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XXX - Lost In Pride

19th of July
"Die monatelangen Proben werden sich auszahlen! Ich weiß ganz genau, dass du heute perfekt sein wirst und dich selbst stolz machen kannst. Genauso wie mich."

Verlegen grinste ich leicht auffällig, als ich das nächste rosa Zettelchen von Patrick las und sich dieses warme Gefühl in meinem Bauch ausbreitete. Seitdem Patrick mir gesagt hatte, dass die kleinen Zettelchen von ihm wären, machte er keine Anstalten mehr, dies zu verheimlich. Plötzlich fing er an, sie von Hand zu schreiben, sodass ich bei dem Anblick von seiner unsauberen Schrift noch ein bisschen breiter lächeln musste. Es wirkte viel persönlicher und echter, sodass ich sogar das Gefühl hatte, ich könne sein angenehm riechendes, leichtes Parfüm an ihnen vernehmen. Vielleicht lag das aber auch daran, dass ich es nun eben wusste und es eine Erleichterung war, dass alles von ihm kam.
Mit einem sanften Lächeln auf den Lippen faltete ich den kleinen Zettel wieder zusammen und drehte mich kopfschüttelnd zurück zu meinem Spind, als mir ein weiterer ungewohnter Gegenstand darin auffiel. Interessiert zog ich eine Augenbraue in die Höhe und griff nach der winzigen rosa Blume. Etwas zögerlich begutachtete ich die rosa Nelke und konnte langsam meinen Augen kaum trauen. Noch nie zuvor hatte ich eine Blume geschenkt bekommen. Und nie hätte ich gedacht, dass es mir so sehr gefallen würde. Schließlich hatte ich oft mitbekommen, wie sich andere am Valentinstag an ihren roten Rosen erfreuten, während ich einsam daneben stand und mir einredete, so etwas könne mir niemals gefallen, sodass der Neid einem nichts antun konnte. Aber im Endeffekt hatte man sich tief in sich gewünscht, jemanden zu haben und es war verdammt ungewohnt, diese Persönlichkeit verlassen zu haben und einer der Menschen zu sein, der eben nicht einsam war. Plötzlich mochte man kitschige Zettelchen und rosa Blumen. Plötzlich verfluchte man den Valentinstag nicht mehr und verstand was Menschen an ihm hatten. Und innerlich hoffte ich nur, dass das alles bis nächsten Februar anhalten würde.

Nervös legte ich die süße Blume zurück in meinen Spind und hoffte, dass sie diesen Schultag überleben würde, bevor mein Blick durch den Schulflur huschte und ich nach dem braunhaarigen Schönling Ausschau hielt, von dem noch keine Spur war. Verträumt verlor ich mich dabei in meinen Gedanken und erinnerte mich grinsend an gestern zurück, als wir zusammen in der Cafeteria zu Mittag gegessen hatten. Ich hatte es mir zur Aufgabe gemacht, Patrick zum Mittagessen einzuladen, nachdem wir unseren Physikvortrag geschafft und gut abschnitten hatten. Schließlich war das wohl Patricks erste eins seit Langem gewesen. Und außerdem hatte Patrick sich solche Mühe gegeben, das hier richtig zu machen und ich wollte ihm zeigen, wie sehr mich das mit Stolz erfüllte. Da ich aber nicht ein riesiges Anwesen und ein rotes Cabrio besaß, reichte mein Budget nur für einen leckeren Muffin aus der Cafeteria und zur meiner Verteidigung waren diese Muffins die besten aus der Stadt, weswegen sie extra kosteten. Und obwohl Patrick sich wohl auf der Stelle zehntausende kaufen konnte, schien sein Lächeln breiter denn je gewesen zu sein, nach meiner lieben Geste und den ernstgemeinten Komplimenten.
Glücklich seufzend suchte ich ein weiteres Mal nach Patrick, während ich dabei meinen Spind gedankenverloren schloss und die Schüler um mich herum beobachtete, die endlich aufgehört hatten, mich zu betrachten. Nur zu sehr hatte ich ihre Blicke auf mir gespürt, als ich mal wieder ein Geschenk meines "heimlichen Verehrers" in meinem Spind vorgefunden hatte, weswegen ich immer mehr daran dachte, das alles aufzuklären.

Bedrückt machte mein Blick plötzlich bei Michael halt, der gerade auf der anderen Seite des Flures seine Bücher in seinem Spind verstaute und sich währenddessen mit einem Mitschüler unterhielt. Seitdem die Sache zwischen Patrick und mir etwas leichter und übersichtlicher geworden war, schien ich mir langsam über meinen besten Freund Gedanken zu machen. Schließlich hatten wir noch nie zuvor so lange nicht miteinander geredet und das in einer Zeit, die für uns beide sehr bedeutend war. Es war eventuell ziemlich selbstsüchtig gewesen, mich nur auf meine Probleme zu konzentrieren und Micha dabei bewusst auszublenden, aber wahrscheinlich lag das auch daran, dass diese Situation zwischen uns hilflos war. Wir waren beide sehr sture Personen und würden niemals laut zugeben, dass wir uns gegenseitig vermissten. So richtig konnte ich das nicht einmal gedanklich zugeben. Schließlich hatte unsere Freundschaft nie richtig tief werden können, wenn man bedachte, wie viele Grenzen aufgestellt worden waren, besonders von mir, was mir oft das Gefühl gegeben hatte, ihn nicht zu brauchen. Doch plötzlich schien dort etwas zu fehlen.

Lost In Lies | KürbistumorWo Geschichten leben. Entdecke jetzt