsten Sinne des Wortes den Atem. Niemals könnte ich mir vorstellen, hier aufgewachsen zu sein, da man vor lauter Perfektion und Ästhetik doch keine Luft mehr bekommen konnte. Man hatte ja schon Angst, diesen Rasen nur eine Sekunde zu lange anzusehen und ihn damit zu ruinieren. Wie sollte es also für ein Kind sein, das hier aufgewachsen war und einen riesigen Garten hatte, diesen aber nie betreten konnte? Irgendwie musste Michael in seinem Leben doch so viel, aber auch gleichzeitig so wenig gehabt haben. Und das, genau das hier, schien die wahre Bedeutung von atemberaubend zu sein.
Die vielen Lichter beleuchteten aber nicht nur das, sondern viel öfter die vielen Menschen, die eng aneinander tanzten und das heutige Spiel wohl schon vergessen hatten. Und eine von ihnen war Dado, die ihre Zeit hier ziemlich genoss. Freundesstrahlend tanzte sie in der Mitte der Meute und interessierte sich kaum dafür, wer sie ansah oder wer es nicht tat. Noch nie hatte ich sie so erlebt. Völlig verloren in einer Masse von Menschen, die eigentlich gar nicht zu ihr passte, aber trotzdem so unbeschwert. So als wäre die Welt ihre. So als wüsste sie genau, was sie dort täte. Und irgendwie fiel mir genau in diesem Moment auf, dass ich viel zu wenig über sie wusste. Dass ich wahrscheinlich allgemein viel zu wenig über meine Mitmenschen wusste. Erst war dort Michael, der anscheinend schon immer gewollt hatte, dass ich zu einem seiner Spiele kam und jetzt plötzlich eine Hausparty bei sich schmiss, bei der es so schien, als hätte er das nicht zum ersten Mal getan. Dann noch Leni, die in ihrer Freizeit auch öfter zu Football Spielen ging, um ihren kleinen Bruder zu unterstützen. Und jetzt Dado, die definitiv heute nicht auf ihrer ersten Party gewesen war und diese so sehr genoss, als wäre heute ihre letzte Nacht. Seufzend trank ich noch einen großen Schluck von meinem Getränk, während mir durch den Kopf ging, was für ein schlechter Freund ich eigentlich war. Wie wenig Zeit ich wirklich für andere gehabt hatte durch die Situation mit meiner Mutter. Wie viel Zeit ich von meinem Teenagerdasein eigentlich schon geopfert hatte. So wie Patrick es mir das eine Mal versucht hatte, zu sagen."Du solltest wirklich langsamer machen. Das Zeug ist stark.", ertönte plötzlich eine Stimme neben mir, weswegen ich in die Richtung blickte, aus die sie kam. Zu meiner Verwunderung gesellte sich Michael zu mir, obwohl ich eigentlich gedacht hatte, er würde mir die nächste Zeit die kalte Schulter zeigen. Danach fiel mir aber das Getränk in seiner Hand auf, das übermäßig doll nach Alkohol stank. Wahrscheinlich lag es wohl daran. "Seit wann kennst du dich mit Alkohol aus?", lenkte ich vom Thema ab und fragte gleichzeitig nach etwas, was ich auch vorher nicht von ihm gewusst hatte. "Seit wann betrittst du mein Haus?" Skeptisch schaute ich ihn an und konnte kaum fassen, dass er mir das wirklich an den Kopf warf. Schließlich hatte ich vorher immer gedacht, dass er so etwas genauso wenig gewollt hatte wie ich. "Du hast mich nie eingeladen.", stellte ich also klar und wollte darauf hinweisen, dass er auch nie etwas gesagt hatte. Michael ließ nur ein eindeutiges Schnauben von sich und schien meine Antwort lächerlich zu finden. "Weil du sowieso nicht gekommen wärst." Genervt drehte ich mich zu ihm hin und war kurz davor, ihm meine Meinung zu sagen, aber bevor ich meinem Mund öffnen konnte, unterbrach Dado uns, die sich lachend an mich klammerte und dafür sorgte, dass wir beide in andere Richtungen schauten. Ich wusste, dass ich wahrscheinlich nicht der beste beste Freund gewesen war. Ich wusste, dass ich nicht oft Zeit gehabt hatte. Ich wusste, dass ich eben nicht jedes Detail von meinen Freunden kannte. Aber trotzdem konnte Michael nicht so tun, als hätte das alles nur an mir gelegen. Nie hatte er was gesagt. Nie hatte er nachgefragt und plötzlich schien alles meine Schuld zu sein.
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Lost In Lies | Kürbistumor
FanfictionSchülersprecher, bester Schüler seines Jahrgangs und dazu auch noch verdammt talentiert. Für Manuel könnte es nicht besser laufen, wenn da bloß nicht diese Geldprobleme wären, die ihm wahrscheinlich bald seinen Schulplatz kosten werden. "Ich kann a...