XIV - Lost In a New Beginning
12th of June
"Ja, mir geht es gut, Papa. Ich bin gerade auf dem Weg zur Schule.", antwortete ich meinem Vater, der mir am anderen Ende der Leitung tausende Fragen stellte, die ich am liebsten gerade nicht beantworten wollte. Das lag keinesfalls daran, dass ich nicht mit ihm reden wollte, sonst wäre ich wohl nicht ans Telefon gegangen. Das war nämlich sonst mein Ausweg, wenn ich seine Stimme nicht hören wollte. Heute lag es viel mehr daran, dass mir der Stress ins Gesicht geschrieben war und ich für meine Verhältnisse spät dran war. Schließlich hatte ich noch viele Dinge erledigen müssen, nachdem ich am Wochenende kaum meinen Pflichten nachgegangen war. Mein sonst so geregelter Wochenablauf hatte nämlich am Wochenende meist nicht Platz für eine Übernachtung auf einem überteuertem Anwesen. Aber trotzdem hatte ich genau das getan und beschwerte mich gar nicht darüber, weil ich es trotz allem nicht anders machen würde, könne ich die Zeit zurückdrehen. "Stimmt, die Schule. Ist dort alles okay? Du bist bestimmt immer noch der Jahrgangsbeste, nicht wahr?" Kurz atmete ich einmal tief ein und lief ein wenig schneller, um nicht noch zu spät zu kommen. "Dort ist alles wie immer und meine Noten haben sich auch nicht verändert. Es ist nur etwas stressig, da ich gerade das Festival planen muss. Du weißt schon, das am Schuljahresende.", erklärte ich ihm ruhig, während meine Augen aufleuchteten, als ich endlich den Eingang der Schule erreicht hatte. "Oh, stimmt. Das klingt interessant.", fing er an, bevor er eine kurze Atempause einlag und danach fortfuhr, "Ich bin aber sehr froh, dass alles beim alten geblieben ist. Soll ich dir mal was erzählen, Manu? Ich hatte letzte Woche ein Elterngespräch mit Dylan's Lehrerin. Er kommt ganz nach dir und ist auch so ein guter Schüler. Ist das nicht toll?"Etwas genervt biss ich mir auf der Unterlippe herum und blieb kurz vor dem Eingang der Schule stehen, als mein Vater meinen Halbbruder erwähnte und schon wieder versuchte, ihn mit mir zu vergleichen, so als hätten wir irgendetwas gemeinsam, neben den gleichen Vater. Trotzdem aber schluckte ich den Kloß im Hals herunter, weil ich wieder einmal daran erinnert wurde, dass mein Vater ein neues Leben ohne uns hatte, und antwortete ihm mit einem lieben Lächeln auf dem Lippen. "Das freut mich sehr."
Erschrocken zuckte ich zusammen, als die Tür sich vor mir öffnete und ich sofort in die braunen Augen von Patrick blickte, der mir grinsend die Tür aufhielt und erwartete, dass ich diese Geste schätzte. Gleich nachdem mein Vater geantwortet hatte, nutzte ich also diesen Moment, um schließlich aufzulegen und dafür zu sorgen, dass ich einer eventuellen nächsten Geschichte über meine Halbgeschwister aus dem Weg gehen konnte. "Wir reden dann ein anderes Mal, Papa. Hier möchte gerade jemand etwas von mir. Bis dann.", sprach ich rasch und legte sofort auf, ohne auch nur darauf zu warten, was mein Vater dazu zu sagen hatte. Seufzend blickte ich zu Patrick, der meinen Blick nur verwirrt erwiderte. "Hier möchte jemand etwas von dir? Ist das so?", hakte er schließlich nach, weswegen ich mit den Augen rollte und durch die geöffnete Tür lief, die Patrick immer noch offen hielt. Rasch folgte er mir, während die meisten Blicke wieder auf uns gerichtet waren und ich schon fast vergessen hatte, dass wir immer noch offiziell zusammen waren."Ich wollte mich nochmal bei dir bedanken.", fing Patrick plötzlich an, als wir an meinem Spind angekommen waren. Überrascht drehte ich mich zu ihm hin und sah ihn endlich wieder an, nachdem ich ihn die letzten Minuten gekonnt ignoriert hatte, um mein Physikbuch in meinem Spind zu suchen, von dem keine Spur war. "Ivy hatte wirklich sehr viel Spaß am Wochenende gehabt und das besonders wegen dir. Sie hat dich echt gern." Leicht zuckte mein Mundwinkel nach oben, als ich seinen Worten lauschte und auch selbst an das Wochenende dachte. Obwohl wir viel über ernste Themen gesprochen hatten und ich miterleben musste, wie schrecklich seine Schwester bei ihm Zuhause behandelt wurde, hatten wir ausgiebig gelacht und Spaß gehabt. Bis in die Nacht hatten wir uns dumme Fragen gestellt, wo ich nicht nur mehr über Ivy erfahren hatte, sondern auch über Patrick. Von wie er als Kind gewesen war, bis zu wie er zu sich selbst gefunden hatte in Sachen Sexualität, war alles dabei gewesen. Am besten hatte mir aber gefallen, wie Patrick mit seiner Schwester umging. Noch nie zuvor hatte ich so eine tiefe Verbundenheit zwischen Geschwistern erleben können, sodass man sogar wusste, dass sie alles füreinander tun würden. Patrick würde alles aufgeben, wenn er dafür sorgen könne, dass seine Schwester nie wieder Leid erfahren musste und bei jedem Menschen als Mädchen anerkannt werde. Und auch Ivy würde alles wagen, um ihren Bruder glücklich zu machen. Besonders war mir das aufgefallen, als ich am Sonntagmorgen aufgewacht war und selbst beobachten konnte, wie Patrick schützend einen Arm um seine Schwester gelegt hatte. Nie in meinem Leben hatte ich den braunhaarigen Schönling so gesehen und konnte kaum glauben, dass so etwas in ihm steckte. Und ab heute sollte das alles wohl vorbei sein.
"Aber ich möchte dir auch allgemein für die letzten drei Wochen danken. Du weißt schon, für den Deal und dass du dich überhaupt auf meine dummen Ideen eingelassen hast." Nervös blickte ich zu Boden, während ich angestrengt mit dem Saum meiner Uniform spielte und nicht glauben konnte, wie sehr das nach einem Abschied klang. Und das schlimmste daran war, dass sich das ganz komisch anfühlte. So komisch, sodass ich das Gefühl nicht einmal einordnen konnte. "Und hier.", kam es plötzlich von Patrick, weswegen ich verwirrt nach oben blickte und mir gleich das dicke Physikbuch vor die Nase gehalten wurde, "Für Physik. Die Johnson wird nicht verwundert sein, wenn ich das Buch mal wieder vergessen habe, aber bei dir würde sie so eine unangenehm große Sache daraus machen. Also nimm schon." Etwas durcheinander nahm ich das Buch an mich und wollte mich gerade bei Patrick dafür bedanken, als mich plötzlich jemand von hinten antippte.
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Lost In Lies | Kürbistumor
FanfictionSchülersprecher, bester Schüler seines Jahrgangs und dazu auch noch verdammt talentiert. Für Manuel könnte es nicht besser laufen, wenn da bloß nicht diese Geldprobleme wären, die ihm wahrscheinlich bald seinen Schulplatz kosten werden. "Ich kann a...