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XXI - Lost In Great Times

3rd of July
"Mama, nein! Das kommt dort nicht rein!", rief ich laut, als ich meine Mutter im Augenwinkel dabei erwischte, wie sie fast den Zucker statt das Salz in den Kochtopf streute. Mit einem schelmischen Grinsen auf den Lippen las sie erst jetzt, dass auf der kleinen Dose "Zucker" stand und schien anzudrohen, es trotzdem in unsere Soße zu streuen. Laut beschwerte ich mich und ging langsam auf sie zu, um ihr die Dose aus der Hand zu reißen. Lachend entfernte sie sich etwas von mir, um mich dann schließlich mit etwas Zucker zu bestreuen. "Mama! Das ist doch kein Mehl!", beschwerte ich mich, bevor ich auch loslachen musste und meine Mutter meine Worte ziemlich ernst zu nehmen schien. Gefährlich grinsend stellte sie den Zucker ab und holte eine Packung Mehl aus dem Schrank hervor, die wir genauso wenig wie den Zucker gebrauchen konnten. Sofort wurden meine Augen größer, bevor ich abwartend ein paar Schritte zurück ging und nur beobachten konnte, wie sie eine Augenbraue in die Höhe zog und langsam ihre Hand in die Packung steckte. Bevor sie etwas machen konnte, stieß ich schon einen gedämpften Schrei aus und lief vor ihr weg, quer durch unsere Wohnung. Unschwer konnte ich bemerken, dass mir hinterher lief, was mich gleichzeitig ängstlich schreien ließ, aber mich auch zum Lachen brachte. Letztendlich fing sie mich ab und hielt mich fest, bevor ich unser Bad betreten konnte und legte mir ihre Hand ins Gesicht, sodass das Mehl über mein ganzes Gesicht verstreut wurde und ich gleich unzufriedene Geräusche machte. "Du kannst dich nicht vor mir retten!", rief sie triumphierend, was mich nur dazu brachte, mit dem Kopf zu schütteln. Genervt strich ich mir meine langen braunen Haare aus dem Gesicht, bevor mir eine Idee kam. Drohend lief ich auf sie zu, was sie nicht wirklich einschüchterte, doch plötzlich stürzte ich mich auf sie und kuschelte mich so nah an ihre Wange, dass ihr halbes Gesicht in kürzester Zeit auch voll mit Mehl war. "Manu!" Laut lachten wir und ich hatte schon lange nicht mehr so eine freie und unbeschwerte Situation mit meiner Mutter gehabt. Schließlich war es sonst immer schwer gewesen, meine Mutter für die einfachsten Dinge zu überzeugen und nun kochten wir zusammen Abendessen und machten uns einen schönen Abend mit Kerzenschein und guter Musik.
Als mein Vater noch bei uns gelebt hatte, hatten wir solche Abende oft zu dritt gehabt. Erst hatten wir etwas Leckeres gekocht, dann gemeinsam gegessen und über tiefgründige Themen oder unseren Alltag geredet. Und danach hatten wir uns auf unser Sofa gesetzt, um Papas Lieblingsshow im Fernsehen zu schauen, über die Mama und ich uns meist lustig machten. Schließlich waren bei dieser altmodischen Quizshow immer nur unglaublich langweilige Menschen. Dieser Teil des altbekannten Abends würde heute wohl wegfallen.

"Na, komm. Es ist wohl besser, wenn wir uns erstmal sauber machen.", schlug meine Mutter vor, was mich nur leise lachen ließ. "Du hast es so gewollt." Nachdem wir uns das Mehl aus dem Gesicht gewaschen hatten, hatten wir noch rasch die Wohnung gesäubert und schließlich zu Ende gekocht, dieses Mal ohne Unterbrechungen.
Schlussendlich saßen wir endlich an unserem kleinen Esszimmertisch, an den gerade Mal zwei Personen passten und aßen genüsslich unsere Spaghetti mit der leckeren Soße, die glücklicherweise noch ganz gut geworden war. "Und Manu, gibt es etwas zu erzählen?", kam es plötzlich von meiner Mutter, die mich erwartend anschaute, während ich verwirrt meine Stirn runzelte. "Was soll denn sein?" "Naja, wie ist die Schule? Oder die Arbeit?", redete sie weiter, was mich nachdenken ließ, "Oder wie geht es dem reichen Jungen, mit dem du dich gerne triffst?" Gleich nachdem meine Mutter Patrick erwähnt hatte, verschluckte ich mich leicht an einer Spaghetti und musste husten. Vielsagend beobachtete meine Mutter mich dabei, wie ich einen großen Schluck aus meinem Wasserglas nahm und mich langsam wieder zu beruhigen schien. "Wovon redest du?", versuchte ich meiner Antwort aus dem Weg zu gehen. "Manu, ich habe gesehen, wie er dich am Freitag hier rausgelassen hat.", erklärte sie sich, was mich gleich noch einen weiteren großen Schluck trinken ließ, "Mit dem gleichen schicken roten Cabrio, wie vom letzten Mal." "Ja, okay. Ihm geht es gut, Mama.", antwortete ich ihr letztendlich doch, was sie sofort grinsen ließ. "Du könntest mir auch wirklich mehr erzählen." Genervt schüttelte ich nur mit dem Kopf, aber konnte mir mein leichtes Grinsen selbst kaum verdrücken. Irgendwie fühlte sich das alles wieder viel zu normal an. Ein normal, das ich die letzten Monate so sehr vermisst hatte. "Da gibt es nichts zu erzählen, okay?", entgegnete ich ihr kurz, weswegen sie mich skeptisch anschaute und mir das nicht glauben wollte. Und wenn ich mich an Freitagabend zurückerinnerte, dann wollte ich mir das selbst nicht einmal mehr glauben.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt